UNTERWEGS IM SOMMER

Blitzlichter von den Sehnsuchtsorten
unserer Redaktion

Die Redakteure der Kleinen Zeitung begleiten Sie in diesem sommerlichen Format mit ihren subjektiven Zugängen, Erlebnissen, Anekdoten und Gedanken durch die Ferienzeit.

48.

Im grünen Bus

Von Christian Ude

Draußen zeigt der Sommer noch einmal seine Kraft, aber meine Nase ist kalt. Und alles, was noch an Stoff im Rucksack zu finden war, bedeckt meine Schultern oder ist um mein Nierenbecken gewickelt. Der Hinweis an den Fahrer, dass es viel zu kalt ist, hat nämlich nichts gebracht. Im Gegenteil. Es fühlt sich sogar noch mehr nach Antarktis an. Egal, denn wer eine gemütliche Busfahrt erwartet (übrigens die erste seit der Pandemie), ist selbst schuld. Vor allem, wenn Reisende an Bord sind, die ihr Handy auf Lautsprecher gestellt haben, um das gesamte Telefonat mit dir und den anderen zu teilen. "Too much information", ist noch der freundlichste Gedanke, der einem nach fünf Minuten Telefonat kommt. Dann nach zehn, dann nach 30 Minuten. Da sind die Knackgeräusche und die Gerüche, die ein Herr in der Reihe hinter mir mit seinen mitgebrachten Speisen erzeugt, kaum noch der Rede wert. Zweieinhalb Stunden später am Ziel und beim Aussteigen froh, dass kein Eiszapfen von der Decke hängt.

47.

Andere Welten

Von Nora Kanzler

Jetzt, wo sich für die meisten die Urlaubszeit dem Ende zuneigt und eine gefühlt zu lange Zeit vor uns liegt, die man daheim verbringt, gilt es, darüber nachzudenken, wie man sich doch ab und zu in andere Welten beamen kann. Was liegt näher, als zwei beliebten Sprichwörtern zu folgen: Da wären einmal Bücher als "Tor zur Welt". Denn Geschichten machen uns mit Menschen, Ländern und Dingen vertraut, die wir möglicherweise nie gesehen hätten. Und ebendiese Menschen, Länder und Dinge offenbaren Perspektiven und Herausforderungen, von denen wir vermutlich niemals etwas erfahren hätten. Unter dem Motto "Lesen ist Reisen im Kopf" kann man dann auch auf die gemütliche Art über den Tellerrand schauen, denn manches würde man selbst eher nicht ausprobieren. Wie das Paar in der Reiseerzählung „Ins Nirgendwo, bitte!“, das 400 Kilometer durch die Mongolei wandert, ohne auch nur eine Menschenseele zu treffen. Da lieber unterwegs auf der Couch – und klimafreundlich ist es auch.

46.

Einfach nur schauen

Von Georg Hoffelner

Auch wenn meine Frau jetzt herzhaft laut auflachen würde, wage ich zu behaupten: Ich schau auch einmal nur gerne. Vor allem im Urlaub. Kinderbedingt haben wir uns in den letzten Jahren vor allem in Istrien oder in der Ramsau am Dachstein aufgehalten. Doch egal ob Berge oder Meer: Beides sind perfekte Stresskiller. Wer kennt es nicht? Den Blick über die Weite des Wassers wandern zu lassen, um ihn schließlich an einen scheinbar endlos entfernten Horizont zu heften. In den Bergen wiederum ist die Luft so klar, dass sie fast schon schneidet. Und dann der Anblick der Berge. Die so ruhig und stabil um uns herumstehen. Diesen Anblick mochte ich schon als Kind. Ich weiß auch nicht genau, was es ist, was uns Menschen an den gigantischen Steinkolossen so fasziniert. Es sind jedenfalls inspirierende Kraftorte. Die Tage mit Kindern im Urlaub sind lang und actiongeladen. Doch findet man auch immer wieder Momente der kurzen Ruhe. Und dann wird vor allem einmal eines: nur geschaut.

45.

Kindheitstraum erfüllt

Von Tanja Haser

Reisen, das ist auch ein Mittel, um Träume zu erfüllen. Als Kind gefragt, was ich werden wollte, war die Antwort Archäologin. Geprägt von TV-Dokus über versteckte Pharaonengräber und überwucherte Dschungelstädte und weiter befeuert von der Indiana-Jones-Filmreihe, die das Forscherleben als ein großes Abenteuer präsentierte. Der Traumberuf Archäologin wich dem der Journalistin, das Interesse für jene Plätze, an denen sich das fiktionale Vorbild tummelte, blieb und führte schließlich auch nach Jordanien. Antizyklisch, weil in der Nebensaison und nach starken Regenfällen erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit, ging es mit nur wenigen anderen Menschen durch die lange schmale Schlucht hinein nach Petra. Wenn am Ende des Canyons erstmals das von den Nabatäern in den Sandstein gearbeitete Schatzhaus zu sehen ist, stockt ehrfürchtig der Atem. Die nächsten Tage standen im Zeichen der Entdeckung der antiken Handelsmetropole. Ein Abenteuer, das auch Laien in den Bann zieht.

44.

Gänsehaut in London

Von Christian Wetterning

Gänsehaut garantiert? Gibt es das in London? Und ob. Dabei kommt es gar nicht so auf das Wo an, sondern auf das Wann. 7 Uhr, nicht später! Zum Beispiel am Südufer der Themse, der Kiosk "2 Love" hat schon offen. Einen doppelten Espresso Macchiato mitnehmen, sich auf eine der massiven Sitzbänke niederlassen und den besten Ausblick auf Big Ben und den Westminster-Palast genießen. Menschenleer. Weiter über die Westminster Bridge, rechts Richtung Trafalgar Square. Links auf die Mall, auf den Buckingham Palast zu. Menschenleer. Oder, 7 Uhr, nicht später (!), den beeindruckenden Ausblick auf den Tower von London auf sich wirken lassen. Spaziergang Richtung Spitalfields Market, einen der legendären Bacon Baps bei "Potter & Reid" verdrücken. Oder, 7 Uhr, nicht später (!), einsam über die Millennium Bridge hin zu St. Paul’s Cathedral, wenn die Sonne beginnt, die Spitzen der umliegenden Hochhäuser zu küssen. Kann man schwer beschreiben. Am besten mit: Gänsehaut. 7 Uhr, nicht später!

43.

Heimkommen

Von Christian Albrecht

Selbst nach dem schönsten Urlaub fühlt es sich gut an, wieder nach Hause zu kommen. Es ist die Rückkehr ins Vertraute, welches das Gefühl von wohliger Sicherheit gibt. Was aber, wenn auf Urlaub fahren bedeutet, heimzukommen? Fremde Orte und Kulturen zu entdecken, hat etwas Wunderbares an sich. Noch wunderbarer ist es aber, wenn Fremdes zu Vertrautem wird. Vor neun Sommern habe ich mein Herz an Korsika verloren und jedes Mal, wenn ich auf die Insel der Schönheit zurückkehre, finde ich es wieder. Im nächsten Jahr feiere ich zum zehnten Mal in Folge meinen Geburtstag auf der Île de Beauté – das ist so klar wie dort der Myrtenschnaps und das Meerwasser. Ich werde auf Stränden liegen, auf denen ich schon vor zehn Jahren gelegen bin. In Gumpen baden, die mich schon vor zehn Jahren abgekühlt haben, und auf Berge steigen, die ich schon vor zehn Jahren bezwungen habe. Und es wird gut sein. Weil es sich anfühlt wie Heimkommen.

