Semmering-Basistunnel im Detail

Durchschlag: Steiermark und Niederösterreich verbunden

Mehr als vier Milliarden Euro Kosten, rund zwei Millionen Kubikmeter Beton, 1200 Arbeitsplätze sowie eine jahrzehntelange Planungs- und Baugeschichte: Der Semmering-Basistunnel ist ein Infrastrukturprojekt der Superlative, das ab 2030 den Zugverkehr in die Zukunft bringt, aber auch immer wieder in der Kritik stand. Ein umfassender Ein- und Überblick in Wort, Bild und Grafik.

Von Frederick Reinprecht, Jonas Binder und Katharina Maitz

Wir zwängen uns in grellorange Anzüge. "Tragfähigkeit 10 Personen" steht auf dem stählernen Gitterkorb, auch zu sechst steht man eng aneinandergedrängt. 410 Meter geht es unter die Erdoberfläche. Es wird rasch wärmer, die Luft ist feucht und staubig. Wir steigen aus und klettern auf Leitern noch weiter hinunter. Der Bauleiter sagt etwas, doch das Getöse der Presslufthämmer übertönt seine Stimme. Alltag für die Mineure auf der Baustelle des Semmering-Basistunnels.

Seit 2012 wird am und im Tunnel an der steirisch-niederösterreichischen Grenze gebaut. Ab 2030 sollen Züge mit bis zu 230 km/h durch den Berg rasen. Der Bahntunnel ist ein Milliardenvorhaben, die zu Beginn budgetierten 3,1 Milliarden Euro Gesamtkosten werden nicht halten; im Frühjahr 2023 stand man schon bei 4,2 Milliarden Euro. Rund 1200 Personen sind unmittelbar am Bau beteiligt.

Der Tunnel ist Teil des ambitioniertesten ÖBB-Ausbauprojektes: der Südstrecke zwischen Wien und Villach, zu der auch der Koralmtunnel zwischen der Steiermark und Kärnten zählt. Die Südstrecke wiederum fügt sich in eine 1700 Kilometer lange transeuropäische Zugverbindung zwischen Ostsee und Adria ein.

Der Semmering-Basistunnel führt in Gestalt zweier 27,3 Kilometer langer Röhren vom Bahnhof Mürzzuschlag in der Steiermark durch die Gebiete Fischbacher Alpen, Semmering und Wechsel zum niederösterreichischen Bahnhof Gloggnitz.

Insgesamt werden beim Tunnelbau rund 6 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gesprengt, gebohrt und gefördert. Etwa 4,25 Mio. Kubikmeter davon wurden nahe einer Tunnelbaustelle im Longsgraben deponiert. Die Deponie wird mit Waldbäumen bepflanzt.

Kleiner Volumsvergleich: Die Cheopspyramide fasst etwa 2,58 Millionen Kubikmeter.

Die Vorarbeiten für den Bau begannen 2012. Das Tunnelprojekt wurde in drei Bauabschnitte unterteilt: Das etwa sieben Kilometer lange Teilstück Grautschenhof beginnt beim Tunnelportal in Mürzzuschlag. Start der eigentlichen Bauarbeiten des Teilstücks war 2017.

Daran schließt der rund 13 Kilometer lange Abschnitt Fröschnitzgraben (Baubeginn 2015) an.

Das dritte, gut sieben Kilometer lange Teilstück Gloggnitz führt dann weiter zum Tunnelportal in Gloggnitz. Baubeginn war ebenfalls 2015.

Im Vorfeld des Projekts wurden umfangreiche geologische Untersuchungen mittels 280 Kernbohrungen an verschiedenen Stellen durchgeführt. Der Tunnelvortrieb wurde schlussendlich nicht nur von den Tunnelportalen aus in Angriff genommen.

Für den Vortrieb wurden drei sogenannte "Zwischenangriffe" errichtet. Von den beiden 100 Meter tiefen vertikalen Zugangsschächten beim Zwischenangriff Grautschenhof erfolgte der Tunnelvortrieb mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen – also in Richtung Mürzzuschlag und Fröschnitzgraben.

Beim Zwischenangriff Fröschnitzgraben kamen in Richtung Gloggnitz zwei Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Richtung Mürzzuschlag arbeitete man im Bagger- und Sprengvortrieb-Verfahren. Die beiden Zugangsschächte sind mehr als 400 Meter tief. An ihrem Ende entstand ein großer Hohlraum, der als Nothaltestelle genutzt werden wird.

