150 JAHRE HOCHQUELLENWASSERLEITUNG

Bestes steirisches Gebirgswasser für Wien

INFOGRAFIK. Seit exakt 150 Jahren versorgt bestes steirisches Hochquellenwasser die Bundeshauptstadt. Leitungen, die täglich 400 Millionen Liter Wasser liefern – ohne Pumpen.

Von Günter Pichler und Norbert Swoboda

Es war eines der ersten und wichtigsten Großprojekte, das die Stadt Wien in Eigenregie ab 1869 in Angriff nahm: Die Wasserversorgung der Millionenstadt mit Quellwasser aus den Kalkalpen in der Steiermark und Niederösterreich. Das war nicht einfach: Rund zehn Jahre lang hatte die Debatte darüber gedauert.

Als am 24. Oktober 1873 vor den Augen von Kaiser Franz Joseph erstmals ein hoher Wasserstrahl aus dem Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz schoss, hatte die Stadt einen Meilenstein in der Wasserversorgung gesetzt. 95 Kilometer von den Quellen bis in die Wiener Haushalte – ohne Pumpen.

Heute gibt es zwei Hochquellenleitungen, die die ganze Stadt das ganze Jahr über mit reinstem Quellwasser versorgen. Eine Aufbereitung der 400 Millionen Liter, die täglich binnen 24 Stunden von der Quelle nach Wien geliefert werden, ist nicht nötig.

Eingang zur Kaiserbrunnquelle in Reichenau an der Rax

Eingang zur Kaiserbrunnquelle in Reichenau an der Rax

Die Geschichte der Wiener Wasserversorgung

1907: Ausgrabung einer römischen Wasserleitung

1907: Ausgrabung einer römischen Wasserleitung

Römisches Reich

Die erste Wasserleitung. Die Römer leiteten aus dem Gebiet südlich von Wien bereits Quellwasser in das Legionslager Vindobona. Wassermenge: 5 Millionen Liter täglich.

Mittelalterlicher Hausbrunnen (Symbolbild)

Mittelalterlicher Hausbrunnen (Symbolbild)

Mittelalter

Das Mittelalter sorgte für einen Rückschritt in der Wasserversorgung der Wiener. Bis ins 16. Jahrhundert wird Wien über Hausbrunnen mit Wasser versorgt.

Zu wenig Wasser für die Feuerbekämpfung (Symbolbild)

Zu wenig Wasser für die Feuerbekämpfung (Symbolbild)

Stadtbrand

Ein Großbrand im Jahr 1525 führte zum Bau der ersten städtischen Wasserleitung – der Hernalser Wasserleitung (1565). Sie führte zu einem Brunnenhaus am Hohen Markt.

2,5 Tage waren die Wasserreiter nach Wien unterwegs

2,5 Tage waren die Wasserreiter nach Wien unterwegs

Kaiserliche Wasserreiter

Im 18. Jhd. entdeckte Kaiser Karl VI. auf einer Jagd die Quelle in Kaiserbrunn. Ab diesem Zeitpunkt brachten Wasserreiter das wertvolle Wasser an den kaiserlichen Wiener Hof. Für die Wiener Bevölkerung bleibt die Versorgung mit sauberem Trinkwasser mangelhaft.

Maschinenhaus der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung

Maschinenhaus der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung

Wasserknappheit

Der Bau der Albertinischen Wasserleitung (1804) und der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung (1841) kann den Wassermangel in Wien nicht beheben.

Satirisches Bild zur Choleraepidemie

Satirisches Bild zur Choleraepidemie

Epidemien

Wiens mangelnde Versorgung mit sauberem Trinkwasser führte Mitte des 19. Jahrhundert immer wieder zum Ausbruch von Typhus- und Choleraepidemien.

Weltausstellungsgelände 1873

Weltausstellungsgelände 1873

Weltausstellung 1873

Bis zur Weltausstellung 1873 in Wien wollte man das Epidemieproblem durch die Verbesserung der Wasserversorgung endgültig in den Griff bekommen.

Astrid Rompolt von Wiener Wasser erklärt die Ursprünge der Wasserversorgung Wiens

Astrid Rompolt von Wiener Wasser erklärt die Ursprünge der Wasserversorgung Wiens

Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn

Die Kaiserbrunnquelle im Gemeindegebiet von Reichenau ist der historische Ursprung für die Wasserversorgung Wiens. Im Wasserleitungsmuseum vor Ort kann man sich über Geschichte, Hintergründe und technische Details der I. Hochquellwasserleitung informieren und den Weg des Hochquellwassers nach Wien nachverfolgen. Der Eintritt ist frei.

Die I. Wiener Hochquellenleitung

Die Wasserversorgung war für die 550.000 Wiener Einwohner um 1850 sehr schlecht – pro Kopf nur fünf Liter Wasser schlechter Qualität. Die Stadt wuchs rasch an und musste sich dem Problem stellen.

Daher wurde 1861 ein internationaler Wettbewerb für die Errichtung einer geeigneten Wasserleitung ausgeschrieben. Zwölf Projekte wurden eingereicht. 1862 wurde aus Mitgliedern des Gemeinderates eine Wasserversorgungskommission gebildet. Der Vorschlag, Wasser aus dem ufernahen Grundwasserströmen der Donau oder Quellen in Stadtnähe zu gewinnen, wurde rasch verworfen.

