Im Cockpit dabei

Wettflug mit
dem Hagelsturm

REPORTAGE. Fast täglich fliegen die Piloten der steirischen Hagelabwehren derzeit Einsätze. Wir haben sie im Juni 2018 bei ihrer aufregenden Arbeit im Cockpit begleitet.

Von Jonas Pregartner

Zwölf Kilometer hoch ragt der Wolkenturm über Eggersdorf bei Graz in den Himmel. Darunter laufen die Pumpen der Feuerwehren beim verzweifelten Versuch, der Wassermassen Herr zu werden, heiß. Das Triebwerk des kleinen Propellerflugzeugs, das darüber seine Kreise zieht, ist gut gekühlt.

Denn allzu sehr mit hohen Umdrehungszahlen schinden muss Pilot Josef Mündler seine Maschine, eine ein halbes Jahrhundert alte Cessna 182, nicht. Im Aufwind der Unwetterzelle steigt das Flugzeug fast von allein. Zehn Meter Höhengewinn pro Sekunde zeigt das Variometer an.

Hagelflugpilot Josef Mündler im Einsatz.

Hagelflugpilot Josef Mündler im Einsatz.

Lange dauert es nicht und zum monotonen Brummen des Motors gesellt sich ein lautes und immer frequenter werdendes „Patsch“-Geräusch. Ein bisschen klingt es wie auf das Cockpit prallende Hagelkörner. Aber – Entwarnung – es sind nur Regentropfen, auch wenn sie sich seltsam trocken anhören.

Mündler steuert die Cessna schleunigst aus dem Wasservorhang hinaus. Er ist Pilot bei der Steirischen Hagelabwehr und Regen mag er gar nicht. „Wo es regnet hat es keinen Sinn. Da wäscht es mir die Silberjodit-Kerne runter“, sagt er.

Der Hagelflieger sucht nach Aufwinden, die das Silberjodit – das die Hagelbildung verhindert oder vermindert – direkt in die Wolken saugen.

REPORTAGE. Fast täglich fliegen die Piloten der steirischen Hagelabwehren derzeit Einsätze. Wir haben sie bei ihrer aufregenden Arbeit im Cockpit begleitet.

Von Jonas Pregartner

Zwölf Kilometer hoch ragt der Wolkenturm über Eggersdorf bei Graz in den Himmel. Darunter laufen die Pumpen der Feuerwehren beim verzweifelten Versuch, der Wassermassen Herr zu werden, heiß. Das Triebwerk des kleinen Propellerflugzeugs, das darüber seine Kreise zieht, ist gut gekühlt.

Denn allzu sehr mit hohen Umdrehungszahlen schinden muss Pilot Josef Mündler seine Maschine, eine ein halbes Jahrhundert alte Cessna 182, nicht. Im Aufwind der Unwetterzelle steigt das Flugzeug fast von allein. Zehn Meter Höhengewinn pro Sekunde zeigt das Variometer an.

Hagelflugpilot Josef Mündler im Einsatz.

Hagelflugpilot Josef Mündler im Einsatz.

Lange dauert es nicht und zum monotonen Brummen des Motors gesellt sich ein lautes und immer frequenter werdendes „Patsch“-Geräusch. Ein bisschen klingt es wie auf das Cockpit prallende Hagelkörner. Aber – Entwarnung – es sind nur Regentropfen, auch wenn sie sich seltsam trocken anhören.

Mündler steuert die Cessna schleunigst aus dem Wasservorhang hinaus. Er ist Pilot bei der Steirischen Hagelabwehr und Regen mag er gar nicht. „Wo es regnet hat es keinen Sinn. Da wäscht es mir die Silberjodit-Kerne runter“, sagt er.

Der Hagelflieger sucht nach Aufwinden, die das Silberjodit – das die Hagelbildung verhindert oder vermindert – direkt in die Wolken saugen.

Was ist Hagel?

Hagel entsteht, wenn zu wenige Staubteilchen vorhanden sind, an denen sich Feuchtigkeit festsetzen kann. Dann legt sich an den wenigen Kernen umso mehr Feuchtigkeit an.

In diesem Generator wird die Silberjodid-Azetonlösung verbrannt.

In diesem Generator wird die Silberjodid-Azetonlösung verbrannt.

Zur Hagelabwehr wird unter den Wolken eine Silberjodid-Azetonlösung verbrannt. An den unzähligen freigesetzten Silberjodidkristallen heften sich dann Wassermoleküle an. So wird die Hagelgefahr verringert. Silber und Jod sind am Boden nicht mehr nachweisbar.

Starke Aufwinde in einer Gewitterwolke saugen feuchte Luft in die Höhe, Wassertröpfchen werden durch die Abkühlung zu Graupelkörnern.

Turbulenzen in der Wolke wirbeln die Eisklümpchen mehrmals in die Höhe, es lagern sich immer mehr Eisschichten an.