Von den beiden 250 Meter tiefen Zugangsschächten des Zwischenangriffs Göstritz wurde wieder mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen gegraben.

Stand September 2024 sind bereits 99 Prozent des Tunnels in den Fels geschlagen, lediglich hier, inmitten des Abschnitts Gloggnitz, müssen bei einer Röhre noch 200 Meter unter schwierigen geologischen Verhältnissen gegraben werden.

Der Semmering-Basistunnel führt in Gestalt zweier 27,3 Kilometer langer Röhren vom Bahnhof Mürzzuschlag in der Steiermark durch die Gebiete Fischbacher Alpen, Semmering und Wechsel zum niederösterreichischen Bahnhof Gloggnitz.

Insgesamt werden beim Tunnelbau rund 6 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gesprengt, gebohrt und gefördert. Etwa 4,25 Mio. Kubikmeter davon wurden nahe einer Tunnelbaustelle im Longsgraben deponiert. Die Deponie wird mit Waldbäumen bepflanzt.

Kleiner Volumsvergleich: Die Cheopspyramide fasst etwa 2,58 Millionen Kubikmeter.

Die Vorarbeiten für den Bau begannen 2012. Das Tunnelprojekt wurde in drei Bauabschnitte unterteilt: Das etwa sieben Kilometer lange Teilstück Grautschenhof beginnt beim Tunnelportal in Mürzzuschlag. Start der eigentlichen Bauarbeiten des Teilstücks war 2017.

Daran schließt der rund 13 Kilometer lange Abschnitt Fröschnitzgraben (Baubeginn 2015) an.

Das dritte, gut sieben Kilometer lange Teilstück Gloggnitz führt dann weiter zum Tunnelportal in Gloggnitz. Baubeginn war ebenfalls 2015.

Im Vorfeld des Projekts wurden umfangreiche geologische Untersuchungen mittels 280 Kernbohrungen an verschiedenen Stellen durchgeführt. Der Tunnelvortrieb wurde schlussendlich nicht nur von den Tunnelportalen aus in Angriff genommen.

Für den Vortrieb wurden drei sogenannte "Zwischenangriffe" errichtet. Von den beiden 100 Meter tiefen vertikalen Zugangsschächten beim Zwischenangriff Grautschenhof erfolgte der Tunnelvortrieb mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen – also in Richtung Mürzzuschlag und Fröschnitzgraben.

Beim Zwischenangriff Fröschnitzgraben kamen in Richtung Gloggnitz zwei Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Richtung Mürzzuschlag arbeitete man im Bagger- und Sprengvortrieb-Verfahren. Die beiden Zugangsschächte sind mehr als 400 Meter tief. An ihrem Ende entstand ein großer Hohlraum, der als Nothaltestelle genutzt werden wird.

Von den beiden 250 Meter tiefen Zugangsschächten des Zwischenangriffs Göstritz wurde wieder mittels Sprengungen und Bagger in beide Richtungen gegraben.

Stand September 2024 sind bereits 99 Prozent des Tunnels in den Fels geschlagen, lediglich hier, inmitten des Abschnitts Gloggnitz, müssen bei einer Röhre noch 200 Meter unter schwierigen geologischen Verhältnissen gegraben werden.

So wird ein Tunnel gegraben

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten des Tunnelbaus: der offenen und der geschlossenen bzw. bergmännischen Bauweise.

Bei der offenen Bauweise wird der Untergrund aufgegraben und dort anschließend das Tunnelbauwerk errichtet. Dieses wird in weiterer Folge wieder mit Erde bzw. Schotter überdeckt. Diese Bauweise kann nur zum Einsatz kommen, wenn der Tunnel nicht tief unter der Erdoberfläche verlaufen soll und das Grabungsgebiet noch nicht (dicht) bebaut ist, da sonst Gebäude abgerissen werden müssten.

Beim Semmering-Basistunnel, der in bis zu 400 Metern Tiefe verläuft, kommt hingegen die geschlossene Bauweise zum Einsatz. Auch hierbei gibt es verschiedene Verfahren, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: kontinuierlicher und zyklischer Vortrieb. Anders gesagt: "Entweder mit einer sehr großen Bohrmaschine oder mit sehr, sehr viel Sprengstoff", wie es Gernot Nipitsch, Projektleiter des Bauloses Fröschnitzgraben, in einem Erklärvideo der ÖBB ausdrückt. "Das Besondere am Semmering-Basistunnel ist, dass wir aufgrund der geologischen Verhältnisse beide Vortriebsmethoden einsetzen."

