Magazin

50 Köpfe,

die die Mobilität
veränderten

MOBILITÄTSMAGAZIN. Menschen, die unsere Mobilität geprägt haben und immer noch prägen – eine Auswahl der legendärsten Köpfe aus der Geschichte und der Gegenwart.

Von Didi Hubmann
didi.hubmann@kleinezeitung.at

Wir waren ungerecht, um ehrlich zu sein. Die ganze Geschichte der Mobilität in 50 Menschenporträts
zu komprimieren, ist eine Aufgabe, an der man scheitern muss. Wir hätten locker 100 Köpfe auf die Liste setzen können. Stattdessen haben wir bewusst die Wahl eingeengt und in unserer 50er-Liste die großen Persönlichkeiten der Vergangenheit ausgewählt und jene Köpfe der Gegenwart nominiert, die uns in Zukunft bewegen werden.

Das Erstaunliche dabei sind die Schnittstellen, die sich ergeben. Die großen Köpfe der Vergangenheit wie Ferdinand Porsche, Carl Benz, Laurin & Klement kamen aus keiner Mobilitätsmonokultur; sie arbeiteten an einer Vielzahl von Mobilitätsideen. Die heutigen großen Köpfe wie Stefan Pierer oder Akio Toyoda, um nur zwei Beispiele zu nennen, denken genauso vielschichtig. Es geht um Mobilitätsplattformen, verschiedene Antriebe, autonome Fahrzeuge und wie man unterschiedliche Fortbewegungsmittel mitsamt Auto und Zweirad unter einen Hut oder auf eine App bekommt. Alles ist in Bewegung geraten. Das macht die Mobilität heute so spannend, bei all den Diskussionen, die wir noch führen müssen.

EIN LEBEN AUF DER ÜBERHOLSPUR

Ein Mann geht seinen Weg: KTM-Boss Stefan Pierer dreht gnadenlos am Gasgriff und macht auch in der Autoszene von sich reden – so eroberte der gebürtige Steirer die Motorrad-Welt.

Von Gerhard Nöhrer

Stefan Pierer, 1956 geboren, lenkte in Jugendtagen forsch eine KTM Comet, was ein Hinweis auf die spätere Berufung sein könnte. Sein erster Job hatte mit Mobilität allerdings wenig zu tun. 1982 heuerte Pierer als Vertriebsassistent bei der Heizkesselfirma Hoval in Oberösterreich an, wo der Absolvent der Montanuniversität Leoben offensichtlich wesentliche Leute kennenlernte, mit denen er fünf Jahre später mit der Cross Holding den Einstieg in die unternehmerische Karriere wagte.

Auf den Radarschirmen der Wirtschaftsjournalisten tauchte Pierer 1991 auf, als er eine insolvente Motorradmarke übernahm, die er ursprünglich nur restrukturieren und dann weitergeben wollte. Wovon ihn zwei seiner heute engsten Freunde – Heinz Kinigadner und Gerald Kiska – abhielten. Pierer: „Wir haben damals die klassische Phönix-aus-der-Asche-Geschichte geschrieben, mit 160 Mitarbeitern und ein paar tausend Motorrädern.“ Im Vorjahr verkaufte die Pierer Mobility, in der alle Zweiradmarken inklusive E-Bikes gebündelt sind, 381.555 Motorräder der Marken KTM, Husqvarna und GASGAS sowie 157.358 Fahrräder, davon 100.640 E-Bikes.

Heute ist der aus dem obersteirischen 400-Seelen-Dorf Etmißl stammende Diplomingenieur der wohl kraftvollste und einflussreichste Industrielle Österreichs. Dass er eine der erfolgreichsten Unternehmerstorys der Zweiten Republik geschrieben hat, ist unbestritten. In seinem weitverzweigten Wirtschaftsimperium beschäftigt er weltweit 120.000 Mitarbeiter und setzt mit seinen Unternehmen rund acht Milliarden Euro um. Erst kürzlich einverleibte er sich den Zuliefer-Riesen Leoni, ein weiterer Coup ist in der Finalisierungsphase.

STEFAN PIERER
(geb. 25. November 1956 in Bruck an der Mur), Absolvent der Montanuniversität Leoben, baute ein Mobilitätsimperium auf. In seinem weitverzweigten Wirtschaftsimperium beschäftigt er weltweit 120.000 Mitarbeiter und setzt mit seinen Unternehmen rund acht Milliarden Euro um. Erst kürzlich übernahm er den Zuliefer-Riesen Leoni. Pierer hat Partner in Indien und China. Und baut in Graz sein Auto, das Supercar X-Bow und dessen Derivate. Sein Unternehmen ist der größte Motorradhersteller Europas.

Seit zehn Jahren eilt Pierer mit seinen Marken bei Absatz, Umsatz und Gewinn von Rekord zu Rekord und wächst zweistellig, der aktuelle Zweirad-Boom beflügelt das Geschäft. Wachstums- und Innovationstreiber zugleich ist dabei der Rennsport, dem sich Pierer seit 20 Jahren verschrieben hat und über den sich die Marke definiert. Der Slogan „Ready to Race“ ist der Kampfschrei der markanten orangefarbenen Marke, die jede Herausforderung annimmt. Mit dem Zugpferd KTM dominiert Pierer seit zehn Jahren die Offroad-Szene und hat dort von der Rallye Dakar bis zur Motocross-WM alles gewonnen. Mit dem Einstieg in den Straßen- und Rundstreckenrennsport machte Pierer den nächsten großen Satz nach vorne: Dort ist man seit Jahren siegfähig. Heuer greift man nach dem WM-Titel in der Königsdisziplin, der MotoGP.

Längst ist KTM eine Weltmarke wie Red Bull, die Marke ist Kult, wird global verkauft: USA, Südamerika, China, Indien. Dort sitzt auch sein starker Partner Bajaj, der sich für Pierer als Glücksfall erwies. Schon vor zehn Jahren zog KTM an BMW vorbei und ist Europas größter Motorradhersteller. Klar will der rastlose Herrscher von Mattighofen mehr, Pierer möchte aufs Stockerl, die Nummer drei der Welt werden. Im Windschatten von Kawasaki ist man schon.

