Kampf um die Ortskerne

Ideen gegen den Leerstand: So könnten die steirischen Innenstädte doch noch die Kurve kratzen

Hartberg

Judenburg

Bruck an der Mur

Liezen

Hartberg

Judenburg

Bruck an der Mur

Liezen

Verstaubte Schaufenster, verschlossene Türen, leidende Gebäudesubstanz: "Hartberg hat es wirklich schlimm erwischt", sagt Hannes Lindner vom Beratungsunternehmen "Standort + Markt".

Auch in Judenburg sind die Schaufenster verwaist und die Fassaden bröckeln vor sich hin. Von einem rund 250.000 Euro teuren Entwicklungskonzept, das bereits im Jahr 2004 aufgestellt wurde, blieb nicht viel mehr als zahlreiche Diskussionen.

Großbaustellen in der Stadt und neue, attraktive Einkaufsmöglichkeiten in Leoben und Kapfenberg/St. Lorenzen: Nach und nach mussten alteingesessene Handelsbetriebe in Bruck an der Mur zusperren. Auswärtige Handelsketten kamen – und zogen wieder weg. Zunächst florierte noch die Beiselszene. Aber auch das ist lange vorbei.

Unsere Innenstädte sind ausgeblutet. Doch was nun?

20 bis 30 Prozent

der innerstädtischen Handelsflächen in Hartberg stehen leer. Damit liegt die oststeirische Stadt im steirischen Spitzenfeld. Doch Hartberg ist nicht alleine: Von Liezen über Judenburg bis Bruck an der Mur kämpfen Stadtkerne ums Überleben. Die Regionalredaktionen der Kleinen Zeitung haben ausführlich berichtet – zu den einzelnen Analysen gelangen Sie über die Karte.

Hannes Lindner, "Standard + Markt"

Hannes Lindner, "Standard + Markt"

Hauptschuld daran tragen laut Hannes Lindner vom Beratungsunternehmen "Standort + Markt" die ohne Auto kaum erreichbaren Einkaufszentren an den Stadträndern, genehmigt meist vor Jahrzehnten. "Jetzt sind die Strukturen wie sie sind, der Beton ist hart", sagt Lindner. Nun gehe es darum, die Leerflächen anderwärtig zu beleben, damit sich der Leerstand nicht verfestigt.

Wollen wir also unsere Innenstädte retten? "Wenn ja, müssen Stadtverantwortliche, Bewohner und Hausbesitzer jetzt entschlossen und tabulos ans Werk gehen. Mit guten Ideen und dem Willen, wirklich etwas zu verändern", schreibt Kleine Zeitung-Regionalchef Thomas Pilch in seinem Kommentar. Was gilt es zu tun? Wir haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, aufgerufen, Ideen zur Ortskernbelebung einzureichen und zu Diskussionen in den betroffenen Städten geladen. Zahlreiche gute Vorschläge sind eingetrudelt. Ein Überblick.

Ihre Vorschläge für die Stadt Liezen

Diskussion in Liezen

Diskussion in Liezen

Klare Entwicklungsperspektive definieren und mittels langfristiger Raumplanung verfolgen: Umfahrung zur Verkehrsberuhigung und besserer Verbindung des Südens (ELI/Bahnhof) mit der Innenstadt; Aufenthaltsqualität erhöhen bzw. überhaupt herstellen und die wenigen noch existierenden Innenstadtgeschäfte mittels Leitsystem (ähnlich wie in einem Einkaufszentrum) besonders für Fußgeher besser ausschildern und so attraktiver machen.

Bestehende Betriebe aus Handel, Handwerk/Gewerbe, Dienstleistungen und Gastronomie über innovative, digitale Wirtschafts- und Einkaufsportale vernetzen, sichtbar machen und so Neukunden und mehr Umsatz ermöglichen. Ergänzend soll ein Concept.Store als kooperative Ausstellungsfläche von Highlightprodukten der Händler für ein besonderes Einkaufserlebnis sorgen und Frequenzsteigerungen an einer strategischen Innenstadtlage ermöglichen.

Ortskern sollte grüner gestaltet werden, mit Parks, Bäumen und Sitzplätzen. Innenstadt sollte wieder Wohlfühloase werden. Auch braucht es Spielplätze, Tischtennisplatten und Lokale/Vereinshäuser, wo man sich sportlich betätigen und austauschen kann. Auch "gesponserte Bühnen" oder Pop-up-Lokale für aufstrebende Künstler. Statt "Ich muss in das Zentrum einkaufen gehen" soll es in Richtung "Ich will in meiner Stadt was erleben" gehen. Das Ganze sollte durch Bürgerbeteiligungen gestützt werden.