Kontinuierlicher Vortrieb

Zwei Tunnelbohrmaschinen – eine pro Röhre – werken im Tunnel: mit je 12.000 PS Leistung, 120 Metern Länge und 1800 Tonnen Gewicht. Der Bohrkopf frisst sich durch das Gestein, maximal 34 Meter pro Tag. Förderbänder transportieren das Material dann ab. Der entstehende Tunnel wird mit Betonplatten ("Tübbinge") ausgekleidet, anhand derer sich der Bohrer hydraulisch vorwärts bewegt.

Zyklischer Vortrieb

Bei schwierigem und wechselhaftem Gestein setzen die Mineure hingegen auf Sprengstoff, der in zuvor gebohrten Löchern detoniert wird. Das durch die Sprengung gelöste Material wird mit Baggern und Lastwägen aus dem Tunnel geschafft und der entstehende Hohlraum mit Stahl sowie Spritzbeton gesichert, bevor erneut gebohrt wird.

So wird ein Tunnel gegraben

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten des Tunnelbaus: der offenen und der geschlossenen bzw. bergmännischen Bauweise.

Bei der offenen Bauweise wird der Untergrund aufgegraben und dort anschließend das Tunnelbauwerk errichtet. Dieses wird in weiterer Folge wieder mit Erde bzw. Schotter überdeckt. Diese Bauweise kann nur zum Einsatz kommen, wenn der Tunnel nicht tief unter der Erdoberfläche verlaufen soll und das Grabungsgebiet noch nicht (dicht) bebaut ist, da sonst Gebäude abgerissen werden müssten.

Beim Semmering-Basistunnel, der in bis zu 400 Metern Tiefe verläuft, kommt hingegen die geschlossene Bauweise zum Einsatz. Auch hierbei gibt es verschiedene Verfahren, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: kontinuierlicher und zyklischer Vortrieb. Anders gesagt: "Entweder mit einer sehr großen Bohrmaschine oder mit sehr, sehr viel Sprengstoff", wie es Gernot Nipitsch, Projektleiter des Bauloses Fröschnitzgraben, in einem Erklärvideo der ÖBB ausdrückt. "Das Besondere am Semmering-Basistunnel ist, dass wir aufgrund der geologischen Verhältnisse beide Vortriebsmethoden einsetzen."

Kontinuierlicher Vortrieb

Zwei Tunnelbohrmaschinen – eine pro Röhre – werken im Tunnel: mit je 12.000 PS Leistung, 120 Metern Länge und 1800 Tonnen Gewicht. Der Bohrkopf frisst sich durch das Gestein, maximal 34 Meter pro Tag. Förderbänder transportieren das Material dann ab. Der entstehende Tunnel wird mit Betonplatten ("Tübbinge") ausgekleidet, anhand derer sich der Bohrer hydraulisch vorwärts bewegt.

Zyklischer Vortrieb

Bei schwierigem und wechselhaftem Gestein setzen die Mineure hingegen auf Sprengstoff, der in zuvor gebohrten Löchern detoniert wird. Das durch die Sprengung gelöste Material wird mit Baggern und Lastwägen aus dem Tunnel geschafft und der entstehende Hohlraum mit Stahl sowie Spritzbeton gesichert, bevor erneut gebohrt wird.

Von Ghegas Ingenieurskunst zu den ersten Tunnelplänen

Als 1854 die Zugstrecke über den Semmering eröffnet wurde, galt sie als technische Meisterleistung ihrer Zeit. Unter der Bauleitung von Carl Ritter von Ghega errichteten 20.000 Arbeiter in nur sechs Jahren die erste normalspurige Bergbahn Europas. Rund 1000 Personen kamen dabei durch Arbeitsunfälle und grassierende Infektionskrankheiten ums Leben.

Über die knapp 42 Kilometer lange, kurvenreiche Strecke mit 15 Tunneln und 16 Viadukten wurden die seit 1844 bestehenden Bahnlinien zwischen Wien und Gloggnitz sowie Mürzzuschlag und Graz verbunden. Bei einer Fahrt müssen knapp 460 Meter Höhendifferenz überwunden werden. 1998 wurde die Bahnanlage samt umliegender Kulturlandschaft als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt.