42.

Im Flugzeug

Von Frederick Reinprecht

Ich bin kein Vielflieger, aber es gibt wenig, das mich so tiefenentspannt wie die Sicherheitseinweisung an Bord eines Linienflugs. Der Fluggast vor mir rammt seinen Sitz beim Zurücklehnen mit Schwung in meine Kniescheiben, eine Sitznachbarin hat sich bereits genüsslich Schuhe und Socken ausgezogen. Zwei Reihen hinter mir höre ich schon das Babygebrabbel der Eltern, die nach dem Abheben zunehmend panisch versuchen werden, ihren Nachwuchs trotz des Drucks auf seinen Ohren zu beruhigen. Noch bevor ich mich innerlich aufregen könnte, ertönt das akustische Signal der Bordanlage. Das Flugpersonal nimmt mit Gurtattrappen und Schwimmwesten Aufstellung, mein Kopf schaltet auf Durchzug. Meine Augenlider sinken wie die im Notfall herabfallenden Sauerstoffmasken. Spätestens bei den sich am Boden befindlichen Leuchtmarkierungen bin ich eingeschlafen. Mein Schnarchen wird später vom schreienden Baby übertönt. Ich bekomme davon nichts mit. Herrlich.

41.

In den Urlaub träumen

Von Julia Schuster

Beim Durchblättern von Urlaubsalben wird mir immer wieder klar, wie sehr ich es liebe, die schönsten Momente meiner alljährlichen "Sonne-Strand-Meer-Auszeit" Revue passieren zu lassen. Dafür brauche ich keine schier endlos scheinende Bildergalerie am Handy. Ich brauche nur einen Schnappschuss, der mich gedanklich zurück in den Süden katapultiert. Besonders gut schafft das ein bereits leicht verblasstes Foto, auf dem ich als vierjähriges Mädchen freudestrahlend bei meinem Opa am Schoß in einem Restaurant in Poreč sitze. Dann denke ich an einen meiner ersten Strandurlaube in Kroatien zurück. Im Kopfkino spielt die Szene mit dem glasklaren Meer, dem feinen Kiesstrand und den frisch duftenden Pinien. Noch bevor der Film zu Ende ist, plane ich schon die nächste Auszeit. Dort ist dann der ein oder andere Blick durch die Kameralinse fürs Album Pflicht, um später wieder das Urlaubsgefühl zu wecken und den Tagtraum zu starten.

40.

Atempausen

Von Alice Samec

Atemberaubend. Endlich bekam dieses Wort einen Sinn, eine Bedeutung. Dieser Anblick war so überwältigend, dass mir der Atem stockte – x-mal gesehen, doppelseitig in Magazinen, großflächig auf Leinwänden. Aber die Realität? Zum ersten Mal am Rand des Grand Canyons zu stehen und diese Dimensionen nicht und nicht erfassen zu können, dieser Moment übertraf alle meine Erwartungen. Eingebettet in das Erleben sieben weiterer Canyons und Nationalparks im Südwesten der USA und der Millionenstädte San Francisco, Los Angeles, Las Vegas und New York, war dieser Moment für mich der gewaltigste, herausragendste. Nach drei atemlosen Wochen geballter Eindrücke und positiver Begegnungen, geprägt von Respekt, Achtsamkeit und Wohlwollen, fiel das Heimkommen in die österreichische Normalität erstmals schwer. Was für ein Glück, dass bald nach der halben Weltreise zwei Wochen Urlaub in der Heimat des Herzens anstanden: am Wörthersee. Genügend Zeit zum Atemholen.

39.

In der Tat wie im Traum

Von Andreas Schöberl-Negishi

Eine Sekunde. Nur eine einzige Sekunde. Oder auch: zwei Wimpernschläge. Wie im Traum, aber in der Tat: Das nächste Abenteuer liegt näher, als man denkt. Man ist knapp davor, sich hineinzustürzen, Hals über Kopf. Jederzeit und überall. Nichts trennt einen von all dem, was es zu entdecken gibt: Kein Interconti-Flug mit 13 Stunden. Keine Autofahrten, bei denen man Kilometer abspulen muss, nur um sich dann gerädert zu fühlen. Nein, das alles ist nicht der Fall. Denn für ein echtes Erlebnis genügt es manchmal, ein neues Kapitel aufzuschlagen – und in der Lektüre umzublättern. Keine Sorge, das ist kein Plädoyer fürs Stubenhocken. Aber mit richtig packendem Lesestoff, da tut sich was. Man ist mittendrin. Nicht nur dabei. Es ist kein Kino im Kopf, wie es heißt. Denn da wäre man nur Zuschauer. Hauptdarsteller! Genau. Das ist es doch, wozu man wird, wenn man voll in ein Buch eintaucht. Auf der Couch oder auf der Hängematte unter Pinien – da passt oft nur ein Blatt Papier dazwischen.

38.

Achterbahnfahrt

Von Marieke Hojak

Nach dem Genuss einiger Cocktails im März wurde der Amsterdam-Flug gebucht. Danach das Quartier reserviert – das erste, das auf Booking.com unter dem Filter "Preis (niedrigster zuerst)" erscheint. Euphorisches Gelächter folgte auf die Absurdität dieser Entscheidung. Im Juli, auf dem Weg zum Flughafen, erschien alles nicht mehr so rosig. Ist das Hotel ein Scam oder warum ist es so günstig? Werden wir den Flug mit der Ryanair überleben? Diese Fragen beschäftigten mich, während uns fünf Stunden Flugverspätung ereilten. Draußen tobte das Gewitter, strömender Regen prasselte gegen die Fensterscheiben der Abflughalle. Es sei unklar, wann die Maschine starten könne, hieß es in einer Durchsage. Doch dann kam die Wende: Wir wurden zum Boarding aufgerufen, das Hotel war sauberer als gedacht und trotz Schlechtwetterprognose erwartete uns in der niederländischen Hauptstadt strahlender Sonnenschein. Manchmal zahlen sich Spontanität und eine Risikofreudigkeit doch aus.

37.

Liebeserklärung

Von Daniela Buchegger

Manchmal braucht es den Blick von außen, damit einem die Augen geöffnet werden. Ungefähr "dreimal umfallen", so nah wohne ich neben der Buschenschank meines Vertrauens in meiner oststeirischen Heimat, dem Pöllauer Tal. Aber so wie bei vielen Dingen weiß man das Nahe nicht immer gebührend zu schätzen. Eine Buschenschank vor der Haustür – und viele weitere in kürzester und kurzer Fahrdistanz – ist selbstverständlich für mich. Aber nicht für jeden. Das wurde mir jüngst bewusst, als ich in einer weiteren Buschenschank meines Vertrauens neben einer Auswärtigen saß. Diese schwärmte fast übertrieben überschwänglich von der Schönheit der Gegend und den Buschenschanken hier. Nun, meine Augen waren plötzlich weit offen und erkannten: Manchmal muss man nicht weit unterwegs sein, um dort anzukommen, wo es perfekt ist. Hochwertig und wertvoll, aber nicht teuer. Gemütlich und familiär, aber nicht altbacken. Brettljause, Apfelsaft gespritzt, Achterl und Co sei Dank.