Die Vision vom leistungslosen Wohlstand wird uns nicht aus dieser Krise herausführen.
Stefan Pierer, Eigentümer und Chef der Pierer Mobility

Pierer denkt groß und handelt schnell. Der Steirer trifft Entscheidungen mit Emotion, oft zum Schrecken seiner Führungscrew. Mutige, überraschende Projekt sind sein Ding: Der Einstieg in das Autogeschäft vor 15 Jahren war ein Riesenkracher, bei der Weltpremiere des spektakulären Sportwagens X-Bow am Genfer Salon stand der internationale Autoadel Spalier. Selbst als Pierer unmittelbar danach die volle Wucht der Wirtschaftskrise zu spüren bekam, bereute er sein Prestigeprojekt auf vier Rädern keine Sekunde: „Wir haben enorm viel gelernt dabei.“ Unter dem Motto „Aufgegeben wird ein Brief“ hält Pierer an seinen radikalen Supercars fest. Die Manufaktur steht in Graz: KTM ist mittlerweile der größte Kleinserienhersteller der Welt.

Pierer zählt zu jenen Köpfen, die beide Welten kennen, in der Branche ist er hoch angesehen. Im Vorjahr erfolgte der endgültige Ritterschlag: Bernd Pischetsrieder holte als Aufsichtsratsvorsitzender der Daimler AG den KTM-Lenker in das Kontrollorgan von Mercedes. Dort ist Pierer nach dem Ausscheiden von Pischetsrieder jetzt der einzige Automann: Das Wort des Sterndeuters aus Österreicher wird dort künftig Gewicht haben.

DER VATER DES VOLKSWAGENS

Ferdinand Porsche war: Pionier, Erfinder, Genie. Der Volkswagen war eine Krönung seines Schaffens.

Von Gerhard Nöhrer

Ferdinand Porsche steht auf einem Sockel. Dass sein Aufstieg und Wirken über weite Strecken in dunklen Kriegszeiten erfolgte, steht in keinem Zusammenhang mit sei­nen konstruktiven Schöpfungen, die von einer Bandbreite waren, die kaum ein anderer Erfinder in der frühen Ära der Mobilität abliefern konnte. Er war Pionier, Erfinder, Genie und ist zu einem Mythos gewachsen, der bei Volkswagen Pate stand und eine Dynastie begründete. 1875 als Sohn eines Spenglermeisters in Maffersdorf (Nordböhmen) geboren, besuchte Ferdinand Porsche keine Hochschule, aber er studierte Physikbücher und machte sich mit dem Phänomen des Elektromagnetismus vertraut. Mit 18 heuerte er als technischer Praktikant bei der Vereinigten Electricitäts-AG Bela Egger in Wien an und wurde dort flugs Chef des Prüfraums und erster Assistent der Berechnungsabteilung.

Der erste bahnbrechende Entwurf von Porsche war der Lohner-Porsche, ein Elektrowagen mit Radnabenantrieb, der zur Sensation der Pariser Weltaus­stellung 1900 wurde. Der Lohner-Por­sche Mixte war das erste Hybridauto der Welt. 1905 fuhr er den österrei­chischen Thronfolger Franz Ferdi­nand in seiner Benzinkutsche zu den Manövern in Ungarn, danach wurde Porsche Generaldirektor der Austro-Daimler AG in Wiener Neustadt und entwarf dort Luxuskarossen ebenso wie Flugmotoren und gigantische Zugmaschinen für allerlei Kriegsgerät. 1923 wechselte Porsche zu Daimler nach Stuttgart und konstruierte bei­spielsweise den legendären SSK, ehe er sich – nach einem kurzen Gast­spiel bei Steyr – mit einem eigenen Konstruktionsbüro in Stuttgart selbst­ständig machte. Ein erstes Angebot, Gesamtleiter der russischen Automo­bilindustrie zu werden, nahm Porsche nicht an. Dafür entwickelte er Prototy­pen für NSU und Zündapp, aber auch für die Auto-Union den berühmten 16-Zylinder-Mittelmotor-Rennwagen.


FERDINAND PORSCHE
(geb. 3. September 1875 in Maffersdorf/Böhmen, gest. 30. Januar 1951 in Stuttgart), Erfinder des Käfers, Gründer der Porsche- Dynastie, genialer Konstrukteur, Erfinder, Visionär.

Zu diesem Zeitpunkt war Porsche schwer verschuldet. Am 22. Juni 1934 erhielt er vom Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie einen Entwicklungsauftrag für den Prototyp eines sparsamen und preisgünstigen Pkw, nachdem Adolf Hitler im Jahr zuvor im Rahmen der Automobil- und Motorradausstellung in Berlin den Bau eines günstigen Autos für die deutsche Bevölkerung, eines Volkswagens, gefordert hatte. Offiziell wurde der Begriff Volkswagen bei der Grundsteinlegung des Volkswagenwerks am 26. Mai 1938 durch KdF-Wagen („Kraft durch Freude“) ersetzt. In den Kriegsjahren war Porsche auch mit der Entwicklung von Kampfpanzern, Amphibienfahrzeugen, Panzerketten und Traktoren befasst.

Wenn jemand nicht öfter Fehler macht, dann hat jemand sich selbst nicht genug herausgefordert.
Ferdinand Porsche, genialer Konstrukteur und Visionär

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab die britische Besatzungsmacht grünes Licht für die Wiederaufnahme der Produktion von Porsches Jahrhundert- erfi ndung und benannte den Ort um das Werk nach dem nahe gelegenen Schloss Wolfsburg. Zugleich erhielt der KdF-Wagen den offi ziellen Namen Volkswagen und wuchs in Folge zum Symbol des Deutschen Wirtschafts- wunders und darüber hinaus zum meistverkauften Auto der Welt. Die Bezeichnung Käfer setzte sich in Europa erst in den Sechzigerjahren durch – ein Kosename, den bereits Amerikaner und Engländer, die ihn Beetle tauften, verwendeten.

Ferdinand Porsche bezahlte die verordnete Nähe zum NS-Regime mit 22 Monaten Haft in Frankreich. Erst 1947 konnte er in das Ausweichquartier seines Konstruktionsbüros in Gmünd zurückkehren, wo er die Entwicklung des Porsche 356 und danach die Errichtung des Sportwagenwerks in Stuttgart miterlebte. Im Jänner 1951 starb Ferdinand Porsche in Stuttgart im 76. Lebensjahr an den Folgen der Strapazen seiner Haft.

Sein Sohn Ferry Porsche, 1909 in Wr. Neustadt geboren, führte das Konstruktionsbüro seines Vaters, in das er schon 1931 eingetreten war, in dessen Abwesenheit weiter und trieb in Gmünd die Entwicklung des Porsche 356 voran, der zuerst in Kärnten gebaut wurde und in dem anfangs noch modifizierte Käfer-Technik steckte. Der 356 ist ebenso seine Schöpfung wie der legendäre Porsche Spyder 550. Ferry Porsche entwickelte auch das Lastenheft für die Ikone 911, dessen Silhouette sein Bruder Alexander, genannt Butzi, entwarf. Unter der Regie von Ferry wuchs Porsche in Stuttgart zur größten und berühmtesten Sportwagenfabrik der Welt, die Marke wurde endgültig zum Mythos. Auch der Entwurf des Markenzeichens, skizziert auf einer Serviette während des Aufenthalts in New York, stammt von ihm.

