Semmering-Basistunnel im Detail
Letzter Durchschlag: Beide Röhren sind nun fertig gegraben
Mehr als vier Milliarden Euro Kosten, rund zwei Millionen Kubikmeter Beton, 1200 Arbeitsplätze sowie eine jahrzehntelange Planungs- und Baugeschichte: Der Semmering-Basistunnel ist ein Infrastrukturprojekt der Superlative, das ab 2030 den Zugverkehr in die Zukunft bringt, aber auch immer wieder in der Kritik stand. Ein umfassender Ein- und Überblick in Wort, Bild und Grafik.
Von Frederick Reinprecht, Jonas Binder und Katharina Maitz
Wir zwängen uns in grellorange Anzüge. "Tragfähigkeit 10 Personen" steht auf dem stählernen Gitterkorb, auch zu sechst steht man eng aneinandergedrängt. 410 Meter geht es unter die Erdoberfläche. Es wird rasch wärmer, die Luft ist feucht und staubig. Wir steigen aus und klettern auf Leitern noch weiter hinunter. Der Bauleiter sagt etwas, doch das Getöse der Presslufthämmer übertönt seine Stimme. Alltag für die Mineure auf der Baustelle des Semmering-Basistunnels.
Seit 2012 wird am und im Tunnel an der steirisch-niederösterreichischen Grenze gebaut. Im November 2024 wurden die Grabungsarbeiten abgeschlossen, ab 2030 sollen Züge mit bis zu 230 km/h durch den Berg rasen. Der Bahntunnel ist ein Milliardenvorhaben, die zu Beginn budgetierten 3,1 Milliarden Euro Gesamtkosten werden nicht halten; im Frühjahr 2023 stand man schon bei 4,2 Milliarden Euro. Rund 1200 Personen sind unmittelbar am Bau beteiligt.
Der Tunnel ist Teil des ambitioniertesten ÖBB-Ausbauprojektes: der Südstrecke zwischen Wien und Villach, zu der auch der Koralmtunnel zwischen der Steiermark und Kärnten zählt. Die Südstrecke wiederum fügt sich in eine 1700 Kilometer lange transeuropäische Zugverbindung zwischen Ostsee und Adria ein.
Der Semmering-Basistunnel führt in Gestalt zweier 27,3 Kilometer langer Röhren vom Bahnhof Mürzzuschlag in der Steiermark durch die Gebiete Fischbacher Alpen, Semmering und Wechsel zum niederösterreichischen Bahnhof Gloggnitz.
Insgesamt werden beim Tunnelbau rund 6 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gesprengt, gebohrt und gefördert. Etwa 4,25 Mio. Kubikmeter davon wurden nahe einer Tunnelbaustelle im Longsgraben deponiert. Die Deponie wird mit Waldbäumen bepflanzt.
Die Vorarbeiten für den Bau begannen 2012. Das Tunnelprojekt wurde in drei Bauabschnitte unterteilt: Das etwa sieben Kilometer lange Teilstück Grautschenhof beginnt beim Tunnelportal in Mürzzuschlag. Start der eigentlichen Bauarbeiten des Teilstücks war 2017.
Daran schließt der rund 13 Kilometer lange Abschnitt Fröschnitzgraben (Baubeginn 2015) an.
Das dritte, gut sieben Kilometer lange Teilstück Gloggnitz führt dann weiter zum Tunnelportal in Gloggnitz. Baubeginn war ebenfalls 2015.
Im Vorfeld des Projekts wurden umfangreiche geologische Untersuchungen mittels 280 Kernbohrungen an verschiedenen Stellen durchgeführt. Der Tunnelvortrieb wurde schlussendlich nicht nur von den Tunnelportalen aus in Angriff genommen.
Für den Vortrieb wurden drei sogenannte "Zwischenangriffe" errichtet. Von den beiden 100 Meter tiefen vertikalen Zugangsschächten beim Zwischenangriff Grautschenhof erfolgte der Tunnelvortrieb mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen – also in Richtung Mürzzuschlag und Fröschnitzgraben.
Beim Zwischenangriff Fröschnitzgraben kamen in Richtung Gloggnitz zwei Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Richtung Mürzzuschlag arbeitete man im Bagger- und Sprengvortrieb-Verfahren. Die beiden Zugangsschächte sind mehr als 400 Meter tief. An ihrem Ende entstand ein großer Hohlraum, der als Nothaltestelle genutzt werden wird.
