PANAMAKANAL IM FOKUS

Nadelöhr der Weltwirtschaft wird zum Politikum

INFOGRAFIK. Drohungen aus Washington und zu wenig Wasser: Auch wenn nicht alles schön ist in Panama, steht man entschlossen zum Kanal. Das Jahrhundertprojekt mit bewegter Geschichte ist weltpolitisch in den Fokus gerückt. Ein multimedialer Überblick.

Von David Knes und Günter Pichler

Gerade einmal 36 Cent betrug das Entgelt für den US-Amerikaner Richard Halliburton, um den Panamakanal im Jahr 1928 zu passieren. Es war die geringste Gebühr, die jemals an die Kanalbehörde entrichtet wurde. Der Abenteurer benötigte nämlich kein Schiff, er schwamm. Doch weil Behörden eben Behörden sind, genehmigte man dies nur unter der Bedingung, dass der 64-Kilo-Mann nach dem Schiffsmaß Tonnage vermessen und eingestuft wird.

Derselbe Ort, knapp ein Jahrhundert später. Mit brennenden US-Flaggen und jeder Menge wütender Sprechchöre empfangen Demonstranten den neuen US-Außenminister Marco Rubio bei seiner ersten Auslandsreise nicht gerade freundlich. Sein Chef, Donald Trump, ließ im Vorfeld wissen, dass die USA unter seiner Präsidentschaft Ansprüche auf den Kanal geltend machen würden, wenn nötig auch mit militärischem Druck.
Während die Demonstranten in dem 4,5-Millionen-Einwohner-Land ihre Kampfbereitschaft zur Verteidigung der Souveränität zum Ausdruck brachten, empfing ihr Staatschef José Raúl Mulino den Gesandten Rubio im Präsidentenpalast in Panama City. Die Aufregung ob dieses Gesprächs ist nachvollziehbar, geht es doch um nichts weniger als die Lebensader des kleinen zentralamerikanischen Landes.

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Wassermangel wird zum Problem

Dass Panama als Staat existiert, verdankt es dem Kanal, der globale Handelsrouten um mehrere Tausend Kilometer respektive mehrere Wochen verkürzt. 2024 passierten laut der Kanalbehörde ACP 210 Millionen Tonnen Fracht die 82 Kilometer. Das entspricht fünf Prozent des maritimen Welthandels. Für Panama ist der Kanal ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Doch der Betrieb gestaltet sich zunehmend schwierig. Wegen ausbleibender Niederschläge und sinkender Pegelstände wurde die Anzahl der garantierten täglichen Durchfahrten stark reduziert, lange Wartezeiten waren die Folge.

Dabei versucht man schon länger, das Problem in den Griff zu kriegen. Die seit 2016 eingesetzten neuen Schleusen sind mit Zusatzbecken ausgestattet, in die das Schleusenwasser gepumpt wird, um eine Wiederverwendung zu ermöglichen. Das Schleusensystem selbst benötigt keine Pumpe, um die Schiffe auf die Höhendifferenz von 26 Metern zu heben, das erledigt die Schwerkraft. Ein Aufforstungsprogramm und weitere Maßnahmen sollen die Wasserreservoirs in der Region entlasten, aus denen sich der Kanal speist. Das soll nicht nur den Betrieb des Kanals, sondern auch die Wasserversorgung Panamas für die nächsten 50 Jahre sichern.

Zentimeterarbeit: Die etwa zehnstündige Durchfahrt durch den 82 Kilometer langen Kanal erfordert speziell ausgebildetes Personal.

Zentimeterarbeit: Die etwa zehnstündige Durchfahrt durch den 82 Kilometer langen Kanal erfordert speziell ausgebildetes Personal.

Durchfahrt kostet

Dass der „Dealmaker“ Trump dem Staat Panama so viel Aufmerksamkeit schenkt, überrascht kaum: Drei Viertel des Warenverkehrs kommt aus den USA oder ist auf dem Weg dorthin. Panama würde die USA mit unfairen Gebühren betrügen, so der Vorwurf. In der Realität variieren die Kosten nach Größe, Art und Beladung eines Schiffes – nicht nach Herkunft. Zuletzt sind die Tarife aber deutlich gestiegen. Laut ACP wegen veränderter Nachfrage und notwendiger Investitionen. Für ein typisches Frachtschiff fallen durchschnittlich 600.000 US-Dollar an.