Dem Geologen und Politiker Eduard Suess ist es zu verdanken, dass der Wiener Gemeinderat am 12. Juli 1864 den Bau der I. Wiener Hochquellenleitung beschloss.

Die Pioniere

1865 übergab Kaiser Franz Joseph I. die Kaiserbrunnquelle an die Stadt Wien. Dank der Überzeugungskraft von Eduard Suess beschloss der Wiener Gemeinderat unter Bürgermeister Andreas Zelenka 1864 den Bau der Wasserleitung. 1869 wurde Antonio Gabrielli mit dem Bau beauftragt. In der Amtszeit von Bürgermeister Cajetan Felder wurde die I. Wiener Hochquellenleitung 1873 fertiggestellt.

Eröffnungsfeier 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz

Eröffnungsfeier 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz

Die I. Wiener Hochquellenleitung – Baugeschichte

6. Dezember 1869: Erster Sprengschuss im Höllental.

1869 bis 1873: Bau der I. Hochquellenleitung und neuer Wasserbehälter in Wien.

24. Oktober 1873: Feierliche Eröffnung durch Kaiser Franz Joseph I. beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz in Wien.

1887–1900: Einbeziehung der Quellen oberhalb von Kaiserbrunn. Erwerb der "Sieben Quellen" im Karlgraben.

1929–2012: Errichtung und Ausbau von mehreren Wasserleitungskraftwerken.

bis heute: Errichtung und Ausbau von Wasserwerken, Wasserbehältern, Fassung neuer Quellen und Stollen sowie laufend Sanierungsarbeiten an der Wasserleitung.

Georg Reden, Leiter des Fachbereiches Hochquellen bei Wiener Wasser, gibt Einblicke in die Kaiserbrunnquelle in Reichenau

Georg Reden, Leiter des Fachbereiches Hochquellen bei Wiener Wasser, gibt Einblicke in die Kaiserbrunnquelle in Reichenau

Die Wasserversorgung war für die 550.000 Wiener Einwohner um 1850 sehr schlecht – pro Kopf nur fünf Liter Wasser schlechter Qualität. Die Stadt wuchs rasch an und musste sich dem Problem stellen. Daher wurde 1861 ein internationaler Wettbewerb für die Errichtung einer geeigneten Wasserleitung ausgeschrieben. Zwölf Projekte wurden eingereicht.

1862 wurde aus Mitgliedern des Gemeinderates eine Wasserversorgungskommission gebildet. Der Vorschlag, Wasser aus dem ufernahen Grundwasserströmen der Donau oder Quellen in Stadtnähe zu gewinnen, wurde rasch verworfen.

Dem Geologen und Politiker Eduard Suess ist es zu verdanken, dass der Wiener Gemeinderat am 12. Juli 1864 den Bau der I. Wiener Hochquellenleitung beschloss.

Die Pioniere

1865 übergab Kaiser Franz Joseph I. die Kaiserbrunnquelle an die Stadt Wien. Dank der Überzeugungskraft von Eduard Suess beschloss der Wiener Gemeinderat unter Bürgermeister Andreas Zelenka 1864 den Bau der Wasserleitung. 1869 wurde Antonio Gabrielli mit dem Bau beauftragt. In der Amtszeit von Bürgermeister Cajetan Felder wurde die I. Wiener Hochquellenleitung 1873 fertiggestellt.

Eröffnungsfeier 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz

Eröffnungsfeier 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz

Die I. Wiener Hochquellenleitung – Baugeschichte

6. Dezember 1869: Erster Sprengschuss im Höllental.

1869 bis 1873: Bau der I. Hochquellenleitung und neuer Wasserbehälter in Wien.

24. Oktober 1873: Feierliche Eröffnung durch Kaiser Franz Joseph I. beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz in Wien (Bild).

1887–1900: Einbeziehung der Quellen oberhalb von Kaiserbrunn. Erwerb der Sieben Quellen im Karlgraben.

1929–2012: Errichtung und Ausbau von mehreren Wasserleitungskraftwerken.

bis heute: Errichtung und Ausbau von Wasserwerken, Wasserbehältern, Fassung neuer Quellen und Stollen sowie laufend Sanierungsarbeiten an der Wasserleitung.

Georg Reden, Leiter des Fachbereiches Hochquellen bei Wiener Wasser, gibt Einblicke in die Kaiserbrunnquelle in Reichenau

Georg Reden, Leiter des Fachbereiches Hochquellen bei Wiener Wasser, gibt Einblicke in die Kaiserbrunnquelle in Reichenau

Längsschnitt

Wassertransport durch Gefälle: Die I. Hochquellenleitung wurde so gebaut, dass das Wasser ohne Pumpen, sondern nur durch das Gefälle nach Wien fließt. 276 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Kaiserbrunn und Wien.

Längsschnitt

Wassertransport durch Gefälle: Die I. Hochquellenleitung wurde so gebaut, dass das Wasser ohne Pumpen, sondern nur durch das Gefälle nach Wien fließt. 276 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Kaiserbrunn und Wien.