36.

Den Moment genießen

Von Tina Garms

Jedes Jahr stellt sich die Frage: Wo geht’s im Sommer hin? Welches Reiseziel, welche Art von Urlaub soll es sein? Eigentlich ein Luxusproblem. Genau diesem Kopfzerbrechen über Destination und Co habe ich mich dieses Jahr nicht ergeben. Warten wir ab, vielleicht ergibt sich noch ein Angebot – das war meine Devise für den Sommer, mit folgendem Ergebnis: Wer zu spät kommt, wird bestraft. Na ja, ganz so hart darf man es doch nicht formulieren. Auch wenn ich Pech hatte, was das Last-Minute-Schnäppchen angeht, so hatte ich doch eine wunderschöne Zeit in meiner Heimat. Entspannt auszuschlafen, sich an neue Rezepte zu wagen oder ein kurzer Ausflug ins verregnete Salzkammergut, all das kann Entschleunigung bedeuten. Je mehr man über Entspannung grübelt, so beschwerlicher wird es, diese zu erleben. Man kann die schönen Dinge im Leben nicht erzwingen. Manchmal muss man das Beste aus einer Situation machen und einfach den Moment genießen.

35.

Meine Entschleunigung

Von Johanna Birnbaum

Es ist bereits im Vorfeld ein Verreisen, das Entspannung bringt. Der Gedanke, bald Urlaub zu haben. Bald wieder ein Stückchen dieser Erde kennenzulernen, wiederzuentdecken oder einfach zum wiederholten Mal zu besuchen. Bald wieder, ohne Zeitdruck, einzutauchen in Entschleunigung, die man auch erst wieder zulassen muss. Unterwegs zu sein, ist für mich eine solche Entschleunigung. Weg zu sein vom Alltag, wahrzunehmen, wie es ist, woanders zu sein, fern des heimischen Schutzschildes, tut gut. Entschleunigen heißt für mich keinesfalls, Wochen an einem Ort zu verbringen. Es werden wieder der Osten, der Süden, der Norden und der Westen werden – mein Verreisen, das mir die so unglaublich geschätzte Entschleunigung bringt. Der Blick auf die – doch lieb gewonnene – kleine Welt daheim, bekommt mit jedem Wegsein übrigens auch eine neue Qualität. Warum? Ich habe eine Heimat, wie sie so viele Menschen nicht haben

34.

Gehenswert

Von Sarah Steinhöfler

Hier gab es Hahnenfuß und Schafgarbe, vereinzelt wurde Heu gerecht. Der letzte Waldabschnitt lag schon ein Stück weit hinter uns. Der Weg sollte planmäßig immerhin bald wieder unter die schützenden Baumkronen führen, also fiel die brennende Sonne auf den Oberarmen in die Kategorie "belebend" und noch nicht in die Kategorie "bedenklich". Diesem Weg wären wir gefolgt, hätte er in den kühlenden Schatten und nicht in eine Sackgasse neben einem Bauernhaus geführt, in der ein Viehtransporter stand, in den eine tote Kuh verladen wurde. Dann also zurück. Nichts wollte ich weniger, als einen alten Landwirt bei der Arbeit zu stören, weil ich gerade in der Laune war, 150 Kilometer entfernt von meinem Zuhause über sein Grundstück zu wandern. "Lahko greste skozi!" (Sie können problemlos durchgehen!) und ein wohlwollendes Lächeln ließen uns nicht umkehren und ich freue mich noch heute über die Freundlichkeit des Mannes und die weiteren Erinnerungen entlang des Weges.

33.

Landsleute im Urlaub

Von Jonas Rettenegger

Das Erklingen österreichischen Dialekts an fremden Orten lässt mich zusammenzucken. Es raubt mir die dringend benötigte Distanz zum Alltagstrott. In solchen Fällen bleibe ich ganz still und hau schnell ab. Distanzaufbau eben. Deshalb ziehen mich vermeintlich unbeliebte Urlaubsorte an. Mallorca zu besuchen, war bislang der wohl schlechteste Plan. Auf der Flucht aus Palma zog es mich meinen alpinen Instinkten folgend in die Berge. Nur um in Valldemossa erst wieder einen Österreicher zu treffen, doch er sprach nicht von "Einschmier" oder "Expresso". In seinem Museum sprach er von der Kultur, der Natur und den Menschen der Region. Erzherzog Ludwig Salvator war ein Vielgereister, immer versucht, das unbeachtete Mittelmeer zu dokumentieren. Das Ergebnis: ein 6000-Seiten-Porträt namens "Die Balearen in Wort und Bild" – eine wissenschaftliche Liebeserklärung. Na ja, andere Österreicher wissen eben auch, wo es schön ist. Wer könnte es ihnen verübeln, wenn sie dann auch hinfahren.

32.

Zeitmaschine

Von Petra Lerchbaumer

Ist der Urlaub die meiste Zeit verregnet, kann man damit hadern und das Wetter verfluchen. Man kann aber auch das Beste daraus machen und nach Alternativen zu Strandbad und Co suchen. Gesagt, getan. Nichtsahnend wurde die Zugfahrt von Klagenfurt nach St. Veit an der Glan eine Zeitreise. Mich hat nämlich im Museum St. Veit die Sonderschau "Zeitmaschinenbilder" in ihren Bann gezogen. Bilder von damals verschmelzen mit Fotos von heute. Gäste eines Cafés am Hauptplatz werden von einer Mutter und ihren beiden Töchtern aus ferner Zeit neugierig betrachtet. Wer weiß, vielleicht sehen sie da ihre späteren Urenkelinnen bei Kaffee und Kuchen? Auf einer anderen Montage gehen adrett gekleidete Menschen in Schwarz-Weiß neben Autos aus der Neuzeit. Und welchen Film wohl jene Menschen im längst geschlossenen Stadtkino angeschaut haben, die selbiges gerade verlassen? Schlechtwetter sei dank. Es war ein spannender Ausflug in längst vergangene Tage.

31.

Unerwartetes annehmen

Von Moritz Groß

Ich liege in einem Swimmingpool auf der Dachterrasse eines schicken Hotels und schaue auf Bordeaux. Die Sonne senkt sich über der Stadt, ein leichter Wind zieht auf, um die Hitze des Tages zu vertreiben. Abgetrocknet hole ich mir einen Aperol-Spritz an der Bar und zünde eine Zigarette an. 24 Stunden vorher erwartete ich all das am Wiener Hauptbahnhof noch nicht. Eigentlich wollte ich doch jetzt als Nichtraucher in einem Zelt 50 Kilometer von Bordeaux entfernt liegen. Aber eine ÖBB-Verspätung von 80 Minuten stellte alle Pläne auf den Kopf. Anschlusszüge wurden verpasst, auf Umbuchungen erfolgte weiteres Chaos. Nach Umstieg in Paris und dem Aufsaugen der atemberaubenden Kulisse, zwischenzeitliches Stranden an einem Provinzbahnhof. Nicht aufregen, geschehen lassen, Tschick schnorren, Schwalben beobachten, Sonnenstrahlen genießen. Unerwartetes annehmen und sich überraschen lassen, sorgt oftmals für die prägendsten Erinnerungen.

30.