FERRY PORSCHE
(geb. 19. September 1909 in Wr. Neustadt, gest. 27. März 1998 in Zell am See) war der Sohn von Ferdinand Porsche, entwickelte und kreierte den legendären 356er, das Urmeter aller Porsches. Das Porsche- Markenzeichen stammt ebenso von ihm.

Was bleibt, ist der Erfinder- und Pioniergeist von Ferdinand Porsche, der nicht nur die Marke Porsche nach wie vor prägt. Die Familien Porsche/ Piëch sind heute im Volkswagenkonzern als Hauptanteilseigner tonangebend und haben zuletzt auch die Hoheit über die Marke Porsche zurückgewonnen. 356er und 911er gelten als Ikonen, der 911er als der Sportwagen schlechthin.

SIE WAR FÜR ALLE CHEFIN

Louise Piëch schmiedete in Salzburg das größte und erfolgreichste Auto-Handelshaus Europas, das heute als Porsche Holding und Tochter von Volkswagen weltweit tätig ist.

Von Gerhard Nöhrer

In Salzburg spricht man auch heute noch voller Ehrfurcht und Bewunderung von ihr. Sie, das war Louise Piëch und sie war die „Chefin“, wie man sie respektvoll nannte. Chefin der Porsche Holding Salzburg, die sie von 1952 bis 1971 leitete und zum größten und erfolgreichsten Auto-Handelshaus entwickelte. Bis 2011 im Besitz der Familien Porsche/Piëch, ist das größte Privatunternehmen heute eine 100-prozentige Tochter der Volkswagen AG.

1904 geboren, stand sie ihrem Vater Ferdinand Porsche stets sehr nahe, teilte seine Impulsivität und zeigte schon früh ihre Begeisterung für Automobile. Immer wieder begleitete sie den Käfer-Erfinder bei Testfahrten. 1927 heiratet sie Anton Piëch, dem sie vier Kinder schenkte und der später Verkaufsleiter bei Volkswagen war. Nach Kriegsende musste Louise Piëch gewaltige geschäftliche Aufgaben meistern, waren doch ihr Vater, ihr Mann und kurz auch ihr Bruder in Frankreich interniert. In dieser Zeit hatte Louise Piëch am Familiensitz Schüttgut wie eine Glucke auch alle Kinder um sich versammelt.

Um das Lebenswerk ihres Vaters vor der drohenden Beschlagnahmung der Besatzungsmächte zu schützen, gründete sie gemeinsam mit ihrem Bruder Ferry die österreichische Porsche Konstruktionen KG in Gmünd. 1950 kehrte ihr Bruder Ferry Porsche nach Stuttgart zurück, um dort das Sportwagenwerk aufzubauen, während in Österreich unter der Leitung von Louise Piëch eine Standortverlegung von Gmünd nach Salzburg erfolgte. Dort beschäftigte man sich mit 71 Mitarbeiter zunächst mit der Reparatur von Volkswagen, zunehmend aber auch mit dessen Import. Mit Erfolg: 1954 machte sie Volkswagen erstmals vor Steyr-Fiat zum Marktführer in Österreich und legte damit den Grundstein für ein Handelshaus, das heute mit einem Umsatz von mehr als 30 Milliarden Euro und 36.000 Mitarbeitern eine Perle im Volkswagen-Konzern ist und weiter wächst. Ihr zu Ehren firmiert das Unternehmen heute in Salzburg unter der Adresse Louise-Piëch-Straße 2.

In der Firma in Salzburg war die Frau Kommerzialrat bis ins hohe Alter präsent, die Anstellungsgespräche führte sie persönlich, Jubilarehrungen waren ihr ein Anliegen. Ihre Freizeit verbrachte die talentierte Malerin und passionierte Jägerin gerne am Familienferiensitz am Wörthersee. Bei der Wahl ihrer Autos kannte sie keine Kompromisse: „Ich bin immer nur Autos gefahren, die von meinem Vater, meinem Bruder oder meinem Sohn gebaut wurden.“ Sohn Ferdinand, den sie zeitlebends „Burli“ nannte, hatte ja einige gebaut.

DER GUTE STERN, DER SO HELL WIE KEIN ANDERER GLÄNZT

Die Marke Mercedes gilt als Erfinder des Automobils. Hier laufen viele der Wurzeln unserer heutigen Mobilität zusammen. Frauen und Männer wie Gottlieb Daimler, Carl und Bertha Benz, Wilhelm Maybach prägten diesen Weg – und das Geheimnis des Namens wird hier gelüftet.

Von Christoph Jordan

Mercedes – das ist ein Synonym für deutsche Premium-Automobile. Wer einen Stern fährt, der stellt etwas dar. Mercedes-Benz ist nicht nur die bekannteste Automarke der Welt, sondern liegt auch beim branchenübergreifenden Bekanntheitsgrad auf Platz sieben. Der Wert der Marke: 61,4 Milliarden Dollar. Um die Strahlkraft des Sterns zu verstehen, muss man tief in die Geschichte eintauchen. Schließlich ist es einzigartig, Autos direkt beim Erfinder des Automobils kaufen zu können. Hier laufen die Wurzeln unserer Mobilitätsgeschichte zusammen, die bis heute prägend wirken. Es geht um vier Köpfe, die die Autowelt veränderten: Gottlieb Daimler, Carl und Bertha Benz, Wilhelm Maybach.

Gottlieb Daimler und Carl Benz forschten in den 1870er-Jahren unabhängig voneinander an einem kompakten Motor. Daimler arbeitete nach seinem Maschinenbaustudium etwa in der Gasmotorenfabrik Deutz, wo ihm ein gewisser Nikolaus Otto – der Patenthalter des Ottomotors – die Leitung der Werkstätten übertrug.

Einer seiner Mitarbeiter war der Vollwaise Wilhelm Maybach, dessen Talent Daimler recht früh erkannte und sein Mentor wurde. Die beiden sollten die nächsten Jahre an vielen Stationen zusammenarbeiten. Gemeinsam entwickeln sie einen kompakten Viertakt-Benzinmotor. Im Gegensatz zu den damals üblichen, riesigen Gasmotoren war dieser Einzylinder nur 60 Kilo schwer – und sein Treibstoff ließ sich praktischerweise in einen Tank einfüllen.