Wichtige Teile der Wasserleitungen

Stollen und Kanäle

Um ein gleichmäßiges Gefälle zu erreichen, mussten Stollen durch Berge, Aquädukte über Täler und Kanäle durch Ebenen gebaut werden. Die Größen – Durchmesser – der Leitungen sind unterschiedlich. Zum Teil können Menschen darin aufrecht stehen, zum Teil sind die Durchmesser sehr eng.

Stollen (links) Kanal (rechts)

Stollen (links) Kanal (rechts)

Reinigung der Stollen, Kanäle und Wasserleitungen

Um die Qualität des Trinkwassers zu gewährleisten, müssen alle Teile der Leitung regelmäßig gewartet und gereinigt werden. Dazu wurden eigene Waschmaschinen z. B. Roboter entwickelt, die die Reinigungsmannschaft unterstützen.

Das Reinigungsteam unter Tag

Das Reinigungsteam unter Tag

Während der Reinigung wird das Wasser für rund fünf Tage gestoppt, das Wasser ausgeleitet und in die Bäche abgeleitet. Unterdessen wird die Stadt einerseits mit der anderen Leitung versorgt, andererseits haben die Wasserbehälter eine Reserve von mehreren Tagen.

Größenvergleich Mensch und Stollen in Kaiserbrunn

Größenvergleich Mensch und Stollen in Kaiserbrunn

Aquädukte

Heute fließt das Trinkwasser von 70 Quellfassungen durch beide Wasserleitungen nach Wien. 130 Aquädukte wurden dazu insgesamt gebaut. Über das 3000 Kilometer lange Rohrnetz in Wien wird das Wasser verteilt.

Aquäduktabschnitt bei Baden (Länge: 788 m)

Aquäduktabschnitt bei Baden (Länge: 788 m)

Wasserbehälter

31 Wasserbehälter, davon 29 in Wien und 2 außerhalb der Stadt gleichen heute Wasserschwankungen bei Quellen und durch Wasserverbrauch aus. Das gespeicherte Wasser deckt Wiens Wasserbedarf für ca. vier Tage.

In Neusiedl am Steinfeld in Niederösterreich befindet sich der größte Wasserbehälter der Wiener Wasserversorgung

In Neusiedl am Steinfeld in Niederösterreich befindet sich der größte Wasserbehälter der Wiener Wasserversorgung

Der Wasserbehälter Rosenhügel in Wien war unter den ersten Wasserspeichern, die für die I. Hochquellenleitung 1869–1873 gebaut wurden.

Wasserbehälter Rosenhügel Innenansicht

Wasserbehälter Rosenhügel Innenansicht

Energiegewinnung

Leitungskraftwerke

Das Gefälle wird nebenbei auch zur Stromerzeugung genutzt. 16 Kraftwerke entlang der beiden Hochquellenleitungen und in Wien produzieren jährlich rund 65 Millionen Kilowattstunden Strom – das entspricht ungefähr dem Strombedarf von Wiener Neustadt.

Francis-Spiralturbine: Laufrad treibt über eine Kupplung den Generator an.

Francis-Spiralturbine: Laufrad treibt über eine Kupplung den Generator an.

Bestes Wasser für rund 1.983.000 Wiener

Die Selbstverständlichkeit, mit der seit 150 Jahren das Wasser von den Alpen in das Wiener Leitungsnetz fließt, täuscht darüber hinweg, dass dahinter natürlich auch heute noch viel Arbeit steht. So wird das Wasser von den Quellen weg überwacht und auf seine Qualität geprüft.

Georg Reden erklärt, wie das Wasser von der Hochquellenleitung in die Wiener Haushalte kommt.

Georg Reden erklärt, wie das Wasser von der Hochquellenleitung in die Wiener Haushalte kommt.

Die Qualität des Wassers wird mit zahlreichen Messstationen überprüft, die online ihre Daten in die Zentrale schicken. Vorgeschrieben ist auch vor der Einleitung ins Wiener Rohrnetz eine minimale Desinfizierung mit UV-Licht bzw. Chlordioxid. Täglich werden Wasserproben gezogen und im Labor geprüft.

Überwacht wird auch, ob die Leitungen dicht sind. Insgesamt beträgt der Wasserverlust im Wiener Rohrnetz rund sieben Prozent.

Hier können Sie die Infografik über die Hochquellenleitungen als PDF herunterladen:

Infografik und digitale Aufbereitung:
Günter Pichler

Text:
Günter Pichler, Norbert Swoboda

Quellen:
Stadt Wien, Wiener Wasser, Wassermuseum Kaiserbrunn, Wien Museum, BEV (Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen)

Fotos:
Wiener Wasser/Novotny (2), Wiener Wasser/Zinner (1), Wiener Wasser (2), AdobeStock (4), Wien Museum (2), Technisches Museum Wien (1), historische Repros/KK (5), Günter Pichler (5)

Videos:
Günter Pichler, AdobeStock

Videoschnitt:
Simon Schmiedbauer

Links:
Wiener Wasser
Wien Museum
Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn