Hohes Haus
Ein detaillierter Blick in das österreichische Parlament
INFOGRAFIK. Das Parlament in Wien beherbergt den Bundes- und den Nationalrat. Nach rund 130 Jahren im Dauerbetrieb wurde das Parlamentsgebäude von 2017 bis 2022 umfassend saniert. Nach der Nationalratswahl 2024 ist es Arbeitsplatz für altbekannte und so manch neue Gesichter. Ein detaillierter Blick in das Herz der österreichischen Demokratie.
Von Günter Pichler und Silke Ulrich
Zwei Nationalratswahlen – 2017 und 2019 – fanden während der umfangreichen Sanierung des österreichischen Parlamentsgebäudes am Dr.-Karl-Renner-Ring im ersten Wiener Bezirk statt. Zweimal mussten die Parlamentarier deshalb zur konstituierenden Sitzung des Nationalrats im umbaubedingten Ausweichquartier in der Wiener Hofburg zusammentreten. Während des Umbaus tagte auch die zweite Parlamentskammer, der Bundesrat, in der Hofburg.
Erst Anfang 2023 kehrte das politische Leben wieder in das historische Parlamentsgebäude zurück, nachdem es vom Keller bis zum Dach generalsaniert und technisch auf den neuesten Stand gebracht worden war. Nach der Wahl am 29. September 2024 konstituierte sich am 24. Oktober – zur 28. Gesetzgebungsperiode – wieder ein Nationalrat in seinem angestammten Sitzungssaal im Parlamentsgebäude. Ein Überblick über das Hohe Haus.
517,5
Millionen Euro kostet das Gesamtprojekt Parlamentsrenovierung voraussichtlich laut Rechnungshof (Datenstand April 2024).
Daten und Fakten
Adresse:
Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1017 Wien
Telefon: (01) 401 100
Eröffnet: 1883
Architekt: Theophil Hansen
Baustile: Historismus bzw.
Neoklassizistische Architektur
Grundstückfläche: 20.142 m2
(entspricht in etwa der Fläche von drei Fußballfeldern)
Gebäudegrundfläche: 13.687 m2
Höhe: 33 m (höchster Punkt)
Länge*: 151,68 m (inkl. Rampe)
Breite*: 132,72 m
*Maße laut den Plänen von Theophil Hansen
Nationalratssitzungssaal
Hier halten die 183 Nationalratsabgeordneten ihre Sitzungen ab, debattieren und beschließen Gesetze. Im vorderen Bereich befindet sich die Regierungsbank mit dem Bundeskanzler, den Ministerinnen und Ministern sowie den Staatssekretärinnen und Staatssekretären.
Neue Glaskuppel
Die neue Glaskuppel gilt als ein Highlight des Bauwerks. Die Glaspaneele sind elektrochrom, ihre Lichtdurchlässigkeit kann gesteuert werden. Zuletzt musste bei der Akustik noch nachgebessert werden.
Plenarium
Hier können interessierte Besucherinnen und Besucher das parlamentarische Geschehen von oben beobachten.
Dachbereich
mit Multifunktionsräumen (mittig) und vier Terrassen an den Ecken.
Gastronomie
800 m2 Gastronomiefläche. Vor allem im neu ausgebauten Dachgeschoß werden sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch Gäste bewirtet.
Besucherzentrum
Das beim Umbau neu geschaffene „Demokratikum – Erlebnis Parlament“ gilt als Höhepunkt für Besucherinnen und Besucher bei den Parlamentsbesichtigungen.
Haupteingang
Er befindet sich hinter dem Pallas-Athene-Brunnen mit der berühmten gleichnamigen Statue an der Wiener Ringstraße. Die Göttin der Weisheit soll den Volksvertretern als Leitbild für ihre Entscheidungen dienen.
Bundesversammlungssaal (historischer Sitzungssaal)
Hier finden die Sitzungen der Bundesversammlung, wie z. B. Fest- und Gedenksitzungen, oder die Angelobung des Bundespräsidenten statt.
Vergleich
vorher-nachher
Ein Blick auf das Dach des Parlaments während der Bauarbeiten. Das grüne Kupferdach ist gut erkennbar.
Nachher
Statt Kupfer wurde nun Aluminium für das Dach verwendet. Weiters wurden begrünte Flächen und vier Terrassen geschaffen.
Links im Bild: die fertige Glaskuppel über dem Nationalratssitzungssaal.
Vorher
Aus einem leer stehenden Ziegelgewölbe direkt unter der Säulenhalle wurde die sogenannte Agora geschaffen.