Aussichtslos

Von Victoria Frühwirth

Ich bin in den Genuss von Freizeitstress gekommen, wie meine Tante so schön sagt. REX-Zugausfall, der nächste und übernächste fällt ebenso aus, die S-Bahn braucht dreimal so lang und auch die ist verspätet. Trotz eingeplantem Puffer geht sich der Anschlusszug nach Budapest mit Sicherheit nicht aus. Beim Bahnbetreiber um ein Ersatzticket in die Hauptstadt bitten? Fehlanzeige. Gut, neues Anschlusszugticket nach Ungarn gebucht, natürlich zum doppelten Preis. Dann die Überraschung am Wiener Hauptbahnhof: Der ursprüngliche Anschlusszug hat ebenso Verspätung. Rennen, ja, der Zug geht sich aus. Beim Bahnbetreiber noch mal anrufen und das neue Zugticket stornieren. Dann – endlich Budapest, 28 Grad, Sonnenschein, viele Tauben. Eine wundervolle Touri-Stadt zum Sightseen der Markthalle, der Fischerbastei und des Parlamentsgebäudes. Aber was tut man nicht lieber, als den Auslandsurlaub bei zig Escape Rooms in Kellern und fensterlosen Räumen zu verbringen?

29.

Aye, aye, Captain!

Von Verena Schaupp

Auf der linken Seite des "Trimaran" (Anm. ein Katamaran mit drei Rümpfen) wird mit ein paar Bierchen der Abend eingeläutet, auf der rechten Seite ist das Licht aus. Auf dem Netz liegend, verliere ich jedes Zeitgefühl. In der Dunkelheit funkeln Abermillionen Sterne am Firmament, das gleichmäßige Schaukeln des Schiffes wirkt meditativ. Nahe der Whitsunday Islands an der australischen Küste verbringen wir die Nacht. "Hey, Verena, kannste mal weitersagen, dass das Abendessen fertich is?", ruft Arni. Der Kapitän, ausgerechnet ein Hamburger Blondschopf, der vom Sozialarbeiter zum Fisherman in Down Under wurde – Geschichten, wie sie nur das Leben schreibt und man sie nur auf Reisen hört. "Sicha, mach i." Während Arni über mein "Österreichisch“ schmunzelt, erkläre ich dem argentinischen Pärchen und der holländischen Studentin: "Dinner is ready!" Ein letzter Blick zu den Sternen und wir betreten die beleuchtete Seite des Bootes. "Enjoy! Nen Guten!", hallt es aus der Küche. Aye, aye, Captain!

28.

Wie Heimkommen

Von Daniela Winkler

Als Kleinkind habe ich dort zum ersten Mal das Meer gesehen. Seitdem – mittlerweile bin ich 30 Jahre alt – empfinde ich das kleine Örtchen an der oberen Adria als eines der entzückendsten Fleckchen Erde. Nach Caorle zu fahren, ist für mich wie Heimkommen. Ich verbinde Erinnerungen damit, die mich ein Leben lang begleiten werden: Sala-Giochi-Abende mit meinem Papa (das mache ich jetzt noch gerne), sehr, sehr viel Eis, das mir mein Onkel immer gekauft hat, mit Freundinnen in der Sonne liegen, mit meiner Mutti Campari Orange trinken oder ein bisschen flanieren, mit meinem Partner am Strand spazieren gehen. Das alles macht Caorle zu meinem Wohlfühlort. Weil ich dort Zeit mit Menschen verbringe, die ich liebe. Das ist für mich Felicità, also Glück. Natürlich gibt es schönere, aufregendere, kulturell wertvollere Reiseziele. Manche bezeichnen Caorle abwertend sogar als „Hausmeisterstrand“. Aber ich kehre nach "Tschaorle", wie ich es spaßhalber nenne, immer wieder gerne zurück.

27.

Immer wieder

Von Nina Müller

Spätestens ein paar Tage vorher, wenn eigentlich die Vorfreude steigen sollte, will ich lieber daheimbleiben. Das Kofferpacken und An-alles-denken-Müssen – mühsam. Der eigene Spleen, die Wohnung noch auf Vordermann bringen zu müssen, um nicht in ein Chaos zurückzukehren – anstrengend. Noch vor dem Morgengrauen aufstehen, um das Taxi zum Zug, zum Flugzeug, zum Bus zu erreichen – furchtbar. Davor eh nicht schlafen können wegen der Angst, zu verschlafen – grässlich. Das Trara am Flughafen, Gepäckabgabe, Securitycheck, Passkontrolle, Herumsitzen – wäh! Die frühere Todesangst beim Fliegen ist zumindest überwunden, aber entspannen geht anders. Das immer schlechtere Klimagewissen dazu. 18 Stunden später völlig übermüdet kopfüber hinein in eine andere Zeit- und Klimazone, eine fremde Kultur, in der man sich gar nicht auskennt – überfordernd. Trotzdem habe ich es kein einziges Mal bereut. Und werde immer wieder fragen am Ende jeder Reise: Wo fahren wir als Nächstes hin?

26.

Oben bleiben

Von Michaela Kanatschnig

Es heißt ja, der beste Blick kommt mit dem härtesten Aufstieg. Und so sehr ich diese Lektion zu schätzen weiß, immer oben zu bleiben ist mir lieber. Das macht den Karnischen Höhenweg für mich zu einer ständigen Belohnung, selbst wenn ich noch vor Sonnenaufgang und ohne Frühstück aus der Hütte muss, um die Königsetappe ohne Begleitung von Blitz und Donner zu packen. Wenn die Schultern dann, sechs Stunden später, von den Rucksackriemen schmerzen und ich das dritte Käsebrot nicht mehr anschauen mag, dann ist für mich Sommer. Nirgendwo kann man die Sorgen besser zurücklassen als unter dem groben Geröll eines riesigen Kars. Ab einer Seehöhe von knapp 2000 Metern und nach Sichtung von mindestens drei Murmeltierbabys verschwinden die Probleme zusammen mit der Arbeit und dem Haushalt weit unten in der Versenkung. Das macht den Höhenweg auch durchaus gefährlich: Einmal oben, will ich gar nicht mehr absteigen.

25.

Kindheitstraum

Von Stefan Kohlmann

Mailand. Während andere die Stadt mit Kunst, Oper oder Mode assoziieren, gibt es für Sportfans einen anderen Grund, die italienische Metropole zu bereisen: den Fußballtempel San Siro. Der ewige Wunsch, das legendärste Stadion der Welt zu besuchen, wurde ob des bevorstehenden Abrisses noch befeuert, und nach monatelanger Planung ging es in die Hauptstadt der Lombardei. Dort tat sich ein riesiges Bauwerk am Rande der Stadt auf. Es dauerte eine halbe Stunde, bis von den gefühlten hundert Eingängen der richtige gefunden war. Über unzählige Stufen ging es hinein in den Traum vieler Fußballanhänger, wo die Stimmung schon über eine Stunde vor Anpfiff elektrisierte. Spätestens als das ganze Stadion den Evergreen "Sarà perché ti amo" anstimmte, hatte sich die Nacht im vollen Zug ausgezahlt. Was blieb, waren mehr als drei mit Staunen verbrachte Stunden im Stadion und die Erfüllung eines Kindheitstraums. Den konnte nicht einmal das langweiligste Spiel meines Lebens zerstören.

24.