Die Eisklumpen werden so groß und schwer, dass sie trotz der Aufwinde als Hagel zur Erde fallen. Auf dem Weg nach unten tauen die Hagelkörner zum Teil wieder ab und verlieren an Masse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Hagelkörner so groß werden, dass sie als Eis den Erdboden erreichen, beträgt übrigens nur zehn Prozent.

Eine gehörige Watschn

Dann, auf einmal: Windscherung – die strömende Luft ändert blitzschnell Geschwindigkeit und Richtung, das Flugzeug bekommt eine gehörige Watschn. Die Cessna schießt nach unten, der Mageninhalt nach oben. Nein, diesmal nicht wirklich. Solche Situationen kommen bei der Hagelabwehr zwar oft vor, aber diesmal ist es verhältnismäßig ruhig.

„Es ist heute eher ein Flug der unteren Kategorie, mehr ein Beobachten der Situation“, meint Mündler und schmunzelt. Hagelfliegen, bis der Notarzt kommt: Ist tatsächlich schon passiert, nicht jeder mitfliegende Journalist hatte das Glück (oder Pech?), die Hagelflüge bei derart „ruhigem“ Wetter kennenzulernen.

Wir sind keine Helden, sondern Piloten, die eine zusätzliche Ausbildung genießen.
Josef Mündler

Ungefährlich hört sich das nicht gerade an. „Wir sind keine Helden“, stellt Mündler klar, „sondern Piloten, die eine zusätzliche Ausbildung genießen.“ Erst nach zwei Jahren gemeinsam mit einem erfahrenen Piloten wird man alleine auf die Gewitterzellen losgelassen. Dort bewegt man sich anfangs eher am Rande. „Wir fliegen auch nicht direkt in die Gewitterzellen ein, sondern darunter“, sagt der Pilot.

Szenenwechsel: Gut eine Stunde zuvor liegt über Puch bei Weiz eine Zelle. „Go to Nineteen-Two“, heißt es über Funk. Die Anweisung kommt von Satyanarayana Tani. Der Wissenschaftler, der an der TU Graz zum Thema Hagel forscht, unterstützt die Hagelabwehrpiloten vom Boden aus.

Tani hat in der "Kommandozentrale" der Hagelabwehr nahe dem Flughafengelände Zugriff auf die unterschiedlichsten Wetterdaten, auf Radar- und Satellitenbilder.

Szenenwechsel: Gut eine Stunde zuvor liegt über Puch bei Weiz eine Zelle. „Go to Nineteen-Two“, heißt es über Funk. Die Anweisung kommt von Satyanarayana Tani. Der Wissenschaftler, der an der TU Graz zum Thema Hagel forscht, unterstützt die Hagelabwehrpiloten vom Boden aus.

Tani hat in der "Kommandozentrale" der Hagelabwehr nahe dem Flughafengelände Zugriff auf die unterschiedlichsten Wetterdaten, auf Radar- und Satellitenbilder.

„Ninteen-Two“ also. Das heißt Kurs Richtung Pöllau. So ist die Gemeinde nämlich auf der Karte markiert, die Mündler unter seinem Sitz hervorkramt. Der Pilot drückt die Flugzeugnase nach unten und setzt zur Steilkurve an. Von Puch nach Pöllau? In der Luft ein Katzensprung! Oder -flug, besser gesagt. Links und rechts ziehen die Wolken wie Wattebäusche vorbei, zum Greifen nahe.

Drei Flugzeuge hat die Steirische Hagelabwehr. Martin Liska und Michael Kerner sind mit den anderen beiden Maschinen unterwegs. Über dem Stubenbergsee steuert Kerner seine Cessna auf die Höhe von Mündlers Flugzeug. Tolles Fotomotiv!

Auf der Hagelflieger-Frequenz sind auch die Kollegen von der Südflug Hagelabwehr, die im Moment zwischen Feldbach und Eibiswald alle Hände voll zu tun haben, zu hören. Aber auch Mündler, Liska und Kerner beraten sich so: Ob sich die Zelle über St. Johann wohl mit der über Weiz zusammenschließt? Zumindest auf Mündlers Tablet sieht es so aus. Auf dieses bekommt er fast in Echtzeit die Daten des Wetter-Radars auf der Reicherhöhe geliefert.

"Das ist so im Leben!"

Der Blick aus dem Fenster – bei der derzeitigen Querlage des Flugzeugs muss man sich gar nicht weit zur Seite beugen – offenbart Kurioses: Eine einzige Wiese mit vielleicht 500 Metern Durchmesser ist angezuckert. Fast schaut es aus wie Schnee. Ist es natürlich nicht, sondern Hagel. Alle anderen Wiesen im Umland sind hingegen grün – oder braun, je nach Überschwemmungslage.

Acht Meter steigen. „Da geht’s richtig nach oben, aber auch nach unten“, hört man über Funk. „Herrlich“, sagt Mündler, „das ist so im Leben.“

Fotos & Video: Jonas Pregartner

Hagelgrafik: Kleine Zeitung Infografik