Keime und Co

Wie sich Wetterextreme auf unser Trinkwasser auswirken

Coliforme Bakterien (rot) und Escherichia coli (blau) im Trinkwasser

Coliforme Bakterien (rot) und Escherichia coli (blau) im Trinkwasser

SCHWERPUNKT. Dürre oder Starkregen samt Überflutungen: Wie sich Wetterextreme auf das Trinkwasser auswirken können, wie gefährlich verkeimtes Wasser ist und wie eine Südsteirerin einen Buschenschank ohne Leitungswasser führte.

Von Barbara Kahr

Wasserhahn auf, Glas auffüllen, zum Trinken ansetzen, kurz schrecken und Wasser wegschütten: Das passierte Familie Steiner aus Gamlitz in den ersten Tagen des Trinkverbots öfter. Anfang September gelangten sogenannte coliforme Bakterien ins Wassernetz, wie der Wasserverband Leibnitzerfeld-Süd damals bekannt gab. 15.000 Südsteirerinnen und Südsteirer aus den Gemeinden Ehrenhausen, Gamlitz, Leutschach, St. Veit und Straß waren betroffen. Darunter auch Familie Steiner.

„Wir hatten Hochsaison und laufend Gäste. Als wir vom verkeimten Trinkwasser hörten, sind wir sofort losgefahren, um Wasserflaschen zu kaufen“, erzählt Winzerin Ursula Steiner. Doch die Idee hatten viele. Innerhalb kürzester Zeit waren laut Steiner die Wasserflaschen in den Geschäften knapp. Die Fahrt zur Trinkwasserentnahmestelle kam für die Familie nicht infrage, da etwa die Strecke zu lang gewesen wäre und man mit einem Traktor hätte fahren müssen, um ausreichend Wasser anzuschaffen.

Familie Steiner aus Gamlitz

Familie Steiner aus Gamlitz

Informiert wurde man zudem von den zuständigen Stellen oder über verschiedene Medien zur Genüge. Ferner stellte der Wasserverband in den Kindergärten und Bildungseinrichtungen sicher, dass die Mädchen und Burschen sowie das Personal mit ausreichend Wasser versorgt wurden. So gab es für den elfjährigen Johannes Steiner täglich eine Wasserflasche in der Mittelschule Gamlitz. Zu Hause trank man entweder aus der Flasche oder das abgekochte Wasser. Topf mit Wasser auffüllen, auf den Herd stellen, abkochen, in Flaschen abfüllen: So sah die tägliche Morgenroutine der Südsteirerin aus. Dann fing erst ihre eigentliche Arbeit am Weingut und Buschenschank an. Und bei Bedarf wiederholte sich tagsüber die Morgenroutine.

Da wird einem bewusst, dass unser wahres Gold unser Wasser ist.
Winzerin Ursula Steiner

„Wir haben unsere Gäste im Buschenschank begrüßt und im selben Atemzug gesagt, dass das Leitungswasser derzeit verkeimt ist. Es haben aber alle akzeptiert, einige haben sogar bereits davon gehört und ihr eigenes Wasser mitgenommen“, berichtet Ursula Steiner. Die Familie machte das Beste aus der Situation und hatte obendrein noch Glück im Unglück. Der Wein musste während der Verkeimung gerade noch nicht geerntet werden. Ohne Trinkwasser hätte man die Trauben nicht waschen können. „Da wird einem bewusst, dass unser wahres Gold unser Wasser ist“, sagt die Winzerin. Nach mehr als zwei Wochen kam dann die sehnlichst erwartete Nachricht: Das Leitungswasser kann wieder getrunken werden. Rückblickend habe man die Situation gut gemeistert. Steiner gehe jetzt noch sorgsamer mit dem Wasser um. „Man lernt es richtig zu schätzen, dass man sauberes Wasser hat“, sagt sie.

Zurzeit ist im November 2023 das Trinkwasser in der Weststeiermark verkeimt. Im September war das in der Südsteiermark der Fall, im August im Bezirk Graz-Umgebung. Die Kleine Zeitung berichtete – scrollen Sie nach unten!

14. AUGUST 2023

Verunreinigtes Trinkwasser im Grazer Umland

Weil Betroffene an Durchfall gelitten haben, lässt die Wassergenossenschaft Hönigtal (Gemeinde Kainbach bei Graz) das Trinkwasser untersuchen – tatsächlich ist es bakteriell verunreinigt. 670 Haushalte sind betroffen.

5. SEPTEMBER 2023

Trinkwasser in der Südsteiermark mit Keimen verunreinigt

Spätfolgen der Unwetter im August führten zu einer Sperre von Trinkwasserbrunnen im südlichen Teil des Bezirkes Leibnitz. Die Versorgung ist gesichert, das Wasser muss aber abgekocht werden.

