BIOSPHÄRENPARK MUR-DRAU-DONAU

EU-Millionen sollen den Amazonas Europas beleben

Der Amazonas Europas liegt auch in der Steiermark: Der Biosphärenpark Mur-Drau-Donau ist weltweit einzigartig. Ein riesiges Renaturierungsprojekt soll die Zukunft des Gebiets sichern. Doch noch ist unklar, wie diese Zukunft aussehen wird und es gibt auch kritische Stimmen.

Von Thomas Macher

Wenn Dietmar Tschiggerl über den Auwald seiner Heimatgemeinde spricht, wird der bald 60-jährige Bürgermeister wieder kurz zum Kind: "Ich bin dort aufgewachsen. Für uns Kinder war das wie eine Parklandschaft. Es ist einzigartig, was dort erhalten wurde, und bietet eine große Chance. Zugleich möchte ich diesen Schatz eigentlich mit niemandem teilen", sagt der ÖVP-Gemeindechef von Halbenrain.

Dietmar Tschiggerl, Bürgermeister von Halbenrain

Dietmar Tschiggerl, Bürgermeister von Halbenrain

Der Naturschatz des Bürgermeisters war lange vergessen, dann wild umkämpft und bis heute ist sein Wert für viele schwer zu ermessen: Der Amazonas Europas erstreckt sich auf 9300 Quadratkilometer (km²) über drei Flüsse und fünf Länder – von der südlichen Steiermark bis nach Serbien. In diesem riesigen Biosphärenpark Mur-Drau-Donau liegen – im Großen wie im Kleinen – die Konfliktlinien zwischen Umweltschutz und erneuerbarer Energiegewinnung; zwischen der Nutzung der Natur und ihrem Schutz.

Ein Millionen-Projekt im Rahmen des EU-Life-Programms soll helfen, die Einzigartigkeit der Auwälder, Flüsse und bedrohten Fisch- und Vogelarten zu erhalten. Doch ob es Erfolg hat, hängt zuallererst von den Menschen ab, die wie Tschiggerl hier leben – den Bewohnern des Amazonas.

Der rund 9300 km² große  Biosphärenpark  entlang von 700 Kilometern der Flüsse Mur, Drau und Donau erstreckt sich über fünf Länder: von Österreich, Slowenien, Ungarn und Kroatien bis nach Serbien.

Das europaweit größte Flussschutzgebiet ist in verschiedene Zonen unterteilt. Die 900 km² große  Kernzone  (10 Prozent des Gebiets) dient dem klassischen Naturschutz und soll naturnahe Lebensräume erhalten. Menschliche Eingriffe sind nur stark begrenzt erlaubt. Die daran anschließende 1800 km² große  Pufferzone  (20 Prozent) gestattet umweltverträgliche Nutzungen wie Land- und Forstwirtschaft oder Tourismus. Sie ist wiederum von einer 6600 km² großen  Übergangszone  (70 Prozent) umgeben, in der etwa 900.000 Menschen leben.

Der österreichische Abschnitt des Biosphärenparks liegt an einem 34 Kilometer langen Stück der Mur im südsteirischen unteren Murtal. In der Steiermark werden im Biosphärenpark im Rahmen des EU-Life-Programms drei Projekte umgesetzt.

MühlbachDer künstlich angelegte, 22 Kilometer lange Mühlbach verlandet bei Niedrigwasser der Mur im Einlaufbereich immer wieder. Der Bereich soll daher baulich verändert werden, wodurch mehr Wasser in die Auen entlang des Bachs fließen und sich so die Grundwassersituation verbessern soll. Die Maßnahme kostet rund 380.000 Euro.

SulzbachUm etwa 900.000 Euro wird die Mündung des Sulzbachs erweitert. Dazu wird die Ufersicherung auf 400 Metern entfernt und zusammen mit einem Weg ins Hinterland verlegt. So sollen Lebensräume verbessert werden und neue Erosionsufer entstehen. Auch die Wasserdynamik zwischen Fluss und Auen soll optimiert werden, was sich positiv auf die Grundwassersituation auswirkt. Insgesamt werden 16.500 Quadratmeter (m²) Grundfläche benötigt – mit den Grundeigentümern wird noch verhandelt.

Drauchenbach Wasser vom Drauchenbach soll von der bestehenden Mündung in die Mur in einen ehemaligen Nebenfluss (Warme Lahn) umgeleitet werden, der dann wieder in die Mur mündet. Dieser neue Verlauf muss reaktiviert (gegraben) werden. Mit der dadurch verlängerten Mündungsstrecke sollen wieder eine natürlichere Flussdynamik und eine neue Fischpassage geschaffen werden. Auch positive Auswirkungen auf die Grundwassersituation werden erwartet. Projektkosten: etwa 490.000 Euro. Bezüglich der benötigten Grundstücke (21.300 m²) wird ebenfalls noch mit den Eigentümern verhandelt.

Die steirischen Vorhaben sind jedoch nur drei von insgesamt 29 Projekten, die entlang der drei Flüsse Mur, Drau und Donau umgesetzt werden sollen.