Nachher
Die Agora ist das Herzstück des neu entstandenen Besucherzentrums "Demokratikum – Erlebnis Parlament".
Vorher
Die Parlamentsbibliothek ist die größte politische Fachbibliothek Österreichs.
Nachher
Nach der Modernisierung erscheint sie nun in neuem, aufgeräumtem Glanz.
Vorher
Im unausgebauten Dachboden befand sich einst die Haustechnik.
Nachher
Das neue Restaurant Kelsen bewirtet sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch externe Gäste. Benannt ist es nach Hans Kelsen, dem Schöpfer der Bundesverfassung.
Die aktuelle Zusammensetzung des Nationalrats
Der Nationalrat startete am 24. Oktober 2024 in eine neue, die insgesamt 28. Gesetzgebungsperiode. Zu Beginn der konstituierenden Sitzung wurden die 183 Abgeordneten angelobt. Rund ein Drittel der Mandatare sind Neulinge, wie beispielsweise SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler. Die Periode bringt nicht nur neue Kräfteverhältnisse, sondern auch eine neue Sitzordnung: Die erstarkte FPÖ wird mit der ÖVP Platz tauschen und damit vom Rednerpult aus gesehen ganz nach rechts außen rücken. Erstmals wurde mit Walter Rosenkranz ein Freiheitlicher zum Ersten Nationalratspräsidenten gewählt.
Rückblick auf die Periode 2019–2024 im Nationalrat
Die 27. Gesetzgebungsperiode begann am 23. Oktober 2019 und endete am 23. Oktober 2024, dauerte also 1828 Tage. ÖVP und Grüne waren nach der Nationalratswahl 2019 – sie erreichten eine Koalition eingegangen und erreichten eine Mehrheit von 97 der 183 Mandatare (und bildeten auch die Regierung). Das war die Sitzordnung der Periode 2019–2024:
Die Opposition setzte sich aus SPÖ, FPÖ und Neos zusammen. Mit Philippa Beck gab es zudem noch eine „wilde Abgeordnete“ (Abgeordnete ohne Klub). Die 27. Gesetzgebungsperiode war geprägt von der Coronapandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie der Teuerung. Es gab 26 Mandatswechsel bzw. Austritte von Mandataren (ÖVP: 9, SPÖ: 6, FPÖ: 5, Grüne: 4, Neos: 2).
1399
Stunden und 12 Minuten tagten die Abgeordneten in ihren 276 Plenarsitzungen insgesamt, das sind mehr als 58 Tage.
Die Abgeordneten beschlossen in rekordverdächtigen 276 Plenarsitzungen insgesamt 933 Gesetze, so viele wie zumindest seit den 1970er-Jahren nicht. 30,5 Prozent dieser Gesetzesbeschlüsse fielen einstimmig. Zudem fanden 1044 Ausschusssitzungen mit einer Dauer von 3239 Stunden statt, darunter vier Untersuchungsausschüsse (Ibiza, Cofag, „ÖVP-Korruption“, „Rot-Blauer Machtmissbrauch“) mit mehr als 1000 Stunden.
Die Geschichte des Parlaments
Im Lauf der Zeit wurden zahlreiche Veränderungen an dem denkmalgeschützten Gebäude vorgenommen. Ein wichtiges Anliegen war die räumlich-funktionale Optimierung.
2. September 1874
Grundsteinlegung
Architekt Theophil Hansen entwirft das Gebäude im Stil eines griechischen Tempels. Dieser verkörpert für ihn die Einheit von Freiheit und Gesetzmäßigkeit.
1883
Bezug
Das Abgeordnetenhaus nimmt 1883 seine Sitzungen auf, das Herrenhaus folgt 1884. In der Monarchie hat das Parlament aber wenig Macht.
Das Parlamentsgebäude um 1900
November 1918
Erste Republik
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wird das Gebäude zum Sitz der parlamentarischen Versammlungen der Republik Österreich.
Die Nationalversammlung tagt im ehemaligen Herrenhaus.
1945
Kriegsschäden
Während des Zweiten Weltkrieges wird mehr als die Hälfte der Bausubstanz vernichtet. Das Herrenhaus brennt vollkommen aus.
Max Fellerer und Eugen Wörle entwerfen einen neuen Saal.
Juni 1956
Wiedereröffnung
Das Gebäude wird mit Rücksicht auf das historische Original wiederaufgebaut und den modernen technischen Anforderungen angepasst. Das Parlament verfügt über ein Notstromaggregat, damit National- und Bundesrat auch im Krisenfall tagen können.