GOTTLIEB DAIMLER
(geb. 17. März 1834 in Schorndorf/D, gest. 6. März 1900 in Cannstatt/Stuttgart). Konstrukteur, Unternehmer, entwickelte mit Wilhelm Maybach den ersten Ottomotor.

CARL BENZ
(geb. 25. November 1844 in Mühlburg, gest. 4. April 1929 in Ladenburg) und Bertha Benz (geb. 3. Mai 1849 in Pforzheim, gest. 5. Mai 1944 in Ladenburg). Carl Benz legte mit seinem Benz-Patent-Motorwagen den Grundstein für das Auto. Bertha Benz machte die erste Überland-Ausfahrt und musste bei einer Apotheke nachtanken. Der Rest ist Automobilgeschichte.

BERTHA BENZ
brach am 5. August 1888 ohne das Wissen ihres Mannes – mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard – zur ersten Überland- fahrt mit einem Automobil auf. Getankt wurde in der Apotheke.

Aufgrund seiner kompakten Ausmaße nannte man ihn liebevoll „Standuhr“ – endlich hatte man die Basis, den Motor in Fahrzeuge einzubauen. Den ersten mobilen Einsatz hatte er im Reitwagen von 1885, danach wurde der Motor versuchsweise in ein Boot eingebaut. 1888 rüstete Daimler die Gondel eines Gasballons mit seinem Motor aus – so erklärt sich auch das Firmenlogo der 1890 gegründeten Daimler-Motoren-Gesellschaft, das später zum Mercedes-Stern werden sollte: zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Etwa 100 Kilometer Luftlinie entfernt tüftelt Carl Benz ebenso an einem seltsamen Vehikel mit drei zarten Speichenrädern: Am 29. Januar 1886 meldet Benz das Patent auf sein Fahrzeug an – diese Patentschrift gehört mittlerweile zum Unesco-Weltdokumentenerbe.

Der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 gilt als der Grundstein für das moderne Automobil, wie wir es kennen. Mit dem Modell Nummer 3 unternimmt die ebenso visionäre wie kühne Frau von Carl Benz, Bertha, ihre legendäre Fahrt nach Pforzheim und wieder zurück. Am 5. August 1888 bricht Bertha Benz – ohne das Wissen ihres Mannes – mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard zur ersten Überlandfahrt mit einem Automobil auf. Über hundert Kilometer geht es auf holprigen Wegen von Mannheim nach Pforzheim und wieder zurück. Auf halber Strecke ging den Reisenden der Treibstoff aus. Der Stadtapotheker von Wiesloch bei Heidelberg verkaufte ihnen Waschbenzin und wurde so zum ersten Tankwart der Geschichte.

Man sieht: Auch diese Form der Mobilität hatte anfangs ihre Tücken. Die Fahrt strafte alle Nörgler Lügen, die das zischende Ding als „Spinnerei“ oder „Humbug“ verachteten. Mit einem Automobil ließen sich auch längere Strecken zurücklegen.

Als Ende der 1880er-Jahre die europäische High Society die ersten Automobilrennen als gesellschaftliche Großereignisse feiert, sind die Fahrzeuge mit deutschen Motoren überlegen. Das bedeutet für Benz den Durchbruch: Er baut seine Werkstatt zur größten Automobilfabrik der Welt aus, die Jahresproduktion liegt bei 750 Fahrzeugen. Die größte Konkurrenz taucht jedoch rasch aus dem eigenen Land auf. Wilhelm Maybach hat für Gottlieb Daimler einen visionären Sportwagen gebaut, der auf den klingenden Namen „Mercedes“ hört.

Die Idee dazu lieferte ein Österreicher: Emil Jellinek. Geschäftsmann Jellinek wohnte damals in Nizza, hat besten Zugang zur Hautevolee und agiert in Frankreich quasi als Vertriebschef der Daimler-Fahrzeuge. Da Daimler sämtliche Lizenzen samt Namensrechten ins Ausland verkauft hat, braucht er einen neuen Namen für seine Fahrzeuge, Jellinek setzt den Namen seiner Tochter ein. Ab 1902 wird „Mercedes“ dann als Warenzeichen eingetragen und kurz darauf gesetzlich geschützt.

MERCÉDÈS ADRIENNE RAMONA MANUELA VON WEIGL
geborene Jellinek (geb. 16. September 1889 in Wien, gest. 23. Februar 1929 in Wien). Namenspatin für Mercedes, ihr Vater gab den Daimler-Fahrzeugen ihren Namen, als sie 11 war – den Namen
trägt die Marke bis heute.

Gottlieb Daimler stirbt 1900 im Alter von 66 Jahren. Der zehn Jahre jüngere Carl Benz zieht sich 1903 aus dem aktiven Berufsleben zurück. Mit seinen beiden Söhnen Richard und Eugen, inzwischen auch Ingenieure, gründet er die Firma „Carl Benz Söhne“, die weiterhin Automobile produziert. Weitsichtigen Männern in beiden Unternehmen ist es zu verdanken, dass die einstigen Konkurrenten zu einem prosperierendem Ganzen zusammengeschlossen werden. Im Jahr 1926 werden aus „Carl Benz Söhne“ und der „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ die „Daimler-Benz-AG“, die Produkte tragen von nun an einen gemeinsamen Namen: Mercedes-Benz.

Der Rest ist Geschichte. Mit den innovativen Konstruktionen hat man sich seinerzeit bei der luxusorientierten Klientel schon empfohlen, was sich auch die nächsten Jahrzehnte nicht ändern sollte. In den 1920ern war der Mercedes SSK (Supersport kurz) das Ding, vor dem Zweiten Weltkrieg galt der 540 K (Kompressor) als der begehrenswerteste Sportwagen überhaupt. In den Wirtschaftswunderjahren war Mercedes-Benz überhaupt der einzige deutsche Hersteller von Luxusfahrzeugen. Der Adenauer-Mercedes war die Staatslimousine schlechthin und der legendäre 300-SL-Flügeltürer wurde vor gar nicht allzu langer Zeit zum Sportwagen des Jahrhunderts gewählt. Die S-Klasse gilt seit ihrer offiziellen Einführung 1972 als der Technologieträger der Marke.

Viele technische Spezereien, die wir heute als selbstverständlich erachten, feierten hier Premiere: So war die S-Klasse beispielsweise das erste Auto mit Fahrerairbag. Mercedes-Benz ließ nach dem misslungenen Elchtest seine A-Klasse mit dem Stabilitätsprogramm ausstatten – heute ein unverzichtbares Mittel gegen Unfälle. Der Erfinder- und Pioniergeist hat sich bis heute gehalten, Technik, Design, Luxus sind bis heute elementare Bestandteile der Mercedes-Benz-DNA.