Der rund 9300 km² große  Biosphärenpark  entlang von 700 Kilometern der Flüsse Mur, Drau und Donau erstreckt sich über fünf Länder: von Österreich, Slowenien, Ungarn und Kroatien bis nach Serbien.

Das europaweit größte Flussschutzgebiet ist in verschiedene Zonen unterteilt. Die 900 km² große  Kernzone  (10 Prozent des Gebiets) dient dem klassischen Naturschutz und soll naturnahe Lebensräume erhalten. Menschliche Eingriffe sind nur stark begrenzt erlaubt. Die daran anschließende 1800 km² große  Pufferzone  (20 Prozent) gestattet umweltverträgliche Nutzungen wie Land- und Forstwirtschaft oder Tourismus. Sie ist wiederum von einer 6600 km² großen  Übergangszone  (70 Prozent) umgeben, in der etwa 900.000 Menschen leben.

Der österreichische Abschnitt des Biosphärenparks liegt an einem 34 Kilometer langen Stück der Mur im südsteirischen unteren Murtal. In der Steiermark werden im Biosphärenpark im Rahmen des EU-Life-Programms drei Projekte umgesetzt.

MühlbachDer künstlich angelegte, 22 Kilometer lange Mühlbach verlandet bei Niedrigwasser der Mur im Einlaufbereich immer wieder. Der Bereich soll daher baulich verändert werden, wodurch mehr Wasser in die Auen entlang des Bachs fließen und sich so die Grundwassersituation verbessern soll. Die Maßnahme kostet rund 380.000 Euro.

SulzbachUm etwa 900.000 Euro wird die Mündung des Sulzbachs erweitert. Dazu wird die Ufersicherung auf 400 Metern entfernt und zusammen mit einem Weg ins Hinterland verlegt. So sollen Lebensräume verbessert werden und neue Erosionsufer entstehen. Auch die Wasserdynamik zwischen Fluss und Auen soll optimiert werden, was sich positiv auf die Grundwassersituation auswirkt. Insgesamt werden 16.500 Quadratmeter (m²) Grundfläche benötigt – mit den Grundeigentümern wird noch verhandelt.

Drauchenbach Wasser vom Drauchenbach soll von der bestehenden Mündung in die Mur in einen ehemaligen Nebenfluss (Warme Lahn) umgeleitet werden, der dann wieder in die Mur mündet. Dieser neue Verlauf muss reaktiviert (gegraben) werden. Mit der dadurch verlängerten Mündungsstrecke sollen wieder eine natürlichere Flussdynamik und eine neue Fischpassage geschaffen werden. Auch positive Auswirkungen auf die Grundwassersituation werden erwartet. Projektkosten: etwa 490.000 Euro. Bezüglich der benötigten Grundstücke (21.300 m²) wird ebenfalls noch mit den Eigentümern verhandelt.

Die steirischen Vorhaben sind jedoch nur drei von insgesamt 29 Projekten, die entlang der drei Flüsse Mur, Drau und Donau umgesetzt werden sollen.

Der Rückbau einer "Wasserautobahn"

"Das Life-Projekt ist 20 Millionen Euro schwer und erstreckt sich über fünf Länder: Das ist eine Riesensache – auch für die EU. Sie hat starkes Interesse daran, dass große Revitalisierungen umgesetzt werden", sagt Arno Mohl vom WWF Österreich, dem Projektträger.

Im Biosphärenpark liegen die größten zusammenhängenden Auwälder im gesamten Donau-Raum, erklärt Mohl: "Diese Überschwemmungswälder sind extrem selten geworden. Durch Eindämmungen und Wasserkraft wurde da viel zerstört. 80 Prozent der ursprünglichen Auwälder im Donauraum sind schon verschwunden. Die verbliebenen 20 Prozent sind äußerst wertvoll. Das Projekt zielt darauf ab, sie nicht nur zu schützen, sondern ihre ökologische Qualität zu verbessern."

Die Lebensadern der Wälder sind die Flüsse: Sie müssen über die Ufer treten und die Wälder mit Wasser versorgen können. "Aber die Mur zum Beispiel gleicht leider vielfach einer Wasserautobahn. Der Flusslauf ist begradigt. Das ist das Hauptproblem, das Flussbett senkt sich und dadurch auch der Wasserstand. Die Au wird dadurch weniger oft mit Wasser versorgt", erklärt Mohl. Trocknen die Auwälder immer mehr aus, verschwinden die Eichen, Eschen und Pappeln auf lange Sicht.

Arno Mohl vom WWF Österreich leitet das Mur-Drau-Donau-Programm

Arno Mohl vom WWF Österreich leitet das Mur-Drau-Donau-Programm

Durch das Life-Projekt sollen in den kommenden fünf Jahren Seitenarme angebunden werden, damit wieder Wasser in die Auwälder kommt, der Auwald stärker mit dem Fluss vernetzt wird und mehr Schotterbänke an den Flüssen entstehen. Das hilft auch Flussfischen, die auf den Bänken laichen können oder Vögeln, die dort brüten.