12. SEPTEMBER 2023

15.000 Personen von verunreinigtem Wasser betroffen

Seit rund einer Woche sind mehrere Trinkwasserbrunnen im südlichen Teil des Bezirks Leibnitz gesperrt. Der Grund: Verkeimung. Wie es nun weitergeht und warum es positiv ist, wenn Betroffene Chlor im Leitungswasser riechen.

18. SEPTEMBER 2023

Teilweise Entwarnung, aber nicht für jede Gemeinde

Seit rund zwei Wochen können 15.000 Südsteirer ihr Trinkwasser nicht direkt aus der Leitung trinken. Ergebnisse jüngster Untersuchungen geben zum Teil eine Freigabe für das Wasser.

22. SEPTEMBER 2023

Südsteirer können Leitungswasser wieder trinken

Jüngste Analysen geben Entwarnung: Die Verkeimung durch Unwetterspätfolgen stellt keine Gefahr mehr dar. Die entstandenen Mehrkosten sollen nicht auf den Wasserpreis aufgeschlagen werden.

3. NOVEMBER 2023

Keime im Trinkwasser nach den starken Regenfällen

Coli-Bakterien im Wasser in den Gebieten Stainz, Groß St. Florian und Vochera (Bezirk Deutschlandsberg): Wasserverband Stainztal empfiehlt, Wasser abzukochen.

7. NOVEMBER 2023

Weststeirisches Trinkwasser weiterhin verkeimt

Der Wasserverband Stainztal hat mittlerweile den Ursprung des verunreinigten Wassers gefunden. Leitungswasser muss weiterhin vor dem Genuss abgekocht werden.

Innerhalb des zweiten Halbjahres 2023 gab es damit in der Steiermark drei größere Ereignisse, bei denen Trinkwasser durch Keime verunreinigt war. 670 Haushalte waren im August in Hönigtal (Gemeinde Kainbach bei Graz) betroffen, ganze 15.000 Personen im August in den Gemeinden Ehrenhausen, Gamlitz, Leutschach, St. Veit und Straß. Zuletzt hatten im November 2500 Haushalte in den Gemeinden Stainz, Groß St. Florian und Vochera am Weinberg (Ortschaft in Deutschlandsberg) mit dem verunreinigten Wasser zu kämpfen. Eine Herausforderung für die Wasserverbände, die sich auch auf die zunehmenden Wetterextreme – ob Trockenheit oder Überflutungen – zurückführen lässt.

Nach langen Trockenperioden können Risse im Boden entstehen, kommt es dann zu Starkregen, können Verunreinigungen auftreten.
Manfred Kanatschnig, Obmann Steirischer Wasserversorgungsverband

Die betroffenen Brunnen oder Quellen werden in so einem Fall rasch vom Netz genommen. Laut Manfred Kanatschnig vom Steirischen Wasserversorgungsverband greifen die Wasserverbände dann auf das steiermarkweite Wassernetz zurück. Im Fall vom weststeirischen Wasserverband Stainztal versorgt man 70 Prozent der Betroffenen mit Wasser aus der Notleitung Umland Graz.

Hier liegen die (zu Teilen) betroffenen Gemeinden der diesjährigen Verunreinigungen

Hier liegen die (zu Teilen) betroffenen Gemeinden der diesjährigen Verunreinigungen

Aber wie sicher ist die steirische Versorgung mit Trinkwasser?

4000 Quellen und rund 600 Brunnen speisen das steirische Wassernetz. Betrieben werden sie von 1000 öffentlichen Versorgern. Derzeit überarbeitet der steirische Wasserverband mit dem Land Steiermark den steirischen Wasserversorgungsplan. Eine Folge der zunehmenden Wetterextreme.

16.000

Kilometer an Wassertransportleitungen durchziehen die Steiermark. Dazu kommen 24.000 Kilometer Abwasserleitungen.

Was wird gemacht? Laut Peter Rauchlatner von der Abteilung 14 für Wasserwirtschaft, Ressourcen und Nachhaltigkeit soll das Wassernetzwerk Steiermark ausgebaut werden. Zusätzlich gibt es eine Bedarfserhebung unter den Wasserverbänden. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen. Wo genau neue Leitungen gebaut werden sollen, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben werden.

Auch die Ressourcenfindung steht auf der Agenda. So gebe es etwa Vorkommen in Leoben oder Mürzzuschlag rund um den Semmering-Basistunnel. Immer mehr Wasser müsse vom Norden des Landes in den trockenen Süden und Osten transportiert werden. Das Anzapfen des Netzes kommt in trockenen Gegenden immer wieder vor, auch dass Hausbrunnen austrocknen und die Feuerwehr Trinkwasser liefern muss.