14.000

Schiffe passieren jährlich die Wasserstraße. Die Gebühren betragen etwa 72 USD pro Standardcontainer und 134 USD pro Passagierbett, zusätzlich fallen weitere Kosten an.

Donald Trump behauptete auch, die US-Marine würde rücksichtslos behandelt und China kontrolliere den Kanal de facto. In Wahrheit genießen US-Kriegsschiffe seit 1977 Priorität bei der Durchfahrt. In puncto China bezieht sich Trump wohl auf den Umstand, dass die in Hongkong ansässige „CK Hutchison Holdings“ seit 1997 zwei der fünf Häfen am Kanal betreiben und Investitionen in Infrastrukturprojekte. Trumps Vorwurf, wonach sich dort chinesische Truppen befänden, ist falsch. Die im Besitz des panamaischen Volkes befindliche ACP ist alleine für die Kanalverwaltung zuständig und dabei zur Neutralität verpflichtet.

Washingtons neue Extrempositionen dürften dazu dienen, Sonderkonditionen für die USA zu verhandeln. Erfolgreich? Laut Rubio, ja: Das Außenministerium erklärte, dass staatliche Schiffe der USA den Kanal nun gebührenfrei benutzen könnten. Die ACP musste prompt dementieren, man habe keine Änderungen an Gebühren oder Rechten zur Durchfahrt vorgenommen. Doch man sei zum Dialog bereit. Was vorerst bleibt: Verwirrung und Unsicherheit.

So verläuft der Panamakanal

Ein Schiff fährt von der Atlantik-Einfahrt bei Colón in den Panamakanal ein. Zunächst erreicht es die Gatún-Schleusen, wo es in drei Schleusenkammern schrittweise auf die Höhe des Gatúnsees (~26 m über dem Meeresspiegel) angehoben wird.

Nach den ersten Schleusen setzt das Schiff seine Fahrt über den Gatúnsee fort, der sich über eine Fläche von rund 430 Quadratkilometern erstreckt. Dieser künstlich angelegte See bildet mit 37 Kilometern den größten Teil der Kanalroute und wird vom Río Chagres mit Wasser versorgt. Während der Fahrt passiert das Schiff die Isla Barro Colorado, die heute ein Naturreservat ist.

Der Río Chagres ist die Hauptwasserquelle des Gatúnsees und damit essenziell für den Panamakanal. Sein Wasser wird durch den Madden-Damm im Alajuela-See gestaut, der als zusätzlicher Wasserspeicher dient. Diese Regulation sichert die Wasserversorgung der Schleusen und der umliegenden Regionen.

Nach der Überquerung des Gatúnsees erreicht das Schiff den Culebra Cut (Gaillard-Durchstich), eine schmale und kurvige Passage, die durch das Gebirge gesprengt wurde. Dies ist einer der technisch anspruchsvollsten Abschnitte des Kanals.

Danach gelangt das Schiff zu den Pedro-Miguel-Schleusen, wo es um etwa neun Meter auf das Niveau des Miraflores-Sees abgesenkt wird. Anschließend fährt es weiter zu den Miraflores-Schleusen, wo es in zwei Stufen auf Meereshöhe abgesenkt wird.

Nachdem das Schiff die Schleusen passiert hat, fährt es unter der Puente de las Américas hindurch und erreicht die Pazifik-Einfahrt bei Panama City, wo es den Kanal verlässt und in den Golf von Panama sowie den Pazifischen Ozean eintritt. Dieser Ablauf gilt für Schiffe, die vom Atlantik zum Pazifik fahren. In umgekehrter Richtung läuft der Prozess genau andersherum.