Über das Renaturierungsprojekt

Das Renaturierungsprojekt des EU-Life-Programms im Biosphärenpark Mur-Drau-Donau hat im Oktober begonnen und soll fünf Jahre dauern. Koordiniert wird es von WWF Österreich. Es umfasst 29 Einzelprojekte; drei davon in der Steiermark. Beteiligt sind 17 Partner aus fünf Ländern; darunter das Land Steiermark und das Regionalmanagement Südoststeiermark. Das Budget beträgt um die 20 Millionen Euro. Das Projekt wird von der EU zu 67 Prozent kofinanziert. Das Budget der steirischen Landesabteilung 14 (Wasserwirtschaft) liegt bei zwei Millionen Euro. 

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Arno Mohl betont, wie beispiellos der Park und das Projekt sind: "Es gibt keinen Biosphärenpark weltweit, der fünf Länder umfasst und es gibt in Europa kein zusammenhängendes Flusssystem in dieser Größe. Das war auch ein Grund, warum die EU dieses Life-Projekt genehmigt hat. Auch für die Unesco ist das ein globales Beispielprojekt, wie man grenzüberschreitend eine gemeinsame Vision umsetzen kann."

Doch nicht überall in der Region wird diese Vision derart begeistert geteilt. "Der Park bietet sicher Chancen für die Region. Aber ich verstehe nicht, warum auch eine sanfte Nutzung der Wasserkraft dort nicht möglich sein soll", sagt Klaus Strein (ÖVP), der Bürgermeister von Mureck. 

Der Murecker Bürgermeister Klaus Strein wünscht sich, dass das Gebiet auch für Wasserkraft genutzt werden kann

Der Murecker Bürgermeister Klaus Strein wünscht sich, dass das Gebiet auch für Wasserkraft genutzt werden kann

Solche kritischen Stimmen haben sich in der umkämpften Geschichte des Biosphärenparks immer wieder gemeldet. Bewahrt vor allzu großen Eingriffen hatte die Region lange eine politische Eiszeit: Große Teile des heutigen Parks lagen entlang der Trennlinie zwischen West- und Osteuropa. In den Jahrzehnten nach der Öffnung wurden dann aber immer wieder Kraftwerksprojekte angedacht. Zumindest auf steirischer Seite dürften solche Pläne nun wohl länger in Schubladen verschwinden. Das steirische Biosphärenparkgesetz wurde im Vorjahr beschlossen: "Die Errichtung von Solarkraftwerken, Windkraftanlagen und Wasserkraftanlagen ist unzulässig", steht dort.

"Ohne den Biosphärenpark können wir einpacken"

"Es ist wichtig, solche naturzerstörerischen Projekte zu verhindern, aber es ist genauso wichtig, andere Entwicklungsmöglichkeit aufzuzeigen. Der Biosphärenpark ist keine Käseglocke", sagt Arno Mohl vom WWF. Als Beispiel nennt er den "Amazon of Europe Bike Trail"; ein Radweg entlang der Aulandschaft, der über fünf Länder führt. "Das ist sanfter Tourismus, von dem etwa die Betriebe entlang der Flüsse profitieren", sagt Mohl.

Die Landtagsabgeordnete Julia Majcan (ÖVP) verweist auf EU-Förderungen etwa durch das Interreg-Programm, das regionale Entwicklung vorantreibt: "Durch den Biosphärenpark können wir solche Mittel abholen. Dadurch können in der Region Jobs entstehen", sagt Majcan, die in Bad Radkersburg aufgewachsen ist und sich stark für den Biosphärenpark einsetzt.

ÖVP-Landtagsabgeordnete Julia Majcan ist in Bad Radkersburg aufgewachsen

ÖVP-Landtagsabgeordnete Julia Majcan ist in Bad Radkersburg aufgewachsen

Sie vergleicht den Park mit einem Rohdiamanten, der nun geschliffen werden muss: "Wir sind noch ganz am Beginn. Jetzt müssen wir die Bevölkerung mitnehmen. Es ist klar: Das ist die Lebensader Mitteleuropas, ohne die können wir einpacken. Aber alles muss im Einklang von Mensch und Natur passieren." Der Amazonas Europas ist ein Naturschatz – doch was aus ihm wird, liegt wie seit jeher und jetzt noch mehr in den Händen und Köpfen seiner Bewohner.

Transparenz-Hinweis

Dieses Dossier entstand im Rahmen eines Workshops des forum journalismus und medien wien (fjum). Teil davon war eine Reise nach Brüssel, die vom Europäischen Ausschuss der Regionen finanziert wurde.

Digitale Aufbereitung: Jonas Binder

Karte: Flourish/Open Streetmap, WWF

Mur-Grafik: Eva Wabscheg, schematische Darstellung nach Ulrich Schwarz "River Training structures and historical mapping"

Video: IRSNC

Fotos: KLZ/Julia Schuster, Privat, KLZ/Walter Schmidbauer, WWF/Sonja Lindberg, WWF/Goran Safarek (6), WWF/Mario Romulic (2), KLZ/Anton Vorauer