Von den beiden 250 Meter tiefen Zugangsschächten des Zwischenangriffs Göstritz wurde wieder mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen gegraben. Im November 2024 erfolgte in diesem Bereich auch der letzte Tunneldurchschlag.
Der Semmering-Basistunnel führt in Gestalt zweier 27,3 Kilometer langer Röhren vom Bahnhof Mürzzuschlag in der Steiermark durch die Gebiete Fischbacher Alpen, Semmering und Wechsel zum niederösterreichischen Bahnhof Gloggnitz.
Insgesamt werden beim Tunnelbau rund 6 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gesprengt, gebohrt und gefördert. Etwa 4,25 Mio. Kubikmeter davon wurden nahe einer Tunnelbaustelle im Longsgraben deponiert. Die Deponie wird mit Waldbäumen bepflanzt.
Die Vorarbeiten für den Bau begannen 2012. Das Tunnelprojekt wurde in drei Bauabschnitte unterteilt: Das etwa sieben Kilometer lange Teilstück Grautschenhof beginnt beim Tunnelportal in Mürzzuschlag. Start der eigentlichen Bauarbeiten des Teilstücks war 2017.
Daran schließt der rund 13 Kilometer lange Abschnitt Fröschnitzgraben (Baubeginn 2015) an.
Das dritte, gut sieben Kilometer lange Teilstück Gloggnitz führt dann weiter zum Tunnelportal in Gloggnitz. Baubeginn war ebenfalls 2015.
Im Vorfeld des Projekts wurden umfangreiche geologische Untersuchungen mittels 280 Kernbohrungen an verschiedenen Stellen durchgeführt. Der Tunnelvortrieb wurde schlussendlich nicht nur von den Tunnelportalen aus in Angriff genommen.
Für den Vortrieb wurden drei sogenannte "Zwischenangriffe" errichtet. Von den beiden 100 Meter tiefen vertikalen Zugangsschächten beim Zwischenangriff Grautschenhof erfolgte der Tunnelvortrieb mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen – also in Richtung Mürzzuschlag und Fröschnitzgraben.
Beim Zwischenangriff Fröschnitzgraben kamen in Richtung Gloggnitz zwei Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Richtung Mürzzuschlag arbeitete man im Bagger- und Sprengvortrieb-Verfahren. Die beiden Zugangsschächte sind mehr als 400 Meter tief. An ihrem Ende entstand ein großer Hohlraum, der als Nothaltestelle genutzt werden wird.
Von den beiden 250 Meter tiefen Zugangsschächten des Zwischenangriffs Göstritz wurde wieder mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen gegraben. Im November 2024 erfolgte in diesem Bereich auch der letzte Tunneldurchschlag.
So wird ein Tunnel gegraben
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten des Tunnelbaus: der offenen und der geschlossenen bzw. bergmännischen Bauweise.
Bei der offenen Bauweise wird der Untergrund aufgegraben und dort anschließend das Tunnelbauwerk errichtet. Dieses wird in weiterer Folge wieder mit Erde bzw. Schotter überdeckt. Diese Bauweise kann nur zum Einsatz kommen, wenn der Tunnel nicht tief unter der Erdoberfläche verlaufen soll und das Grabungsgebiet noch nicht (dicht) bebaut ist, da sonst Gebäude abgerissen werden müssten.
Beim Semmering-Basistunnel, der in bis zu 400 Metern Tiefe verläuft, kommt hingegen die geschlossene Bauweise zum Einsatz. Auch hierbei gibt es verschiedene Verfahren, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: kontinuierlicher und zyklischer Vortrieb. Anders gesagt: "Entweder mit einer sehr großen Bohrmaschine oder mit sehr, sehr viel Sprengstoff", wie es Gernot Nipitsch, Projektleiter des Bauloses Fröschnitzgraben, in einem Erklärvideo der ÖBB ausdrückt. "Das Besondere am Semmering-Basistunnel ist, dass wir aufgrund der geologischen Verhältnisse beide Vortriebsmethoden einsetzen."
Kontinuierlicher Vortrieb
Zwei Tunnelbohrmaschinen – eine pro Röhre – werken im Tunnel: mit je 12.000 PS Leistung, 120 Metern Länge und 1800 Tonnen Gewicht. Der Bohrkopf frisst sich durch das Gestein, maximal 34 Meter pro Tag. Förderbänder transportieren das Material dann ab. Der entstehende Tunnel wird mit Betonplatten ("Tübbinge") ausgekleidet, anhand derer sich der Bohrer hydraulisch vorwärts bewegt.