Ihre Vorschläge für die Stadt Hartberg

Diskussion in Hartberg

Diskussion in Hartberg

Lokaleigentümer und Stadt sollen Handelsketten aus dem Einkaufszentrum motivieren, gemeinsam Ableger in der Innenstadt zu betreiben. Förderungen sind dafür anzudenken. Belieferung und Online-Bestellungen von Shop und Ableger könnten gemeinsam organisiert werden, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Mitarbeiter könnten an beiden Standorten eingesetzt werden, was eine flexiblere Personalsituation ermöglicht. Die Innenstadt wäre attraktiver und das Stadtbild bliebe – anders als bei einer Umwandlung der Geschäfte in Wohnräume – erhalten.

Toll wäre ein großes Eltern-Kind-Zentrum mit eigener Gastro, Indoor-Spielplatz, Ordinationsräumlichkeiten von Therapeuten, einem großen Turnsaal, in dem regelmäßig verschiedene Angebote stattfinden könnten, sowie stundenweise Kinderbetreuung. Dadurch könnten Eltern in der Innenstadt etwa Arzttermine oder Ähnliches problemlos wahrnehmen. Es wäre ein toller Ort, wo Eltern und Kinder sich austauschen können.

Langfristig Wohnungen etablieren, speziell für Junge. Mittelfristig besondere Urlaubsorte in der Altstadt schaffen, vermarktet über booking.com, Airbnb und Co. Kurzfristig Ateliers einrichten, wo Passanten Künstler beobachten können. Vereine in Schaufenster-Flächen unterbringen, um ihre Angebote sichtbarer zu machen. Einen "Stadtweg" gestalten, der das Projekt "Stadt.Land.Garten" in den Schaufenstern präsentiert. Um Hauseigentümer zu motivieren, könnte die Stadt kostenlose Beratung anbieten.

Ihre Vorschläge für die Stadt Judenburg

Diskussion in Judenburg

Diskussion in Judenburg

Den Vorplatz des Stadtmuseums bzw. der Bibliothek besser nutzen, zum Beispiel ein Bibliothekscafé eröffnen, wo man auch draußen sitzen kann. Das ist so ein schöner Fleck in Judenburg, der überhaupt nicht genutzt wird. Es wäre dort windgeschützt und abends herrscht ein tolles Ambiente.

Man sollte moderne, zeitgerechte Treffpunkte entstehen lassen, wo sich jedermann wohlfühlt.

Rückbau der Geschäftslokale und Fassaden in kleinteilige Strukturen. Ansiedlung von Büros und Kleinunternehmen des täglichen Bedarfs, keine Großkonzerne. Auch ein Ärztezentrum kann nicht im Gewerbegebiet angesiedelt werden, stattdessen einzelne Ärzte in der Innenstadt verteilen. Tiefgarage und Parkplätze überarbeiten, um die fußläufige Erreichbarkeit zu sichern. Initiative zum Konsum in der Stadt. Junge Leute motivieren und den alten Stadthausbesitzern und -besitzerinnen Möglichkeiten aufzeigen und sie in die Pflicht nehmen.

Ihre Vorschläge für die Stadt Bruck an der Mur

Diskussion in Bruck

Diskussion in Bruck

Mehr Grün auf dem Hauptplatz, ein besseres Leerflächenmanagement samt "Kümmerer", temporäre Bespielung der leeren Handelsflächen im Erdgeschoß.

Miteinander zu reden, verbindet. In Liezen, Bruck, Judenburg und Hartberg kamen auf Einladung der Kleinen Zeitung Politiker, Unternehmer und Bürger zusammen, um das Schicksal ihrer Innenstädte zu diskutieren.

Und jetzt?

KOMMENTAR. Was sich bei den Begegnungen gezeigt hat: Das Feuer der Emotion lodert. Es ist den Menschen ganz offensichtlich nicht egal, ob ihre Stadtkerne sterben oder leben. Der Hauptplatz, immer noch Herz der Stadt.

Jetzt mag man einwenden, dass das Einkaufsverhalten eine andere Geschichte erzählt. Geschenkt. Ebenso der Streit, ob Einkaufszentren den Bedürfnissen der Kunden folgen oder umgekehrt. Eine Henne-Ei-Debatte, die noch keinen einzigen Leerstand verhindert hat.

Eine Henne-Ei-Debatte hat noch keinen einzigen Leerstand verhindert.
Thomas Pilch, Kleine Zeitung-Regionalchef

Stadtentwicklung ist ein Marathon und da gilt es jetzt dranzubleiben. Am Zug sind nun die Stadtpolitiker, denn aus der Emotion der Menschen, gepaart mit den vielen Ideen, die zuletzt für die Stadtkerne aufgewirbelt worden sind, lässt sich durchaus etwas machen.

Man darf gespannt sein, wie ernsthaft und nachhaltig das Thema fortan in den Sitzungen der Gemeinderäte aufschlägt.

Die Kleine Zeitung wird ein Auge drauf haben.

Fotos: Regionalredaktionen

Digitale Aufbereitung: Jonas Binder