Wir gehen davon aus, dass dort, wo bereits wenig Wasser vorhanden ist, die Quellen tendenziell zurückgehen werden.
Peter Rauchlatner, Landesabteilung 14 für Wasserwirtschaft, Ressourcen und Nachhaltigkeit

Das Bundesministerium hat bis 5. November zur Einreichung von Forschungsprojekten zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserversorgung aufgerufen. Eine Million Euro fließt in die Projekte. Die Unterstützung sei ein Schwerpunkt des Trinkwassersicherungsplans, heißt es.

140 Liter Wasser

verbraucht jeder Steirer bzw. jede Steirerin im Schnitt pro Tag. 92 Prozent sind ans Wassernetz angebunden.

Wasserversorgung auch auf Agenda der EU

Und auch beim Europäischen Ausschuss der Regionen diesen Oktober in Brüssel gab es für die regionalen und kommunalen Vertreter einige Workshops zur Sicherung und Aufarbeitung von Wasser auf lokaler Ebene. Wasser war vor 20 Jahren ein Thema und ist es wieder, besonders die Aufbereitung von Abwasser, zeigt Markku Markkula auf. Der Finne ist einer der Vizepräsidenten und war bis 2017 Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen. Die Probleme mit dem Wasser, aber auch mit dem Boden wüchsen aufgrund des Klimawandels – gerade im Süden Europas.

Wir brauchen ein lokales Konzept gegen Dürre oder Überflutungen. Der Fokus muss meiner Ansicht nach auf dem Boden liegen.
Markku Markkula

Der Green Deal der EU spiele dabei eine wichtige Rolle. Was man dringend benötige, sind laut Markkula bahnbrechende Innovationen. „Wir müssen neue Innovationen und Forschungen fördern, uns rennt die Zeit davon.“ Immer mehr EU-Länder werden in Zukunft mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, so Markkula.

Markku Markkula, Vizepräsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku Markkula, Vizepräsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

INTERVIEW

So gefährlich sind Keime im verunreinigten Trinkwasser

Michael Schalli vom Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Med Uni Graz erklärt, was es mit den Keimen auf sich hat.

In der Weststeiermark kämpft man derzeit gegen Verunreinigungen im Trinkwasser. Im September war das Wasser in Teilen der Südsteiermark verkeimt. Sie sind ein Experte, wenn es um Verkeimung geht. Wie sieht so eine Überprüfung aus?

MICHAEL SCHALLI: Wenn es zu einer Verunreinigung kommt, werden etwa wir als Kontakt- und Prüfstelle beauftragt, Proben zu entnehmen. Diese machen wir selbst vor Ort. Bei sogenannten Stufenkontrollen werden an ausgewählten Stellen Proben entnommen, so kann auch eruiert werden, welche Quelle verunreinigt ist.

Wie geht es dann weiter?

Das Wasser wird im Labor auf sogenannte Indikatorkeime untersucht. Alle zwei bis drei Tage liegt ein Untersuchungsergebnis vor und dann kann bei Bedarf erneut eine Probe entnommen werden.

Was sind Indikatorkeime?

Das sind coliforme Bakterien oder Enterokokken. Sie zeigen uns an, dass noch andere Mikroorganismen im Wasser sein können.

In der Südweststeiermark wurden coliforme Bakterien, Escherichia coli und Enterokokken gefunden. Woher kommen diese Verunreinigungen?

Escherichia coli gehört zu den coliformen Bakterien und kommt aus dem Darm und dem Urin von Säugetieren. Enterokokken sind Darmbakterien. Beide geben Rückschlüsse über eine fäkale Verunreinigung und können etwa bei Starkregen ins Wasser gelangen. In diesem Fall ist der Boden so stark gesättigt, dass seine Filterwirkung abnimmt.

Wie gefährlich sind diese Bakterien?

Man unterscheidet hier zwischen pathogen (krankheitserregend) und nicht pathogen. Sind die Bakterien pathogen, kommt es natürlich auf das Bakterium und die Dosis sowie auf den Menschen an. Es könnten Magen-Darm-Geschichten auftreten, aber Erkrankungen durch Bakterien im Trinkwasser sind bei uns äußerst selten und eher in Drittweltländern oder Schwellenländern ein Thema. Es gibt sehr strenge Wasserkontrollen und die Bakterien werden sehr früh entdeckt.

Digitale Aufbereitung: Jonas Binder

Fotos: Montage/Michael Schalli, Robert Lenhard, Adobe Stock/Dusan Petkovic, Karin Bergmann, Adobe Stock, Holding Graz, European Committee of the Regions, Adobe Stock/Andriy Medvediuk

Transparenz-Hinweis

Dieses Dossier entstand im Rahmen eines Workshops des forum journalismus und medien wien (fjum). Teil davon war eine Reise nach Brüssel, die vom Europäischen Ausschuss der Regionen finanziert wurde.