Die Strecke über den Semmering ist – seit damals praktisch unverändert – auch heute in Betrieb, lediglich der längste Tunnel musste neu errichtet werden. Nach heutigen Maßstäben bringt die Streckenführung aber einige Nachteile mit sich. So sorgen die engen Kurvenradien und die enorme Steigung (im Maximum 25 Promille) für Probleme, speziell was den Gütertransport betrifft.

Daher gab es in der Vergangenheit bereits eine Reihe verschiedener Überlegungen für einen Tunnel unter dem Semmering. Die erste Tunnel-Vision reicht sogar in die Zeit bis vor den Bau der Semmering-Bergstrecke zurück. Ende der 1980er-Jahre erfolgte dann der erste konkrete Anlauf.

1994

Auf steirischer Seite beginnen die Arbeiten für eine 1989 bewilligte, 22,7 Kilometer lange Tunnelvariante. Das Vorhaben scheitert jedoch am politischen Widerstand Niederösterreichs, zurück bleibt ein Sondierstollen.

2010

Nächster Anlauf: Neue Pläne für einen Semmering-Basistunnel werden eingereicht. 2011 folgte die Bewilligung. Im Hotel Panhans findet damals die eisenbahnrechtliche Verhandlung (Foto) statt.

2012

Die Landeshauptmänner Erwin Pröll (ÖVP, einst Tunnel-Gegner) und Franz Voves (SPÖ) greifen in Gloggnitz gemeinsam mit Christian Kern, damals ÖBB-Chef, zum Spaten. Auf das Foto schafft es auch ein Gegner des Tunnelprojekts mit dem Schild "Der Berg sagt Nein!".

2015

Zunächst werden Vorbereitungsarbeiten durchgeführt, die eigentlichen Tunnelarbeiten starten im November 2015 im Abschnitt Fröschnitzgraben.

2019

Mit den Arbeiten am Westportal und dem Umbau des Bahnhofs von Mürzzuschlag beginnt auch die letzte Etappe des Tunnelprojekts. Der neu umgebaut Bahnhof wird im Mai 2023 eröffnet.

2022

Am 10. Juni 2022 gelingt der erste Tunnel-Durchschlag. Die erste Verbindung zweier Bauabschnitte, Göstritz und Fröschnitzgraben, ist damit hergestellt.

2023

Mit Ende August 2023 sind bereits 97 Prozent des Semmering-Basistunnels gegraben und die Vortriebsarbeiten auf der steirischen Seite des Tunnels vollständig abgeschlossen. Auf der niederösterreichischen Seite sind noch 750 Meter zu bewältigen.

2024

In der ersten Röhre erfolgt im September 2024 der letzte Tunneldurchschlag, das steirische Mürzzuschlag ist somit mit dem niederösterreichischen Gloggnitz verbunden.

2025

In der zweiten Röhre sollen die Vortriebsarbeiten Anfang 2025 abgeschlossen sein. Parallel sind die Arbeiten an der Beton-Innenschale bereits sehr weit fortgeschritten, die unterhalb der Außenschale aus Betonplatten und Spritzbeton angebracht wird. Insgesamt werden 2 Millionen Kubikmeter Beton verbaut.

2028

Bis Ende 2028/Anfang 2009 soll die Verlegung der Schienen und Stromversorgung sowie die Installation der Signal-, Funk-, Beleuchtungs- und Telekommunikationstechnik erfolgen. Anschließend starten die Test- und Einschulungsfahrten.

2030

Mit der Inbetriebnahme des Semmering-Basistunnels ist auch das gesamte, 1999 begonnene Projekt Südstrecke abgeschlossen.

Rückschläge, Unfälle, Proteste und Prozesse

Ein milliardenschweres Tunnel-Großprojekt geht naturgemäß nicht reibungslos und ohne Zwischenfälle über die Bühne. Schon im Vorfeld gab es Widerstände von politischer Seite: Der damalige niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) blockierte das Vorhaben jahrelang.

Widerstände gegen den Tunnelbau

Auch Tunnelgegner wie die "Allianz für Natur", die sich seit 1992 gegen das Großprojekt am Semmering betätigen, übten wiederholt Kritik. Doch das Bundesverwaltungsgericht weist 2015 schließlich alle vorgebrachten Einwände ab, das öffentliche Interesse an der Bahnverbindung überwiege. 2014 kommt es zu einem zwischenzeitlichen Baustopp: Das Höchstgericht hebt den Baubescheid des Verkehrsministeriums aufgrund eines Formalfehlers auf. Die Umweltverträglichkeitsprüfung muss wiederholt werden, noch im selben Jahr geht es mit einem neuerlich positiven Bescheid weiter.