Weiß begehrt

Von Thomas Rossacher

Woanders liegt noch Schnee. Am Dachsteingletscher sind vor ein paar Tagen 20 Zentimeter gefallen, leider ist der Gletscherliftbetrieb dort nur eine verblassende Erinnerung. In Kalifornien müsste man heuer gewesen sein: Dort fielen im vergangenen Winter Rekordmengen – in Mammoth Mountain endete die Saison erst Anfang August. Noch ein weißer Tipp ist Mount Hood, östlich von Portland. Die Pisten am Vulkan (3425 Meter) sind jeden Sommer Schmelztiegel aller unverbesserlichen Snowboarder. Wem das zu weit ist: Das schweizerische Zermatt soll die (P)reise wert sein. Der Fünf-Tage-Pass für Erwachsene kostet umgerechnet 354 Euro. Auf der anderen Seite: die Niederlande. Stabile Minusgrade herrschen etwa im "Snowcenter" von Westerhoven, die Tageskarte kostet 36,50 Euro. Oder gleich auf die Insel: Manchesters Indoor-Skipiste "Chill Factore" ist geöffnet.
Echter Winter? Perisher in Australien oder Cardrona in Neuseeland sind zu dieser Jahreszeit "weiß begehrt".

23.

Öhoppning

Von Julia Schafferhofer

Als Kind hat sich folgende Idee einer Bilderbuch-Insel in das für die Sehnsucht zuständige Gehirnareal eingenistet: Sie schaukelt auf türkis-klarem Wasser mit Fischen in allen Farben darin und auf dem Sandstreifen davor wächst mindestens eine Palme schief in die Höhe. Dazu: Sonne, Schnorchel, Flossen.
"Niemand ist eine Insel", behauptete Mario Simmel. Im Urlaub möchte man gerne eine sein. Sanft umspült von weichstem Seewasser oder tosendem Meer, gestreichelt vom Wind, frisiert vom Sturm, einsam. Inseln sind das Untertauchland vom Alltag: mit Rundum-Wasserzugang und Abgrenzung zu allem.
Das nun bevorzugte Lieblingseiland schwimmt in Schweden namenlos im Schärengarten vor Stockholm. Den felsigen Untergrund ziert ein rotgetünchtes Holzhäuschen mit Steg und Sauna davor, daran schaukelt ein kleines Boot. Das Allerbeste: Es gibt 30.000 davon. Wie gemacht für einen Inselhüpf-Marathon. Der Sehnsuchtsname auf Schwedisch: Öhoppning. Ahoi!

22.

Schöne "Sticheleien"

Von Rainer Brinskelle

Wir schreiben den August 2015, es ist Hochsommer. Die Schuhe hinterlassen mit einem lauten Knirschen tiefe Abdrücke in Schnee und Eis. Am Ufer der Gletscherlagune Jökulsárlón im Süden Islands haben auch schon Christian Bale ("Batman Begins"), Angelina Jolie ("Tomb Raider") und die 007-Agenten Roger Moore und Pierce Brosnan im wahrsten Sinne des Wortes ihre Spuren hinterlassen. Für "James Bond"-Dreharbeiten hat man 2002 sogar die Meeresverbindung gekappt: Der See ist zugefroren und hat sich in eine einzigartige Eislandschaft verwandelt. Ein eisiges Erlebnis ist auch der Besuch des gigantischen Gullfoss. Vom Goldenen Wasserfall bleibt aber vor allem das Wetter in Erinnerung. Bei knappen Plusgraden und Böen nahe der Orkanstärke schießen die gefrorenen Regentropfen waagrecht daher und landen als unzählige Nadelstiche mitten im Gesicht. Diese Urlaubserinnerung geht unter die Haut und untermauert: Als Islandurlauber muss man ein Abenteurer sein.

21.

Wandern braucht Zeit

Von Lukas Lorber

Um den Giglachsee in Schladming zu erkunden, braucht man gutes Schuhwerk, etwas Verpflegung, einen Hauch von zeitlicher Planung. Vor allem für die Wanderung von der Holdalm weg. Letztere ist weniger vorhanden, wenn man um 11 Uhr startet. Meine Begleitung und ich blicken uns an: Geht sich das aus? Geht sich aus. Das ist unsere Überzeugung.
Mit viel Ehrgeiz und Motivation geht es voran. Über steinige Wege geht es vorbei an grünem Moos, steilen Berghängen, Bergseen . Ein wunderbarer Tag, das Wetter spielt mit. Der einzige Gegner ist die Uhr. Je schöner die Strecke, desto fortgeschrittener die Zeit. Immer wieder kommt uns der Gedanke: "Geht sich das aus?" Das geht sich aus! Muss ja.
Schon langsam erhöht sich unser Schritttempo. Der Himmel färbt die Bergspitzen klischeehaft ein. Wunderschön, aber zeitlich wird es eng. Das Tal kommt uns näher. Kurz bevor wir unser Auto erreichen, verabschiedet sich die Sonne hinter den Bergen. Geht sich das aus? Ja, tatsächlich.

20.

Reisen mit Kindern

Von Tanja Haser

"War das nicht furchtbar stressig? Warum tut ihr euch das an?" So und so ähnlich klingen die Reaktionen, wenn Gesprächspartner erfahren, dass mein Lebensgefährte und ich das Abenteuer einer einmonatigen Südafrika-Rundreise mit eineinhalbjährigen Zwillingen gewagt haben. Und ich gebe den Skeptikern recht: Urlaub mit kleinen Kindern ist nur wenig anders als Daheimsein mit kleinen Kindern. Die Care-Arbeit bleibt dieselbe, die Herausforderungen in einer ungewohnten Umgebung sind oft sogar größer. Und ja, natürlich würde den Kleinen auch die Sandkiste zu Hause reichen. Sie werden sich ja eh nicht erinnern. Warum aber tun wir uns das also an, das Reisen mit den ganz Kleinen? Die Antwort ist einfach: Sie werden sich nicht erinnern, aber wir werden es tun. An das Herumtoben auf dem Tafelberg, an das Spielen mit den einheimischen Kindern, an die seitdem ausgeprägte Begeisterung für Vögel und an den Moment, als beim Anblick des ersten Elefanten ein begeistertes "Fant!" ertönt ist.

19.

Ein-Tages-Urlaube

Von Sandra Mathelitsch

Der Wecker klingelt zeitig, Rucksack ist schon gepackt, die Reiselust steigt. Das Gute liegt oft so nah – und daher werden die freien Tage im Sommer ausgiebig genutzt, um Österreich zu erkunden. Dank Klimaticket umweltfreundlich mit den Öffis – und in Tagestouren. Eine Recherche der Fahrpläne zeigt, dass man von Graz aus in einem Tag vielleicht nicht die Welt, aber doch sehr viel in der eigenen Heimat erkunden kann. Egal ob Eis Essen vor dem Stephansdom, vom Gipfel der Planai den Blick aufs Ennstal genießen oder am Schöckl die Kühe besuchen – alles eintägige Auszeiten vom Alltag, die sich wie Kurzurlaube anfühlen und dementsprechend erholsam sind. Ganz stressfrei, da sowohl Stau als auch Parkplatzsuche wegfallen. Und noch ist der Sommer nicht vorbei, die Liste der möglichen Ziele lang: Treppe ins Nichts, Salzburg, Grüner See und einiges mehr. Eigentlich hat man nur die Qual der Wahl, welchem Wunschort man den Vorzug gibt. Der nächste Tages-Urlaub ist jedenfalls
fixiert: Bad Ischl.

18.