Zyklischer Vortrieb
Bei schwierigem und wechselhaftem Gestein setzen die Mineure hingegen auf Sprengstoff, der in zuvor gebohrten Löchern detoniert wird. Das durch die Sprengung gelöste Material wird mit Baggern und Lastwägen aus dem Tunnel geschafft und der entstehende Hohlraum mit Stahl sowie Spritzbeton gesichert, bevor erneut gebohrt wird.
So wird ein Tunnel gegraben
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten des Tunnelbaus: der offenen und der geschlossenen bzw. bergmännischen Bauweise.
Bei der offenen Bauweise wird der Untergrund aufgegraben und dort anschließend das Tunnelbauwerk errichtet. Dieses wird in weiterer Folge wieder mit Erde bzw. Schotter überdeckt. Diese Bauweise kann nur zum Einsatz kommen, wenn der Tunnel nicht tief unter der Erdoberfläche verlaufen soll und das Grabungsgebiet noch nicht (dicht) bebaut ist, da sonst Gebäude abgerissen werden müssten.
Beim Semmering-Basistunnel, der in bis zu 400 Metern Tiefe verläuft, kommt hingegen die geschlossene Bauweise zum Einsatz. Auch hierbei gibt es verschiedene Verfahren, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: kontinuierlicher und zyklischer Vortrieb. Anders gesagt: "Entweder mit einer sehr großen Bohrmaschine oder mit sehr, sehr viel Sprengstoff", wie es Gernot Nipitsch, Projektleiter des Bauloses Fröschnitzgraben, in einem Erklärvideo der ÖBB ausdrückt. "Das Besondere am Semmering-Basistunnel ist, dass wir aufgrund der geologischen Verhältnisse beide Vortriebsmethoden einsetzen."
Kontinuierlicher Vortrieb
Zwei Tunnelbohrmaschinen – eine pro Röhre – werken im Tunnel: mit je 12.000 PS Leistung, 120 Metern Länge und 1800 Tonnen Gewicht. Der Bohrkopf frisst sich durch das Gestein, maximal 34 Meter pro Tag. Förderbänder transportieren das Material dann ab. Der entstehende Tunnel wird mit Betonplatten ("Tübbinge") ausgekleidet, anhand derer sich der Bohrer hydraulisch vorwärts bewegt.
Zyklischer Vortrieb
Bei schwierigem und wechselhaftem Gestein setzen die Mineure hingegen auf Sprengstoff, der in zuvor gebohrten Löchern detoniert wird. Das durch die Sprengung gelöste Material wird mit Baggern und Lastwägen aus dem Tunnel geschafft und der entstehende Hohlraum mit Stahl sowie Spritzbeton gesichert, bevor erneut gebohrt wird.
Von Ghegas Ingenieurskunst zu den ersten Tunnelplänen
Als 1854 die Zugstrecke über den Semmering eröffnet wurde, galt sie als technische Meisterleistung ihrer Zeit. Unter der Bauleitung von Carl Ritter von Ghega errichteten 20.000 Arbeiter in nur sechs Jahren die erste normalspurige Bergbahn Europas. Rund 1000 Personen kamen dabei durch Arbeitsunfälle und grassierende Infektionskrankheiten ums Leben.
Über die knapp 42 Kilometer lange, kurvenreiche Strecke mit 15 Tunneln und 16 Viadukten wurden die seit 1844 bestehenden Bahnlinien zwischen Wien und Gloggnitz sowie Mürzzuschlag und Graz verbunden. Bei einer Fahrt müssen knapp 460 Meter Höhendifferenz überwunden werden. 1998 wurde die Bahnanlage samt umliegender Kulturlandschaft als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt.
Die Strecke über den Semmering ist – seit damals praktisch unverändert – auch heute in Betrieb, lediglich der längste Tunnel musste neu errichtet werden. Nach heutigen Maßstäben bringt die Streckenführung aber einige Nachteile mit sich. So sorgen die engen Kurvenradien und die enorme Steigung (im Maximum 25 Promille) für Probleme, speziell was den Gütertransport betrifft.
Daher gab es in der Vergangenheit bereits eine Reihe verschiedener Überlegungen für einen Tunnel unter dem Semmering. Die erste Tunnel-Vision reicht sogar in die Zeit bis vor den Bau der Semmering-Bergstrecke zurück. Ende der 1980er-Jahre erfolgte dann der erste konkrete Anlauf.