GIORGETTO GIUGIARO

Das Auge für das Schöne

Was für ein Künstler, der Brot- und Butter-Autos eine Würde verlieh: Giorgetto Giugiaro zeichnete den Einser-Golf (1974) genauso wie den Fiat Panda. Statt Kunst zu studie­ren, entwarf er (Italdesign) Autos für fast alle Marken: Alfa GTV, Alfa Giulia Sprint, BMW M1, Bugatti EB112, Fiat Uno, Lancia Delta, Maserati Ghi­bli. Und übrigens auch die Kamera Nikon F4.

BERND PISCHETSRIEDER

Der gefragte Mann

Sein Lebenslauf ist einzigartig in der Branche: Der Bayer Bernd Pischets­rieder zog bei allen großen deutschen Automobilherstellern die Fäden. Er war Vorstandschef bei BMW und Volkswagen und bis zuletzt Auf­sichtsratsvorsitzender der Daimler AG. Die Berufung an die Spitze des Kontrollorgans von Mercedes ist als Krönung seiner Karriere zu sehen. Der studierte Maschinenbauer zählte zu den profiliertesten und angesehensten Automobilmanagern weltweit und wird für seine Expertise respektiert.

NUCCIO BERTONE

Künstler wider Willen

Guiseppe „Nuccio“ Bertone über­nahm die Autoschmiede seines Vaters und baute sie zum weltweit agierenden Designbüro aus. Seine Autos waren und sind Kunstwerke, auch wenn er sich nicht als Künst­ler bezeichnete. Man muss nur hin­sehen: Stratos Zero, der ultimative Keil (Pate des Lancia Stratos), Alfa Romeo Bat, Alfa Romeo Giulietta Sprint …

DER MAGNAT, DEM DIE WELT NIE GENUG WAR

Frank Stronach, der mit Magna einen Weltkonzern schmiedete, war das Gesicht der Zuliefer-Industrie.

Von Gerhard Nöhrer

Er schrieb die klassische Traumkarriere und hat es tatsächlich vom Tellerwäscher vom Milliardär gebracht. Als der aus dem oststeirischen Weiz stammende Frank Stronach vor 70 Jahren mit einem kleinen Koffer in der Hand in Rotterdam das Schiff Richtung Kanada bestieg, hatte er gerade einmal 200 Dollar in der Tasche. Und die waren rasch aufgebraucht. Also heuerte der gelernte Werkzeugmacher der Elin Weiz, der damals noch Frank Strohsack hieß, in einer Spitalsküche an und verdiente sich sein Geld zunächst als Tellerwäscher.

Sieben Jahre später, bei seinem ersten Heimatbesuch, fuhr Stronach in Weiz dann schon mit einem Pontiac fuhr und hatte es für damalige Begriffe schon geschafft. Dafür schuftete Stronach in Toronto anfangs täglich 16 Stunden in einer alten Garage, wo er als Ein-Mann-Firma Kleinteile für die Metall- und Autobranche fertigte und mit einfachen, aber erstklassigen Lösungen immer mehr Auftraggeber überzeugte. Mit dem ersten Auftrag von General Motors gelang seiner kleinen Firma Multimatic der Durchbruch.

1973 gründete Frank Stronach Magna International und schmiedete vom kanadischen Aurora aus einen Weltkonzern, der innerhalb von 20 Jahren zum größten Zuliefer-Unternehmen der Automobilindustrie wuchs. 1988 baute Stronach die erste Fabrik in Österreich (Auteca in Weiz) und stampfte in Oberwaltersdorf eine pompöse Europazentrale aus dem Boden. Sein größter Coup in Österreich, der Kauf des Steyr-Daimler-Puch-Werks in Graz 1998. Magna-Steyr wurde zu einem Herzstück im Konzern und der größte Arbeitgeber der Steiermark. Heute betreibt Magna 340 Fabriken und Dutzende Entwicklungszentren in 28 Ländern und beschäftigt Magna 170.000 Mitarbeiter.

Dabei war Stronach nie ein Car Guy mit Benzin im Blut, seine Leidenschaft für Autos hielt sich in Grenzen. Stronach war vielmehr ein instinktsicherer Dealmaker mit Visionen, die von seinen beiden steirischen Weggefährten und Vorstandschefs Fred Gingl und Siegfried Wolf umgesetzt wurden. Zweimal hatte sich Stronach auch für die Übernahme eines Herstellers interessiert: Bei Chrysler kam er aber ebenso wenig zum Zug wie bei Opel. 2012 zog sich Stronach aus dem Konzern, den er über den hohen Anteil der Stimmrechte kontrollierte, zurück und ließ sich seinen Abschied mit einer Milliarde Dollar versüßen.

Abseits vom Kerngeschäft war Stronach auch ein Big Player im Pferdesport. Er galt mit 1000 Rassepferden als der weltweit größte Züchter und unterhielt sieben Gestüte in der ganzen Welt. In Nordamerika standen die fünf größten Pferderennsportanlagen in seinem Besitz. Stronach investierte in Fußball, Golfanlagen und Rinderzucht, sein Ausflug in die Politik endete wenig ruhmvoll.

Magna Steyr in Graz, so wurde die Steiermark zum Autoland. Heute, mit 91, kehrte der nimmermüde Magnat Stronach zu den Wurzeln zurück und startet mit einem Mobilitätsprojekt durch: Mit dem Mikro-Elektroauto namens Sarrit will Frank noch schnell die Welt retten.

SEINE ARBEIT BERÜHRT UNSER LEBEN

Mit Ineos hat Jim Ratcliffe ein milliardenschweres Imperium geschaffen, dessen Ausläufer bis nach Österreich reichen. Von Manchester United bis zur Formel 1, vom Chemiekonzern bis zum Autoprojekt.

Von Didi Hubmann

Es ist eine ganz eigene Aura, die Sir Jim Ratcliffe umgibt. Verbindlich, freundlich, gewinnend wirkt er, gleichzeitig untermalt mit dieser wohltuenden britischen Distanz. Ruhe- und rastlos sei er, sagt man. Im besten Sinne. Er meidet das Rampenlicht, führt mit Vertrauten ein gigantisches, milliardenschweres Unternehmen aus dem Hintergrund, wird laufend upgedatet. Wenn man ihm zuhört, spürt man in jedem Wort seinen unbändigen Willen. „Wir sollten Fragen stellen, statt wie Schafe Dingen willenlos hinterherzulaufen.“ Jim Ratcliffe spricht ruhig, entschlossen. Keine Show, sagen, was Sache ist. 71 Jahre ist er jetzt, man glaubt es kaum. Großgewachsen, drahtig, asketisch wirkt der Sportler, Abenteurer und Wirtschaftskapitän, der die chemische Industrie und die Welt des Sports mit seinem Unternehmen Ineos grundlegend verändert hat.

