Viele Krisen, hoher Einsatz

Zeugnistag für die
steirischen
Landespolitiker

ZEUGNISTAG. Was ist den acht Landesregenten und der Opposition 2021/2022 gelungen und was nicht? Das Experiment einer verbalen Beurteilung.

Das Offensichtliche zuerst: Hermann Schützenhöfer war bis kurz vor Schulschluss im Amt, daher war er als Landeshauptmann und Christopher Drexler als Landesrat verbal zu beurteilen. Ein Experiment in jedem Fall, denn die meiste Zeit befand sich auch diese Landesregierung im Krisenmodus – Omikron, Ukraine, Klima...

Es bot sich dennoch Gelegenheit für Neues wie Baugesetz, Leerstandsabgabe, Investitionen in Wirtschaft, Tourismus und Öffentlichen Verkehr (Bahnpaket) oder den „Steiermark-Bonus“. Die Opposition wurde von ÖVP und SPÖ in die Krisenbewältigung eingebunden, was leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Dass FPÖ, Grüne, KPÖ und Neos keineswegs Erfüllungsgehilfen waren, zeigte ihre meist konstruktive Kritik an Baugesetz, Pflege, Gesundheitsversorgung, an Kinderbildung und mehr.

Alles in allem waren dies keine zwei Semester für die Rekordbücher. Nächster Anlauf im September

HERMANN SCHÜTZENHÖFER (ÖVP)

Altersweise und
dennoch rastlos

Die Staffelübergabe war Schützenhöfers letztes Bravourstück. Er bestimmte Nachfolger, Zeitpunkt und führte in dem Mehrakter souverän Regie. Der Gestaltungswillen ließ beim 70-Jährigen aber merklich nach, er gefiel sich in der staatsmännischen Rolle und wies eine Spur zu oft auf seine Altersweisheit hin. Geschont hat sich der Landeshauptmann aber nicht: Er war täglich im Land unterwegs, verpasste keinen Termin, teilte Ehrungen im Stakkato aus. Bei der LH-Konferenz am Achensee wurde Schützenhöfers bundespolitisches Gewicht noch einmal sichtbar. Er musste aber anerkennen, dass die Impfpflicht zu spät kam. Drohungen gegen ihn und der radikaler werdende Ton setzten ihm zu.

ANTON LANG (SPÖ)

Rückenwind für
Verkehrspolitik

Die Möglichkeiten, die ihm das Verkehrsressort bietet, nützt die Nummer zwei im Land voll aus, bei der Verkehrswende hat er Rückenwind vom Bund. Das steirische Klimaticket verkauft sich gut und der Preis (588 Euro) trotzt noch der Inflation. Neben Schienenprojekten (Elektrifizierung GKB und Ostbahn, Attraktivierung der Nebenbahnen) treibt er vor allem die Verbesserung der Busverbindungen in der Peripherie voran. Gegen den Stopp für den Ausbau der A 9 südlich von Graz gab es von Lang keinen Protest. Als Finanzreferent blieb er der nüchterne Banker, konjunkturhemmende Sparpakete schnürte er aber nicht. Trotz geringerer Neuverschuldung als erwartet stieg der Schuldenstand auf über fünf Milliarden Euro. Im Tierschutz kamen wenig Akzente.

CHRISTOPHER DREXLER (ÖVP)

Umsichtige
Vorstellung

Bis Montag war Christopher Drexler „nur“ der Landesrat für Kultur, Europa, Sport und Personal. In beiden letztgenannten Ressorts gab es ein Budget- bzw. Gehaltsplus. Große Fragen (Zweites Stadion in Graz? Aufgabenreform im Landesdienst?) blieben hingegen unbeantwortet. In der Kultur gelang es dem Ressortleiter, viele Aktive in die Suche nach neuen Leitlinien einzubinden. Das war ihm ein echtes Anliegen, wie auch der Dialog mit dem Westbalkan. Den wichtigsten „Nebenjob“ – Koalitionsklima pflegen – erledigte er souverän.

JULIANE BOGNER-STRAUSS (ÖVP)

Zu viele Krisen
am Hals

Juliane Bogner-Strauß hat die schwierigsten „Fächer“. Teststraßen und Impftermine? Gut aufgezogen, die Heimgurgeltests sorgten aber für Ärger, ebenso das Freitesten. Kinderbildung? Die Landesrätin unterschätzte das Protestpotenzial. Dialogprozess und Ausbildungsinitiativen waren wichtige Anworten, lösten die akute (Personal-)Not aber nicht. Ebenso wenig in der Pflege: Das große Paket des Bundes verschaffte der Landesrätin nur eine Atempause. Neuer/alter Krisenherd sind die Landesspitäler.