Die Brücke Puente de las Américas

Die Brücke Puente de las Américas

Das alte Schleusensystem im Detail

Das alte Schleusensystem, das noch heute für Panamax-Schiffe genutzt wird, besteht aus drei Hauptschleusen:

  • Gatún-Schleusen (3 Kammern) – auf der Atlantikseite
  • Pedro-Miguel-Schleuse (1 Kammer) – am Übergang zum künstlichen Miraflores-See
  • Miraflores-Schleusen (2 Kammern) – auf der Pazifikseite

Dieses System wurde 1914 in Betrieb genommen und basiert auf einem Stufenprinzip, das Schiffe über 26 Meter anhebt oder absenkt.

Ein Schiff fährt in die erste Schleusenkammer, wo es von Treidelbahnen („Mules“) stabilisiert wird. Sobald die hinteren Schleusentore geschlossen sind, strömt Wasser aus dem höher gelegenen Gatún-See durch unterirdische Kanäle in die Kammer, wodurch das Schiff angehoben wird. Ist das gewünschte Niveau erreicht, öffnen sich die vorderen Schleusentore, und das Schiff fährt in die nächste Kammer. Da das Wasser nur durch Schwerkraft bewegt wird, arbeitet das System energieeffizient. Allerdings ist es auf Panamax-Schiffe mit maximal 294 Metern Länge und 32,3 Metern Breite begrenzt.

Die Treidelbahnen am Panamakanal sind Lokomotiven, die Schiffe auf Schienen durch die Schleusen manövrieren und stabil halten, um Kollisionen zu verhindern.

Die Treidelbahnen am Panamakanal sind Lokomotiven, die Schiffe auf Schienen durch die Schleusen manövrieren und stabil halten, um Kollisionen zu verhindern.

Das neue Schleusensystem im Detail

Das neue Schleusensystem des Panamakanals, das 2016 mit den Agua-Clara-Schleusen auf der Atlantikseite und den Cocolí-Schleusen auf der Pazifikseite eröffnet wurde, ermöglicht die Passage größerer Neopanamax-Schiffe. Im Gegensatz zum alten System, das mit Schleusentoren in mehreren Stufen arbeitet, nutzt das neue System modernisierte Wassertanks zur Wiederverwendung des Wassers und größere, seitlich verschiebbare Schleusentore.

Der Ablauf beginnt mit der Einfahrt des Schiffes in die Schleusenkammer, wo es von Schleppern statt Treidelbahnen stabilisiert wird. Sobald die Kammer verschlossen ist, wird das Schiff entweder durch Wasserzulauf aus höher gelegenen Kammern angehoben oder durch kontrolliertes Ablassen des Wassers in die darunterliegenden Becken abgesenkt. Dabei ermöglichen drei riesige Wassersparbecken pro Kammer, dass etwa 60 % des Wassers wiederverwendet und nicht direkt ins Meer abgeleitet werden.

Das neue System ist energieeffizienter, umweltfreundlicher und für Schiffe mit bis zu 366 Metern Länge und 49 Metern Breite ausgelegt. Dadurch hat sich die Kapazität des Kanals erheblich erhöht, während der Wasserverbrauch im Vergleich zum alten Schleusensystem optimiert wurde.

Bei den neuen Schleusenanlagen wird das Wasser zur mehrmaligen Verwendung in Wasserbecken gesammelt und wiederverwendet.

Bei den neuen Schleusenanlagen wird das Wasser zur mehrmaligen Verwendung in Wasserbecken gesammelt und wiederverwendet.

Die Geschichte des Kanals

1876

Die konkrete Idee, einen Kanal zwischen Atlantik und Pazifik zu bauen, wurde in Frankreich nach dem finanziellen Erfolg des Suezkanals geboren. Dazu entstand 1876 in Paris die „Societe Civile Internationale du Canal Interoceanique“. Erste Überlegungen, die Landenge mit einem Kanal zu überwinden, reichen aber bis vor das 19. Jahrhundert zurück.

1881

Mit der „Wyse-Konzession“ der kolumbianischen Regierung begannen die Franzosen 1881 mit den Arbeiten am Panamakanal. Das Bild zeigt die Bauarbeiten um 1885.