Kritik steckt er mit seiner „dicken Haut aus einer harten Kindheit“ weg, die Struktur seiner Entscheidungsfindung beruht auf Daten, Fakten. Hört man tiefer in sein Imperium, wird schnell klar: Schwätzer, Selbstdarsteller und Bürokraten werden in Ratcliffes Imperium nicht alt. Ratcliffe weicht auch keinem Konflikt aus – ob mit der Gewerkschaft, seine Unterstützung des Brexits oder der Politik. Seine Entschlossenheit, die Spielregeln zu verändern, wenn er etwas nicht ändern kann, ist bekannt. Es sei wichtig, alles zu hinterfragen. Wenn notwendig, auch die Spielregeln.

Sein Ineos-Autoprojekt wird von der Vorstandsvorsitzenden Lynn Calder und dem Steirer Hans-Peter Pessler (Technik-/ Entwicklungsvorstand) umgesetzt. Fragt man Lynn nach den drei wesentlichen Charaktermerkmalen ihres Chefs, sagt sie: „Erstens will er keine Sekunde des Lebens vergeuden. Zweitens: Er pusht die Limits immer weiter nach oben, aber mit klaren Ansagen – und verschiebt so die Grenzen des Machbaren. Drittens ist er geerdet, redet mit jedem gleich.“

JIM RATCLIFFE
(geb. 18. Oktober 1952 in Failsworth/England) baute nicht nur einen der größten Chemiekonzerne der Welt aus dem Nichts auf – er gründete eine Automobilfirma, der puristische, fürs harte Gelände und das Abenteuer abseits der Trampelpfade konzipierte Grenadier wird seit 2022 produziert. Ab 2027 lässt Ratcliffe das E-Auto Fusilier in Graz bei Magna fertigen.

Er weiß, wie es in der Upper Class aussieht, er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man sich hochkämpfen muss. Aufgewachsen sei er zuerst in einer Sozialwohnung, in Sichtweite des Stadions von Manchester United, Old Trafford. Sein Vater war Tischler, der sich später selbstständig machte, seine Mutter Buchhalterin. Er besuchte eine staatliche Schule und studierte Chemie-Ingenieurswesen. Nach seinem Berufseinstieg bei Esso und einem Kunstfaserhersteller wechselte er in den späten 80er-Jahren ins Private-Equity-Geschäft, ein rastloser Wanderer zwischen den Welten.

Und auch ein Hasardeur, wenn es sein musste. Mit 40 nahm er einen zweistelligen Millionen-Euro-Kredit auf, um ins Geschäft zu kommen. Als Sicherheiten setzte er Haus und Altersversorgung ein. In einem Interview mit der „Financial Times“ aus dem Jahr 2014 gab er auch zu, dass das „ein kritischer Teil des Karriereweges gewesen“ sei. Wenn das schiefgegangen wäre, hätte er das Geld verloren und die Karriere ruiniert. Aber sein Plan ging auf, instinktsicher machte er weiter, setzte sein Vermögen ein, kaufte kleinere, oft nicht gut bewertete Spezialfirmen auf, sanierte sie konsequent und baute mit seinen Partnern wie aus einem kleinteiligen Puzzle einen der größten Chemiekonzerne der Welt auf. Wahrscheinlich haben wir tagtäglich etwas aus Ratcliffes Imperium in Händen. Vom Kunststoff bis zu Pharmaprodukten, alles im Portfolio, selbst für Lego macht eine seiner Firmen das Hauptmaterial. Gleichzeitig baute er riesige Anlagen zur Herstellung von Rohstoffen aus Kunststoffabfällen oder kauft die marode Mode-Firma Belstaff und modelt sie auf.

Sein Leben wirkt wie eine Spielwiese. Bei Manchester United ist er eingestiegen, er soll als Ur- und Edelfan wie ein Heilsbringer den wankenden Giganten wieder stabilisieren. Der Klub ist das nächste Juwel im hauseigenen Sportimperium zwischen Formel 1 (ihm gehören 33 Prozent des Mercedes-Rennstalls), Radrennstall (Tour-de-France-Gewinner Ineos), America’s-Cup-Boot und weiteren Fußballklubs. Sir Jim ist auch im echten Leben ein Abenteurer, von der Polexpedition bis zur extremen Autotour.

Wir sollten Fragen stellen, statt wie Schafe Dingen willenlos hinterherzulaufen.
Jim Ratcliffe, Gründer

In einem Pub entwarf Ratcliffe mit Freunden das ganze Autoprojekt Ineos auf Bierdeckeln und Servietten und kaufte später das unverkäufliche Pub. Das Auto namens Grenadier testete er selbst, zwischen Mongolei und England. Das Modell Fusilier, das Ineos auf den Markt bringen wird, ist das erste Elektroauto, das bei Magna in Graz ab 2027 produziert werden soll. Samt Reichweitenverlängerer, der die Batterie mit Energie versorgt – und Reichweiten an die 1000 Kilometer. Es wird Sir Jims Wunsch gewesen sein.

Sir Jim, wie ihn seine Vertrauten nennen, hat die Spielregeln verändert und aus dem Nichts einen Chemiekonzern (Kunststoffe, Pharma, Recycling) und Automobilkonzern in einer Nische hochgezogen. Technisch fährt man auf dem höchsten Niveau durch das Gelände, das Elektroauto Ineos Fusilier wird ab 2027 in Graz gebaut.

DER PATRIARCH VON WOLFSBURG, DER VOLKSWAGEN ZUM GRÖSSTEN AUTOBAUER DER WELT MACHTE

Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder zählte ihn zu den weltweit bedeutendsten Unternehmensführern, Branchenkenner und Medien erhoben ihn zu einem Jahrhundert-Manager. Fakt ist: Der 2019 im Alter von 82 Jahren verstorbene Ferdinand Piëch prägte über mehrere Jahrzehnte die globale Szene und schrieb Automobilgeschichte. Wäre er 70 Jahre früher auf die Welt gekommen, hätte er auch das Automobil erfunden, schrieb ein Magazin.