Schwere Arbeitsunfälle

Im November 2018 gerät ein 25-Jähriger in eine Förderbandanlage, wodurch sein linker Arm abgetrennt wird. Er wird in den künstlichen Tiefschlaf versetzt.

2020 kommt es zu zwei tödlichen Unfällen in kurzer Zeit: Im April wird ein Arbeiter im Abschnitt Gloggnitz verschüttet, ein Vermessungstechniker wird im Mai im Fröschnitzgraben von einem Baufahrzeug erfasst. Beide Männer versterben noch an der Unfallstelle.

Zwei weitere tödliche Unfälle ereignen sich 2023: Ein Arbeiter wird im Juli von einer Schalungsmaschine eingeklemmt und erliegt später im Spital seinen schweren Verletzungen. Ein weiterer Arbeiter verstirbt Ende Oktober, nachdem er von einem Baufahrzeug überrollt worden ist.

Schwer verletzt wird ein Arbeiter im Juni 2024, nachdem ihn ein 200 Kilogramm schweres Metallteil trifft.

Geologische Probleme

Auch geologische Begebenheiten führen wiederholt zu Problemen. Besonders herausfordernd ist das Jahr 2019: Im Mai löst sich beim Vortrieb von Gloggnitz auf einer Länge von 25 Metern Gesteinsmaterial an der Tunneldecke. Ein Bagger wird bis zur Fahrerkabine verschüttet, verletzt wird glücklicherweise niemand. Die Arbeiten verzögern sich an dieser Stelle jedoch um drei Monate. Eine Woche später gibt 100 Meter über der Einsturzstelle die Erdoberfläche nach und formt einen acht Meter tiefen Trichter in der Gloggnitzer Katastralgemeinde Aue. Die Stelle wird weitläufig abgesichert.

Anfang Juli kommt es zu einem massiven Wassereinbruch. Mehr als 60 Liter Wasser pro Sekunde treten aus, pro Tag 5000 Kubikmeter. 70 Leute sind mit der Reparatur beschäftigt. Mehrere Hundert Kubikmeter Beton werden als "Plomben" gegen das Wasser eingesetzt. Der Wassereinbruch bewirkt eine starke weißliche Trübung des Göstritzbachs und der Schwarza durch Tonminerale und Dolomitspat. Die Abteilung für Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich gibt aber Entwarnung, die Trübung sei keine Gefahr für Mensch oder Säugetier.

2022 trifft man im Bereich Gloggnitz auf eine geologische Störzone, der komplizierte Gebirgsaufbau aus wechselhaften Gestein verzögert die Arbeiten massiv. Die Fertigstellung verzögert sich um mehrere Jahre, die Kosten steigen um mehrere Hundert Millionen Euro.

Millionenbetrug

Tonnenweise sollen Beton, Baustahl und andere Materialien vom Baulos Grautschenhof abgezweigt worden sein, dazu noch mehr als 200.000 Liter Diesel. Schadenshöhe: rund 2 Millionen Euro. Im April 2021 setzt es vor Gericht fünf Haftstrafen. Im Februar 2023 wird der Prozess dreier Verurteilter neu aufgerollt. Alle zeigen sich geständig und erhalten reduzierte Haftstrafen.

50 Minuten schneller von Wien nach Graz

Rund 235 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Wien und Klagenfurt. Mit dem Pkw braucht man von der Hauptstadt über die A 2 etwa 3,5 Stunden an den Wörthersee. Von Wien nach Graz (Luftlinie: 145 Kilometer) fährt man rund 2 Stunden mit dem Auto.

Werte jeweils mit Google Maps ermittelt.

Wer in den Zug steigt, ist zwischen Wien und Klagenfurt derzeit sogar 4 Stunden unterwegs. Für die Bahnstrecke Wien – Graz muss man immerhin noch 2 Stunden und 40 Minuten einplanen. Von Niederösterreich in die Steiermark geht es stets über die alte Ghega-Strecke über den Semmering.

Ab 2030 führt die Strecke dann durch den Semmering-Basistunnel. Die Fahrzeit nach Graz verkürzt sich um 50 Minuten auf 1 Stunde und 50 Minuten.