26. Oktober 2005
Offenes Haus
Der neu geschaffene Zentraleingang mit dem Besucherzentrum wird eröffnet. Dazu gehören neben einer Informationstheke auch ein kleines Café sowie ein Souvenir- und Büchershop. Hier starten die Parlamentsführungen. Neu gebaut wird auch ein eigenes ORF-TV-Studio.
Jänner 2014
Beschlussfassung
Die Präsidialkonferenz des Nationalrats beschließt einstimmig die umfassende Sanierung des Parlamentsgebäudes nach den Plänen des Generalplanerteams Jabornegg & Pálffy und Axis.
2017
Umzug und Bauarbeiten
Rund drei Jahre dauern Planung und Vorbereitungen, bis 2017 das Parlament in die Ersatzquartiere bei der Hofburg umziehen kann.
Von 2017 bis 2022 wird das alte Parlamentsgebäude saniert, umgebaut und modernisiert.
2022
Rückübersiedlung
Ende der Umbauarbeiten. Beginn der Rückübersiedlung aus dem Ausweichquartier.
Jänner 2023
Wiedereröffnung
Die offizielle Wiedereröffnung des „neuen“ Hohen Hauses findet am 12. Jänner mit einem Festakt statt. Am 14. und 15. Jänner gibt es zwei Tage der offenen Tür. Am 26. Jänner wird im erneuerten Bundesversammlungssaal die Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen durchgeführt.
Die Geschichte des Parlaments
Im Lauf der Zeit wurden zahlreiche Veränderungen an dem denkmalgeschützten Gebäude vorgenommen. Ein wichtiges Anliegen war die räumlich-funktionale Optimierung.
2. September 1874
Grundsteinlegung
Architekt Theophil Hansen entwirft das Gebäude im Stil eines griechischen Tempels. Dieser verkörpert für ihn die Einheit von Freiheit und Gesetzmäßigkeit.
1883
Bezug
Das Abgeordnetenhaus nimmt 1883 seine Sitzungen auf, das Herrenhaus folgt 1884. In der Monarchie hat das Parlament aber wenig Macht.
Das Parlamentsgebäude um 1900
November 1918
Erste Republik
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wird das Gebäude zum Sitz der parlamentarischen Versammlungen der Republik Österreich.
Die Nationalversammlung tagt im ehemaligen Herrenhaus.
1945
Kriegsschäden
Während des Zweiten Weltkrieges wird mehr als die Hälfte der Bausubstanz vernichtet. Das Herrenhaus brennt vollkommen aus.
Max Fellerer und Eugen Wörle entwerfen einen neuen Saal.
Juni 1956
Wiedereröffnung
Das Gebäude wird mit Rücksicht auf das historische Original wiederaufgebaut und den modernen technischen Anforderungen angepasst. Das Parlament verfügt über ein Notstromaggregat, damit National- und Bundesrat auch im Krisenfall tagen können.
26. Oktober 2005
Offenes Haus
Der neu geschaffene Zentraleingang mit dem Besucherzentrum wird eröffnet. Dazu gehören neben einer Informationstheke auch ein kleines Café sowie ein Souvenir- und Büchershop. Hier starten die Parlamentsführungen. Neu gebaut wird auch ein eigenes ORF-TV-Studio.
Jänner 2014
Beschlussfassung
Die Präsidialkonferenz des Nationalrats beschließt einstimmig die umfassende Sanierung des Parlamentsgebäudes nach den Plänen des Generalplanerteams Jabornegg & Pálffy und Axis.
2017
Umzug und Bauarbeiten
Rund drei Jahre dauern Planung und Vorbereitungen, bis 2017 das Parlament in die Ersatzquartiere bei der Hofburg umziehen kann.
Von 2017 bis 2022 wird das alte Parlamentsgebäude saniert, umgebaut und modernisiert.
2022
Rückübersiedlung
Ende der Umbauarbeiten. Beginn der Rückübersiedlung aus dem Ausweichquartier.
Jänner 2023
Wiedereröffnung
Die offizielle Wiedereröffnung des „neuen“ Hohen Hauses findet am 12. Jänner mit einem Festakt statt. Am 14. und 15. Jänner gibt es zwei Tage der offenen Tür. Am 26. Jänner wird im erneuerten Bundesversammlungssaal die Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen durchgeführt.
Hier können Sie die Infografik zur Wiedereröffnung des Parlaments als PDF herunterladen:
Quellen:
www.parlament.gv.at, https://sanierung.parlament.at, https://jabornegg-palffy.at, www.axis.at, APA, Kleine Zeitung
Fotos:
APA inkl. 3-D-Rendering (8), AdobeStock (1), Parlament (2), KK (2),
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