Von Gerhard Nöhrer

Ferdinand Piëch war Porsche, aber auch Audi und vor allem Volkswagen. Wolfsburg ist unbestritten sein Lebenswerk, auch wenn er das Finale verstolpert hat. Über 20 Jahre führte der 1937 in Wien geborene Konstrukteur den Wolfsburger Autoriesen mit eiserner Hand. Zuerst als Vorstandsvorsitzender, danach als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Piëch formte aus Volkswagen einen Weltkonzern. Als er 1993 die Führung übernahm, hatte das Unternehmen 13 Milliarden Schulden. Piëch sanierte den damals schwer angeschlagenen Dinosaurier von Grund auf, schuf durch Zukäufe wie Škoda, Bentley, Lamborghini, Bugatti oder Ducati ein gigantisches 12-Marken-Reich und machte ihn zum größten und Autobauer der Welt. 

Seinen Ruf als brillanten Vollbluttechniker begründete Piëch bei Porsche, wo er 1963 eintrat und federführend an der Entwicklung des legendären Porsche 917 beteiligt war, den er später als Höhepunkt seines Schaffens als Konstrukteur bezeichnete. 1972 wechselte Piëch zu Audi und verpasste der angestaubten Marke zuerst als Chefentwickler und dann als Vorstandsboss ein modern-sportliches Image. Audi verdankt ihm den Platz neben Mercedes und BMW in der Premium-Liga. Die prägende glorreiche Quattro-Ära im Rallyesport trug seine Handschrift. Piëch war immer ein Mann des Motorsports, auch wenn er später der Formel 1 eine Absage erteilen sollte: „Unsere Formel 1 ist das Ein-Liter-Auto.“

FERDINAND PIECH
(* 17. April 1937 in Wien; † 25. August 2019 in Rosenheim) machte den Volkswagenkonzern mit 12 Marken zum größten Autohersteller der Welt.

Als leidenschaftlichen und innovativen Techniker konnte dem Porsche-Enkel niemand das Wasser reichen, stets vorwärtsgewandt, visionär und auf Sieg programmiert, setzte er wagemutig geniale Meilensteine, seine Instinktsicherheit für den Markt und sein Weitblick waren unumstritten. Auf der anderen Seite war es sein gnadenloser und autoritärer Führungsstil, der zu seinem Markenzeichen wurde und Piëch zur Reizfigur machte.  Das Wort des Langzeitherrschers war in Wolfsburg Gesetz, wer dem wortkargen Patriarchen in die Quere kam oder gegen sich stellte, landete am Restmüll. Dass auf Piëchs Weg für Harmonie und Kompromisse kein Platz war, dokumentiert eine ellenlange Liste von Managern und Widersachern, die der eiskalt über die Klinge springen ließ. An Feinden mangelte es Piëch nie. Piëch hat mehr Feinde, als in der Hauptversammlung Platz haben, schrieb einmal eine deutsche Zeitung. Die „Financial Times“ bezeichnete ihn einmal als „Rottweiler der Autoindustrie“.

Als Einzelkämpfer und streitbares Alphatier hatte Piëch aber auch innerhalb der schillernden Autodynastie stets für Zerwürfnisse gesorgt. In den Machtkämpfen und tiefen Zerwürfnissen innerhalb der berühmtesten Auto-Familie der Welt spielte zumeist Ferdinand Piëch die Hauptrolle. Das drittälteste Kind von Louise Piëch, der Tochter von Ferdinand Porsche, hatte nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber den im geschützten Bereich aufgewachsenen Waldorfschülern der Verwandtschaft gemacht, die aus seiner Sicht das Erbe verwalteten, während er – Piëch – bei den Volkswagen den Laden schupfte und den Reichtum der Familie mehrte.

Vor allem in den letzten 20 Jahren hatte sich der Konflikt zwischen den beiden Familien-Oberhäuptern Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch dramatisch zugespitzt. Als einsamer Höhepunkt stand die öffentlich ausgetragene Schlacht um Wolfsburg, die Piëch für sich entschieden hatte und die mit der Eingliederung der von Wolfgang Porsche kontrollierten Sportwagenmarke in den Volkswagen-Konzern endete.

Guillotinieren werde ich erst, wenn ich sicher bin, wer es war.
Ferdinand Piëch, nach Medienberichten über seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand

Umso erstaunlicher war es dann, dass der mächtigste Automanager der Welt am Ende seiner glanzvollen Karriere eine schmachvolle Niederlage hinnehmen musste: Der gewiefte Stratege und scheinbar Unantastbare wurde als Vorsitzender des Aufsichtsrates im April 2015 vorzeitig aus dem Amt gedrängt. Vorausgegangen war ein Vertrauensbruch mit Martin Winterkorn, den Piëch im Zuge des Diesel-Skandals („Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“) für nicht mehr tragbar hielt. Doch statt dem Vorstandschef musste der ewige Strippenzieher und Großaktionär gehen – der Aufsichtsrat, allen voran Wolfgang Porsche, hatte sich hinter Winterkorn gestellt.

Fünf Monate später musste Winterkorn unter Druck zurücktreten. Nach jahrelangen Untersuchungen steht jetzt fest: Winterkorn wird wegen Betrugs und Falschaussage angeklagt.

Was von Piëch bleibt? Seine Genialität, seine Anschauungen, sein technisches Verständnis, mit dem Porsche legendäre Rennautos baute, Audi zur Hightechmarke aufstieg und Volkswagen zu einer Marke prägte, die in Piëch-Zeiten sogar gegen Mercedes positioniert wurde.

SERGIO PININFARINA

Der kleine Große

Sein Vater wurde der kleine („pinin“) Farina genannt, sein Cisitalia 202 brachte es ins New Yorker Museum of Modern Art. Sohn Sergio wurde ein Großer und unter dem Firmen- und Familiennamen Pininfarina wurden die schönsten Autos designt. Ferrari wäre ohne Pininfarina nicht so ein Kult geworden. Seine Entwürfe präg­ten andere Marken und Designer.

HENRY FORD

Wie am Fließband

Henry Ford erfand sie nicht, aber er brachte sie zur Perfektion: die Fließ­bandfertigung, die übrigens die gesamte Industrie erfasste (Fordis­mus, Massenfertigung). Die Montage­dauer des legendären Ford Modell T (ab 1908) reduzierte sich von 12 auf nur eineinhalb Stunden. Das Auto war für mehr Menschen leistbar und machte die USA mobil.

SŌICHIRŌ HONDA

Der lange Weg

Mechaniker, Werkstattbesitzer, Kol­benringe-Hersteller: So startete Sōichirō Honda seine Karriere. Nach dem Krieg baute er Generatormoto­ren in Fahrräder ein. 1948 gründete er die Honda Motor Company. Man wird weltgrößte Motorradmarke, steigt ins Nutzfahrzeug-/Autogeschäft ein, 1972 wird der Civic erfunden. Der lange Weg einer Erfolgsstory.