Nackert im Paradies

Von Barbara Haas

Oben ohne baden ist nicht mehr gefragt. Das nervt. Doch es gibt diesen Platz in Griechenland – er ist für mich das Nackert-Paradies. Lustigerweise liegt er quasi direkt neben einem der schönsten und „Instagram“-tauglichen Strände auf Karpathos. Doch an meinem Flecken Erde sind fast keine Menschen und damit auch keine Selfies. Ich denke, weil man ein bisschen wandern muss. Über einen Steig, den sonst wohl nur Ziegen benützen. Auf einer Seite geht es sehr steil runter, man möchte nicht fallen. Und es ist schon anstrengend, in der Hitze plus mit der zu tragenden Jause: Tomaten, Weintrauben, Brot, Käse und Wasser. Doch nach 20 Minuten seh ich ihn, den Felsen, auf dessen Spitze sich eine Kiefer festgesetzt hat. In ihrem Schatten darf ich bleiben. Und nackert ins Meer gehen. Die Kinder sind ruhig, lesen, schwimmen und vergessen kurz die Scham der nahenden Pubertät. Ich bin sehr glücklich über dieses Nackert-Paradies. Und hoffe, die Menschen sind weiterhin zu faul zum Wandern.

17.

Fotografieren verboten!

Von Andreas Edler-Retter

Ein einsamer Japaner und ich sind die einzigen Ausländer im Bus. Unsere Wege kreuzen sich zufällig auf dem Weg von der nordwestiranischen Stadt Urmia in die Osttürkei. Gemeinsam überqueren wir die Grenze, durchlaufen insgesamt vier Pass- und Gepäckkontrollen. Seinen Namen habe ich nie erfahren, mangels gleicher Sprache wechseln wir keine Worte. Auf der türkischen Seite beginnt der Japaner zu fotografieren. Das sei sicher verboten, deute ich ihm. Mit forschen Handbewegungen wischt er meine Bedenken weg. Was soll’s, denke ich, und packe meine Spiegelreflexkamera aus. Vier Polizisten stürmen auf uns zu: "Delete!" schreit einer lauthals. Als ob er die Aussprache perfektionieren will, wiederholt er es ständig. "Delete, delete!" Mit Adleraugen beobachten sie, ob wir die richtige Taste drücken. Dann sollen wir verschwinden. Nach 20 Metern zuckt der Japaner mit den Schultern, packt die Kamera wieder aus und beginnt zu fotografieren. Ich muss grinsen. Wie es ihm wohl heute geht?

16.

Lebendige
Teenie-Schafe

Von Anna Stockhammer

Määäääh. 6.30 Uhr. Der Nebel zieht am Fenster vorbei. Ein zotteliges Schaf trabt ins Sichtfeld. Dann noch eines und noch eines. Wird man aus dem Schlaf gerissen, weiß man ja oft im ersten Moment nicht, wo man ist. Der laute Ruf der doch so friedlichen Weidetiere lässt keinen Zweifel zu. Nie war ein durchdringendes Geräusch herrlicher. Dort im steirischen Süden, wo es die Klagenfurterin und Wahl-Grazerin sonst nie hin verschlägt. Und weil die Rastlosigkeit sich am Urlaubsanfang verlässlich meldet, der Rücken von der fremden Matratze sowieso schmerzt – auf gute Art –, geht es raus auf die Holzterrasse. Landluft einatmen und sich die Frage stellen: Wer "mäht" da eigentlich am lautesten? Die Herdendynamik studiert, die Kommunikationsweisen analysiert: Die Teenie-Schafe starten den Tumult, Lämmer und Oldies stimmen ein. Übermütig geben sich die Jugendlichen auf der Weide. In mir wächst die Hoffnung, in der kurzen Erholungsphase selbst wieder zu meiner Lebendigkeit zurückzufinden.

15.

Auf einen Sprung zum Freund

Von Daniela Bachal

Wir sind seit vielen Jahren zur freien Poolbenutzung bei einem Freund nur eine Straße weiter eingeladen. 8-x-4-Meter-Becken, kein Chlor, 26 Grad Wassertemperatur. Berufsbedingt ist der gute Mann wenig daheim, und wir haben den Schlüssel. Aber können Sie sich vorstellen, was ein Swimmingpool in Graz für Menschen ist, die am Attersee aufgewachsen sind? Richtig: nichts. Meine bessere Hälfte kommt von dort, und ich kenne den Attersee mittlerweile auch ganz gut. Kurzum: Den Pool des Freundes haben wir beide nie benutzt. Dann hatte ich vergangenes Wochenende aber sooo eine Sehnsucht nach einem kühlen Bad. Packer Stausee? Am Sonntag um 17 Uhr? Auch eine blöde Idee. Und da bin ich mit meinen Badesachen, ohne viel nachzudenken, einfach eine Straße weiter gegangen und in den Pool des Freundes gehüpft. Wissen Sie was: Da kann man wirklich (ganz) kleine Runden schwimmen und 26 Grad Wassertemperatur: voll angenehm. Jetzt bin ich regelmäßig unterwegs – auf einen Sprung zu unserem Freund.

14.

Mauer für den Frieden

Von Uwe Sommersguter

Die Erkundung des teils schäbigen, dann wieder von imperialer Pracht strotzenden und zwei Häuserecken weiter gemütlichen und modernen, im Tourismus Halt suchenden Belfast war schweißtreibender als erwartet. Die von rauem Charme durchströmte Industriestadt metamorphosiert sich zum bunten Schmetterling. Dolce Vita ist sicher anderswo.
Spuren des Nordirland-Konflikts finden wir zunächst keine. Belfast vermittelt arglosen Gästen: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Das taten wir, über endlose Straßen, vorbei an Friedhöfen, hinein in die Wohnviertel. Bescheidene Backsteinhäuschen, gepflegte Gärten, Kinderspielzeug als Dokumente friedlicher Koexistenz. Es wird still, die Wohnstraße endet jäh in einer riesigen Wand aus Stahl, Beton, Maschendraht. Die vor uns auftürmende Friedensmauer: übermächtiges Symbol der Dialektik, Trennung ermöglicht Zusammenleben. Doch reift die Erkenntnis: Mauern frieden Konflikte ein – zur Heilung braucht es Abrissbirnen.

13.

Von Haien vertrieben

Von Thomas Cik

Keine Nostalgie unterstellen, die ist mir fremd. Die verantwortungsbewusste Recherche trieb mich zur einstigen Studentenbude. Nicht zu jener in Graz, da hat ein Immobilienhai alle Mieter vertrieben, um Wohnungen zu errichten, vornehmlich für Erbrechtsstudenten. Sondern zur anderen, die einen ein halbes Jahr lang Anwohner des Mittelmeers sein ließ. Aus der einstigen WG lebt niemand mehr dort, die ältere Frau vom zweiten Stock lebt wohl nicht mehr. Auch die Straße hat sich verändert. Der Pfandleiher an der Ecke verramscht immer noch Dinge, die "vom Laster gefallen" sind, die überteuerte Pizzeria ist laut Tripadvisor aber der beste Mexikaner der Stadt. Überprüfen lässt es sich nicht, er hält Siesta. Am faszinierendsten war aber immer der fauchende Kampf zwischen dem Chinesen, der in seinem Laden Plastikguss aller Art verkaufte, und den Jungs aus dem Senegal, die CDs und Handtaschen vor dem Fischmarkt anboten. Die Jungs seh ich nirgends, der Chinese hat jetzt ein Immobilienbüro.