Nach Klagenfurt muss man nicht mehr über die Hochsteiermark und Mittelkärnten (via Leoben, Knittelfeld, Judenburg und St. Veit) dingeln. Durch den Semmering-Basistunnel und die neue Koralmstrecke samt Koralmtunnel verkürzt sich die Fahrzeit um 1 Stunde und 20 Minuten auf 2 Stunden und 40 Minuten.

Semmering-Basistunnel sowie Koralmbahn samt -tunnel (Baubeginn 1999) sind Teil des ÖBB-Großprojekts Südstrecke zwischen Wien und Villach. Zählt man auch den Abschnitt von Villach zur italienischen Grenze und alle Teilprojekte wie den Ausbau der Nordbahn von Wien bis zur tschechischen Grenze oder die Strecke von Wien Richtung Bratislava hinzu, umfasst die Südstrecke insgesamt 470 vollständig elektrifizierte Bahnkilometer. Hiervon werden 200 Kilometer und etwa 90 Bahnhöfe bzw. Haltestellen modernisiert sowie 170 Kilometer Schiene und 18 Stationen (Bahnhöfe, Haltestellen, Güterbahnhöfe) neu errichtet. Rund 13 Milliarden Euro werden investiert (2011 ging man noch von 8,5 Milliarden Euro aus), mehr als 5000 Personen sind an den Arbeiten beteiligt, die bis 2030 abgeschlossen sein sollen.

Warum "Basis"-Tunnel?

Anders als der Koralm-Tunnel trägt der neue Tunnel im Semmeringgebiet den Namenszusatz "Basis". Laut ÖBB dient diese Bezeichnung der Abgrenzung zu den bestehenden Tunneln der aktuellen Strecke über den Semmering sowie zu den Autobahntunneln der Semmering Schnellstraße (S 6). Aus fachlicher Sicht spricht man von einem Basistunnel, "wenn ein Tunnel ohne nennenswerte Steigung durch den Berg verläuft und somit die Eigenschaften einer Flachbahn hat".

Aktuell wird die Südstrecke von jährlich 37 Millionen Fahrgästen genutzt. Außerdem werden – auch grenzüberschreitend, Richtung Adria-Häfen – von der ÖBB 22 Millionen Tonnen Güter pro Jahr befördert. Durch die neue Alternative zur alten Semmering-Passage, können die Güterzüge künftig schwerer beladen werden und mit einer einzelnen Lokomotive als Triebfahrzeug bewegt werden.

Die Südbahn selbst ist Teil der europäischen Baltisch-Adriatischen Verkehrsachse zwischen Danzig (Polen) und Bologna (Italien), die von der EU forciert und mitfinanziert wird. In Österreich soll der Ausbau dieser Achse gemäß einer ÖBB-eigenen Studie aus dem Jahr 2011 über 30 Jahre hinweg eine Wertschöpfung von 15,5 Milliarden Euro generieren und bis zu 15.000 dauerhafte Arbeitsplätze schaffen. Jüngere Zahlen zu gesamtwirtschaftlichen Effekten gibt es noch nicht, allerdings dürfte das Verkehrsministerium solche im Rahmen seiner "Verkehrsprognose 2040+" vorlegen, die voraussichtlich Ende 2023 erstellt wird.

Zurück in den Semmering-Basistunnel: Am Ende der Besichtigung erläutert ein Tunnelbauexperte die logistischen Herausforderungen. Umhüllt von feinem Staub, besteigen wir wieder den stählernen Gitterkorb. Wir fahren nach oben, das Getöse bleibt unter uns zurück. An der Oberfläche angekommen, schälen wir uns aus den grellorangen Anzügen und atmen die frische Luft ein. Aufatmen heißt es dann auch für die Projektverantwortlichen, wenn 2030 – hoffentlich – der letzte Handgriff unter Tage getan ist und der erste Zug im Regelbetrieb durch den Tunnel rollt.

Karte und 3D-Visualisierung Tunnel: ÖBB, Katharina Maitz

Quellen: ÖBB, Kleine Zeitung, semmeringbahn.at, TU Wien/Adam ("Tunnelbau im Festgestein und Lockergestein")

Fotos: ÖBB/Ebner (4), KK, APA/Jäger, KLZ/Pototschnig (5), KLZ/Kanizaj, APA/Hochmuth, ÖBB (2), KLZ/Pachernegg

Videos: ÖBB

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