1889

Die Arbeiten am Panamakanal wurden wegen Problemen mit Korruption, Planung sowie technischen und geologischen Schwierigkeiten eingestellt.

1894

Eine Auffanggesellschaft übernahm die Fortführung der Planungen.

1902

Die Auffanggesellschaft verkaufte den Gesamtkomplex inklusive der Wyse-Konzession für 40 Millionen USD an die USA. Der US-Senat stimmte dem Kanalbau auf dem Gebiet des damaligen Kolumbien an der engsten Stelle (Isthmus) Amerikas zu, doch Kolumbien verweigerte einen entsprechenden Vertrag mit den USA.

1903

Die USA besetzten das Gebiet und riefen den (zumindest formal) unabhängigen Staat Panama aus. Ein für unbestimmte Zeit gültiger Vertrag für die Nutzung einer Kanalzone unter US-Hoheit wurde im Anschluss unterfertigt. Den USA wurden in dem Vertrag, gegen ein einmaliges Entgelt von 10 Mio. USD und einer Jahrespacht von 250.000 USD, die Kontrolle über eine 10 Meilen (16 km) breite Kanalzone zum Schutz des Kanals eingeräumt.

1905–14

Während der Bauarbeiten von 1906 bis 1914 starben fast 6000 Arbeiter durch Unfälle und Krankheiten. Mit den Opfern der französischen Arbeiten forderte der Kanal insgesamt etwa 30.000 Menschenleben.

1914

Am 15. August 1914 passierte das erste Schiff die Wasserstraße vom Atlantik zum Pazifik. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges wurden die Eröffnungsfeierlichkeiten abgesagt.

1920

Am 12. Juli 1920 gab US-Präsident Woodrow Wilson die Wasserstraße für den Schiffsverkehr frei.

1935–64

Die Hoheit der USA über den Panamakanal und die Kanalzone nach Fertigstellung führte wiederholt zu Spannungen zwischen den USA und Panama.

1964

Wegen eines Flaggenstreits kam es zu schweren Auseinandersetzungen von Zivilisten und der US-Arme. Der Status der Kanalzone wurde daraufhin neu geregelt.

1977

US-Präsident Jimmy Carter und Panamas Staatschef Omar Torrijos unterzeichneten Verträge, aufgrund derer die Wasserstraße ab 2000 an Panama übergeben wird.

1999

Am 31. Dezember 1999 um 12 Uhr wurde der Kanal als „unveräußerliches Eigentum des panamaischen Volkes“ übergeben.

2007

2007 begann der Ausbau des Kanals: Verbreiterung und Vertiefung, Erneuerung und Vergrößerung der Schleusenkammern oder neue Schleusenanlagen und Zufahrtskanäle.

2016

Im Juni 2016 wurde der ausgebaute Panamakanal eröffnet. Damit können nun größere Schiffe mit bis zu 120.000 Tonnen Fracht, 366 Metern Länge, 49,1 Metern Breite und 15,2 Metern Tiefgang passieren.

2025

Der Panamalkanal wird wieder zum Politikum: US-Präsident Donald Trump hätte ihn gerne wieder zurück.

Es steht außer Frage,
dass der Kanal von
Panama betrieben wird
und dies auch weiterhin
der Fall sein wird.
José Raúl Mulino , Panamas Präsident
Es steht außer Frage,
dass der Kanal von
Panama betrieben wird
und dies auch weiterhin
der Fall sein wird.
José Raúl Mulino , Panamas Präsident

Hier können Sie die Infografik als PDF herunterladen:

Digitale Aufbereitung: Oliver Geyer

Gestaltung Zeitleiste: Florian Michael Schubert, Jonas Binder

Quellen: APA/dpa/Autoridad del Canal de Panama

Grafiken/Illustrationen: Fatima Al Masodi, Günter Pichler, AdobeStock (9)

Fotos: Adobe Stock (2), Imago Images/UIG (2), Imago Images/Depositphotos (3), Imago Images/United Archives International (2), Imago Images/Newscom World (3), Imago Images/Xinhua/Presidency of Panama

Videos: Ezequiel Alfonso/pexels.com, AdobeStock (2)