12.

Für immer Eraclea

Von Philip Edlinger

Unbeschwertheit, Neugier und Freude an den kleinen Dingen. Schlicht Kindheit. Das verbinde ich mit dem kleinen Adria-Ort Eraclea Mare. Eigentlich nicht spektakulär und schon gar nicht sonderlich weit weg von daheim, aber trotzdem ein Ort der Sehnsucht, der immer noch dieses sentimentale Gefühl von "damals" weckt. Eraclea Mare liegt eingebettet zwischen den Hausmeisterstränden von Jesolo und Caorle und ist nicht nur weniger bekannt als ebendiese, sondern auch nicht so urlauberüberflutet. Wo vom Apartment aus zwischen der einzigen Bäckerei, den wenigen Lokalen und Cafés bis hin zum Strand alles binnen fünf Minuten zu Fuß erkundbar ist, dort begannen meine Italienurlaube und diese kleine Welt ist für mich bis heute das Größte. War es als Kind noch der schönste Sitz am Karussell am Dorfplatz, ist heute eher das "Einserplatzerl" im Strandcafé Objekt der Begierde. Aber auch das spiegelt sie irgendwie wider: die Freude an den kleinen Dingen.

11.

Das Parksträfchen

Von Georg Lux

Man sagt den Dummen nach, dass sie gerne Glück haben. In meinem Fall stimmt das. Ich war der glückliche Dumme, der am Sonntag vergessen hat, in Strunjan, einem Nachbardorf des slowenischen Küstenortes Piran, zum Parkscheinautomaten zu latschen. Wochenende – was wird da schon sein?! Bei der Rückkehr zum Auto fand ich zwischen Scheibenwischer und Windschutzscheibe ein Schreiben der Stadtgemeinde Piran vor. Höflich und mehrsprachig bat sie um ein wenig Parkgebühr: fünf Euro, wenn ich innerhalb von drei Tagen überweise, sonst würde man mir 40 Euro in Rechnung stellen. Glück gehabt. Fünf Euro ärmer, aber 40 Euro klüger, darf ich Ihnen über die Angelegenheit mit dem Parken hinaus diesen Tipp mit auf den Weg in den nahen Süden geben: Von den Salinen in Strunjan führt ein wunderschöner Wanderweg über die spektakulären Klippen am Meer ins malerische Izola. Die Aussicht ist das Gegenteil des Parksträfchens: unbezahlbar.

10.

Ewige Liebe

Von Alexander Tagger

Rom, du Ewige Stadt. Du große Liebe, zu der sich meine Liebste und ich so hingezogen fühlen. Weil man sich in dir so uneingeschränkt fallen lassen kann. Und von dir immer wieder auf noch bezauberndere Art aufgefangen wird. Mit deiner imposanten Geschichte, deiner vielfältigen Küche, deinen lebendigen Menschen, deinem verführerischen Dolce Vita. Colosseum, Forum Romanum, Pantheon: Das alles lassen wir längst links liegen. Nein, es sind deine versteckten Plätze, Sträßchen und Grünanlagen abseits der Touristenwege, die deine Schönheit immer wieder aufs Neue erblühen lassen. Und in uns stets dieses wohlige Gefühl des Angekommenseins gebärt. Gänsehaut. Schon in ein paar Tagen werden wir uns wiedersehen. Du sollst dich diesmal von deiner fiebrigen Seite zeigen, 40 Grad und mehr werden dein sonst so hektisches Inneres lähmen. Uns stört das nicht, unsere Liebe zu dir kennt keine Grenzen. Und sie währt ewig.

9.

Große Gefühle am See

Von Martina Pachernegg

Bei jedem Schritt ächzt und knarrt der alte Holzsteg unter meinen Füßen. Doch so laut das Klagen des alten Bauwerks auch ist, so idyllisch liegt der Steg eingebettet zwischen Sträuchern und vom Wasser glatt geschliffenen Steinen. Hier in Grums am nördlichen Ufer des Vänern Sees in Schweden ticken die Uhren anders. Man hat Zeit. Zeit von der man meint, sie gar nicht zu haben. Das Getriebene des Alltags kennt man hier nicht – zumindest ich nicht. Seelenruhig schwappt das Wasser des 5600 Quadratkilometer großen Sees an die Pfosten des Stegs und lässt den kleinen Motorseglers, der an ihm befestigt ist, sanft schaukeln. Verheißungsvoll liegt der Segler im Wasser, wartet nur darauf, endlich Fahrt aufzunehmen. Es endlich mit den großen
Containerschiffen aufzunehmen und ihnen zu zeigen, was in der kleinen Nussschale steckt. Ich folge dem Ruf des Seglers. Leinen los! Und wie das Ufer des ozeangleichen Gewässers immer kleiner wird, wird das Gefühl der Freiheit immer größer.

8.

Geheimplatz ohne Grill

Von Karin Hautzenberger

Kaum etwas widerstrebt mir mehr, als auf einer Liege stundenlang wie ein Grillhendl zu braten. Da aber die Sommer immer heißer werden, sind Erkundungstouren in südlichen Ländern oder in Städten im Juli und August keine Urlaubsoption mehr. Vor vielen Jahren war das anders: Anfang der 2000er-Jahre war es im Hochsommer in Rom zwar heiß, zu Fuß von der Engelsburg zum Petersdom zu spazieren war aber schaffbar, ohne einen Kreislaufkollaps zu erleiden. Und da schon damals die Ewige Stadt eher im Frühling oder Herbst von Touristen gestürmt wurde, musste man weder vor dem Kolosseum anstehen noch auf der Spanischen Treppe darauf achten, dass man keinem Instagramer auf die Finger tritt. Die Zeiten und Temperaturen ändern sich. Und so hat es Vorteile, da zu leben – und da zu bleiben –, wo andere Urlaub machen: Denn als Einheimische kennt man Plätze an Kärntner Seen, in denen man sich zwischen Ausflügen abkühlen kann, ohne über einen "Hendlgrill" klettern zu müssen.

7.

Jenseits des Vertrauten

Von Franz Pototschnig

Kennen Sie diesen Satz? "Wir fahren nicht auf Urlaub, wir haben es eh’ daheim so schön." Aber fehlt dann nicht etwas im Leben? Der erste Cappuccino jenseits der Grenze zum Beispiel, am Strand spazieren, in den Gassen von fremdem Stimmengewirr umgeben sein, abends auf mittelalterlichen Plätzen sitzen, schauen, durchatmen. Und spüren, dass die biedere Welt daheim mit ihren kleinen und kleinlichen Sorgen nicht alles sein kann, dass die Welt groß und bunt und vielfältig ist. Vor vielen Jahren, auf der Fähre nach Korsika. Unsere Kinder saßen, klein und erschöpft von der achtstündigen Autofahrt, mit großen Augen auf dem Oberdeck und konnten sich nicht sattsehen an dieser fremden, exotischen Umgebung. Sie sogen den Lärm ein, atmeten den verwirrenden Geruchscocktail des Schiffes – und wurden infiziert von der Erkenntnis, dass es jenseits des Vertrauten eine andere, anregende und aufregende Welt gibt. Das ist Reisen. Auch wenn die Betten oft unbequemer sind als daheim.

6.