BARBARA EIBINGER-MIEDL (ÖVP)

Unaufgeregtheit
als Trumpf

Manchmal passiv anmutend, zahlt sich die politische Unaufgeregtheit von Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl in Krisenzeiten aus. Budgetär mit vergleichsweise wenig Spielraum ausgestattet, forciert sie die Rolle als Verbinderin zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Ein Erfolg: die Verlängerung der Kompetenzzentren. Als Tourismuszuständige brachte sie die Reform der Erlebnisregionen auf Schiene, muss diese aber noch mit Leben füllen. Was fehlt: die überfällige Ausschreibung für die Nachfolge von Cheftouristiker Erich Neuhold.

HANS SEITINGER (ÖVP)

Hatte schon
bessere Jahre

Im Wohnbau lief es schon geschmeidiger, in der Bau- und Raumordnung überließ er anderen die Bühne (und die Kritik). Gewohnt souverän im Kampf für „seine“ Bauern. Zwei Gesetze mussten nach massiven Protesten jedoch verschoben werden: Bienengesetz und Weinbauriedenverordnung. Ein anderes, 2020 beschlossenes Weinbaugesetz brachte Seitinger zuletzt wegen eines Telefonats mit Siegfried Wolf in die Bredouille. Wenn strafrechtlich auch nicht relevant, bleibt es ein Zeugnis einer nicht immer gedeihvollen Nähe innerhalb der Machtzirkel.

URSULA LACKNER (SPÖ)

Im Clinch mit
dem Bund

Dafür, dass Klimaschutz in der Agenda der Koalition Priorität genießt, führte die Umweltlandesrätin ihr Ressort zu unauffällig. Immer nur den Bund für die Säumigkeit bei Gesetzen zu tadeln, ist zu wenig. Auch sie verbrannte sich bei der Reform der Raumordnung nicht die Finger. Die Ermittlungen in der Umweltabteilung belasten ihre Amtsführung, wenn auch Lackners Handlungsspielraum eingeschränkt ist. Ehrliches, aber wenig erfolgversprechendes Bemühen gegen die Laufzeitverlängerung des AKW Krško.

DORIS KAMPUS (SPÖ)

Viel Licht,
später Bonus

Sinkende Arbeitslosigkeit, volle Töpfe beim AMS und der gute Draht zur Wirtschaftslandesrätin: eine gute Basis für Doris Kampus, um ihre Vorhaben gegen Langzeitarbeitslosigkeit auf- und auszubauen. Die Umstellung von Mindestsicherung auf Sozialunterstützung lief nach außen hin ruhig. Die tiefgehende RH-Kritik an Sozialhilfeverbänden war erwartbar, ein neues Modell in Vorbereitung. Auf den Kriegsausbruch reagierte ihr Flüchtlingsreferat gut gerüstet. Der 300-Euro-Bonus gegen Teuerungen kam vergleichsweise spät.

DIE OPPOSITION

Konstruktive Gegenseite

Die FPÖ ist größte die Oppositionspartei im Landtag, ließ den „Knüppel“ aber in Wien. Kein Fehler, so konnte sie etwa bei Bau- und Raumordnung mit viel Fachwissen punkten. Politisch vermochten die Blauen ihre Finanzaffäre in Graz zu belassen.

Die KPÖ konnte wiederum die Kritik der Elementarpädagogen an der Landesregierung zu ihren Gunsten nutzen. Die seltsamen Reisen des Werner Murgg warfen die Genossen nach Wahlsieg in Graz und Kriegsausbruch zurück.

Die Grünen wussten unterdessen von Erfolgen ihrer Ministerin Gewessler zu profitieren, taten sich als Opposition im Landtag jedoch schwer.

Die Neos geizten nicht mit Ideen, ihre Nische (Kontrolle? Schule? Airpower?) suchen sie aber noch.

Fotos: Land Stmk/Streibl, Land Stmk/Fischer (2), Land Stmk/Purgstaller, APA/medaia GmbH, Land Steiermark, KLZ/Nadja Fuchs, Jürgen Fuchs

Text: Ulrich Dunst, Günter Pilch, Wilfried Rombold, Thomas Rossacher, Michael Schuen, Ernst Sittinger und Markus Zottler

Interaktive Umsetzung: Carina Steinegger