Entschleunigung

Von Ernst Sittinger

Wenn du schon zwei, drei Stunden im Sattel deines Mountainbikes sitzt und ebenso geduldig wie gottergeben die vor dir liegenden Höhenmeter frisst, gewöhnst du dich an die gleichförmige Geräuschkulisse der Natur, durchbrochen nur ab und zu vom leisen Ächzen deines Rades. Es kann aber vorkommen, dass du auf einmal von hinten etwas Neues hörst: ein hohes, anfangs dünnes Surren, eine leichte Brechung im Fahrtwind. Du weißt dann, dass deine Verfolger kommen. Sie werden dich unweigerlich schlucken, denn wären sie langsamer, hätten sie dich ja nicht eingeholt. Es bleibt dir dann immerhin die berechtigte Hoffnung, dass sie mit Stromunterstützung fahren, während dir ausschließlich dein eigener Bio-Motor (Marke Herz-Kreislauf) zu Gebote steht. In diesem Fall bist du der Held, obwohl du überholt wirst. Vor Jahren sagte eine junge Frau, als sie mich per E-Bike passierte: "Entschuldigung!" Eine solche gewährte ich gerne. Nicht immer im Leben gewinnen die Schnelleren.

5.

Rosso corsa

Von Katrin Fischer

Sieben Stunden Autofahrt, der Italienisch-Grundwortschatz im Gepäck: Dort, wo sich die Felswände im tiefblauen Wasser widerspiegeln, wartet der Sehnsuchtsort Nummer eins: Lago di Garda, der beste Appetitanreger für ausgehungerte Herzen. "Tranquillo, per favore", heißt es traditionell auf den letzten Metern. Mit Nachdruck verordnet die steile Westseite, die sogenannte Strada della Forra, absolute Gemütlichkeit. Denn die schönste Straße der Welt kratzt am Abgrund. Doch die Zitterpartie macht sich bezahlt. Focaccia, Ciabatta, Burrata, Aperol Spritz. Salute a tutti! Auf Gesundheit und Glück – den Rest können wir uns kaufen. G’schwind noch ein Gelato zum Beispiel. Der Ferrari unter den Eislutschern färbt den Mund rosso corsa, wie der Zungenvergleich zeigt. Zu den häufigsten körperlichen Nebenwirkungen gehören Herzerl in den Augen und Liebe im Bauch: Manchmal versteht dich die Welt um dich herum einfach besser als du sie – mit oder ohne Italienisch-Grundwortschatz.

4.

Vorsicht, Flugbetrieb!

Von Daniel Hadler

Sie sagen ja nichts. Kommen heim, wortlos, ohne Erklärung. Bloß ihre vollen, bunten Taschen verraten das Abenteuer, verraten die zuckersüßen Versuchungen, denen sie nicht widerstehen konnten. Unersättliche Kumpanen – oder soll ich sagen: Kumpaninnen? Mitunter haben sie sich derart mit Nektar vollgesogen, schwenken links, schwenken rechts, kaum noch in der Lage, auf dem schmalen Brett vor ihrem Hauseingang zu landen. Misslingt das Manöver, fallen sie ins Gras oder müssen abdrehen, einen weiteren Versuch starten. Zwischendurch drängt sich eine Drohne heraus. Schaut links, schaut rechts. Ist es wohl nicht zu kalt? Im Rummel des warmen Sommertages fliegt auch sie los. Hat sie Glück, kehrt sie nicht wieder, hat die Gnade des Liebestods. Bei Dämmerung schlüpfen die letzten Bienen zurück in den Stock, wo es wuselt. Immerzu wuselt. Nur der Imker wuselt nicht. Der steht bloß da und glaubt nicht daran, dass ihn dieses Schauspiel jemals loslassen wird.

3.

Flugstunden

Von Susanne Rakowitz

Es ist das einzig probate Mittel, um das Fernweh bis zum Urlaubsbeginn zu bekämpfen: Jenen zuschauen, die professionell um den eigenen Balkon fliegen. Da wären die Mitglieder der Grazer Mittelmeermöwen, die Narrenfreiheit genießen, weil sie wie fliegende Urlaubsgrüße von Sonne, Meer und blauem Himmel erzählen, obwohl sie mit Vorliebe zetern und kreischen. Das machen die Krähen zwar auch, aber für die Sonnenscheinrollen sind die Fürsten der Finsternis standardmäßig nicht vorgesehen. Vielleicht grummeln sie sich deshalb von einem Hausdach zum nächsten. Bei den Schwalben ist es unerklärlich, dass sie es alljährlich Tausende Kilometer ins Warme schaffen, denn die loopen sich ja mit kindlicher Begeisterung durch den Himmel wie die Quietschenten im Zirkus Luftikus. Nur bei den Spatzen, da kriegt man eine andere Form der Flugscham: Die donnern ungeniert und ohne Grandezza in die Thujen und hocken dort stundenlang nur herum. Die haben echt eine Meise.

2.

Lennon in Diùranais

Von Bernd Melichar

Es ist nicht das Ende der Welt, aber der letzte Zipfel meiner geliebten Insel. Kilometer lange, menschenleere Sandstrände, spektakuläre Klippenlandschaften, sattgrüne Wiesen mit unzähligen weißen Schaf-Tupfern; Bäume mit windschiefen Sturmfrisuren, dazwischen ebenso knorrige, aber freundliche Menschen, die eine seltsame Sprache sprechen, die einem nur entfernt bekannt vorkommt. Hier, im nördlichsten Eck Schottlands, liegt Diùranais, wie der 400-Seelen-Ort auf Gälisch heißt. John Lennon hat vermutlich Durness dazu gesagt. Bei seiner Tante Elisabeth Parkes hat der schmalgepickte Stadtbub aus Liverpool einige Kindheitssommer verbracht. Im verwitterten Gemeindezentrum von Durness erinnert ein kleiner Memorial-Garden an den berühmten "Sommerfrischler". Auf Steintafeln sind Zeilen aus dem Song "In My Life" zu lesen. Sie besagen, dass Erinnerungen an Orte und Plätze erst durch die Menschen darin an Wert und Bedeutung gewinnen.

1.

Man muss schon hin

Von Martin Gasser

Jeden Tag eine neue Stadt, jeden Tag ein neues Hotel. Eine Stadt schöner als die nächste und die Hotels – auch ok. Wer von Bozen nach Venedig radelt, hat ein paar Tage gut zu tun. Wobei die Tage an der frischen Luft von hochklassigem Sightseeing ergänzt werden. In Vicenza tragen sie stolz den Namen Andrea Palladios vor sich her. Der Renaissance-Architekt hat die Stadt mit Bauten förmlich überzogen, eines seiner Meisterwerke sieht von außen nach überhaupt nichts aus und offenbart innen nicht nur Pracht, sondern nährt den Verdacht, es könnte so etwas wie Vollkommenheit geben. Viel hat man vom Teatro Olimpico gehört. Begreifen kann man es, wenn man drinnen steht und das 450 Jahre alte Bühnenhaus und die seit der Eröffnung darin befindliche Kulissen bewundert. Der Geruch, das Licht, die Stille. Ein Ort, so vollgesogen mit Geschichten und Geschichte, dass einem schwindlig wird. Um das zu erleben, muss man schon hin. Vom Bücherlesen wird man klüger, aber nicht erfahrener.

Foto: Unspash/Sophie Backes

Video: Adobe Stock/vladstar