HENRY ROYCE

Spektakuläre Karriere

Vom Zeitungsjungen zur Kultfigur des Automobilbaus: Henry Royce legte – aus ärmlichen Verhältnissen stam­mend – eine spektakuläre Karriere hin. Zuerst mit einem Elektrobetrieb (E-Motoren etc.), dann, weil er mit den Fahrzeugen als Autohersteller nicht zufrieden war, als Autoherstel­ler (mit Charles Rolls). Heute gehört Rolls-Royce zum BMW-Konzern.

DER RETTER DES ROADSTERS

Der Journalist Bob Hall skizzierte den MX-5, der ins Guinnessbuch der Rekorde fahren sollte. Das Auto prägte Generationen – und sagt auch viel über die Marke selbst aus.

Von Christoph Jordan

Ein denkwürdiger Abend im Jahre 1979. Bob Hall, zu der Zeit leitender Redakteur des US-Magazins „Autoweek“, hat einen Interviewtermin mit Kenichi Yamamoto, dem Entwicklungschef von Mazda. Beide sind tief in die Wolle gefärbte Autofans, sie begegnen sich auf derselben Wellenlänge. Der erste RX-7 war gerade frisch auf der Welt und bot genug Gesprächsstoff, am Ende des Wortwechsels geschah jedoch etwas Ungewöhnliches. Der Befragte Yamamoto drehte den Spieß um und befragte Hall: „Was meinst du, welches Auto sollen wir als nächstes bauen?“

Hall darauf, wie aus der Pistole geschossen: „Einen erschwinglichen, offenen Sportwagen mit Heckantrieb!“ Dazu muss man wissen: Hall ist quasi in solchen Roadstern aufgewachsen, nachdem sein Vater seit seiner Stationierung als Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg in England seine Liebe zu offenen, manchmal auch schrägen Zweisitzern mitgebracht hat.

„In welchem Auto kann man die wunderbaren Küstenstraßen Kaliforniens besser genießen, als in einem offenen Triumph oder Austin Healey?“, so der Mann, der heute noch Benzin im Blut zu haben scheint. Es störte ihn damals, dass das offene Fahren teuer geworden war. Die Engländer waren praktisch flächendeckend pleite, die Italiener gerade dabei, sich mit den letzten Aufgüssen von Fiat und Alfa Spider vom US-Markt abzumelden. Es blieben nur noch die schweren Muscle-Cars, die Corvette – oder eben die teuren offenen Sportwagen aus Deutschland vom Schlage eines Mercedes SL (der Bobby-Ewing-Benz). „Wer aufs Geld schauen musste, der pflegte sein altes Auto oder hatte Pech. Das durfte so nicht bleiben“, erklärt Hall sein Motiv. Hall kritzelt eine – wie er sie nennt – grässliche Skizze auf eine Kreidetafel, die Yamamoto sich merken wird. 

BOB HALL
(geb. 1953 in den USA) ist ein Autojournalist und Produkt-Planer. Seine Skizze zum Konzept des MX-5 wurde zur Initialzündung für den legendären Roadster. Er arbeitete als Journalist in den USA und in Australien und in Malaysia und China als Produktplaner für Proton und Geely.

Was daraus werden sollte, ist nichts weniger als eine Sensation. Denn genau dieser Abend gilt als Geburtsstunde des Mazda MX-5, der es mit über einer Million verkauften Exemplaren zum erfolgreichsten Roadster der Welt gebracht hat. Die Erfolgsgeschichte läuft seit mittlerweile 35 Jahren und vier Generationen, doch das Grundrezept ist immer gleich geblieben: Motor vorne, Antrieb hinten, an jedem Eck ein einzeln an Doppelquerlenkern aufgehängtes Rad, oben drüber das vermutlich genialste Cabrioverdeck aller Zeiten. Gleichzeitig war er auch Wegbereiter für offene Zweisitzer der Konkurrenz: Ohne seine Vorarbeit hätte es wahrscheinlich keine Fiat Barchetta, keinen Audi TT, keinen BMW Z3 oder Mercedes SLK gegeben. 

Als Bob Hall gut zwei Jahre später vom kalifornischen Mazda-Designstudio angeheuert wird, hat er seine Idee schon wieder vergessen. Dumm nur, dass Mazda 1982 ein ziemlich verschlafener Haufen war. Es gab keine Produktplanung, der witzige Wankel-RX-7 war auch nur deswegen auf dem Markt, weil sein Urahn RX-3 bereits den Weg geebnet hatte. Eine neue Fahrzeugklasse einzuführen, gestaltete sich sehr schwierig. Bis die Idee in Japan zündete, dauerte es noch einige Jahre. Bob Hall setzt Yamamoto San letztlich zur Überzeugung für sein Antriebskonzept für eine ausgiebige Runde in einen Triumph Spitfire. Der ist angetan und haut wiederum in Japan auf den Tisch, dass man gefälligst Halls Entwurf aufgreifen solle. Die Techniker sind sofort dabei, lediglich die Buchhalter sind schwer zu überreden.

Als der Miata (so heißt der MX-5 in Amerika) dann im Frühling 1989 auf der Chicago Motorshow im Rampenlicht steht, schlägt er ein. Die Neukunden überbieten sich mit ihren Preisaufschlägen, nur um möglichst schnell hinters Steuer zu kommen. Ein knappes Jahr danach, als der Wagen dann auch in Europa landet, ist das geplante Jahreskontingent binnen weniger Tage ausverkauft. 

Als Vater des MX-5 genannt zu werden, ist Bob Hall etwas zu viel der Ehre: „Das ist Schwachsinn, denn es gibt keine alleinerziehenden Väter für irgendein Auto. Du brauchst ein Team und eine Mannschaft hinter dir. Wenn du eine Einzelperson festmachen willst, dann ist es Toshihiko Hirai (Chefentwickler), dem das zusteht. Von mir kam lediglich das Konzept oder zumindest die Idee, dass das Konzept des britischen Roadsters doch ein wenig länger anhalten könnte.“

Das ist Schwachsinn, denn es gibt keine alleinerziehenden Väter für irgendein Auto. 
Bob Hall, „Biologischer Vater“ des Mazda MX-5 zur Frage, ob die Idee alleine ihm zuzuschreiben wäre

Was macht den Erfolg des MX-5 nun aus? Hall trifft es präzise auf den Punkt: „Die meisten Hersteller, die sich an einem Konkurrenten versucht haben, glaubten, er müsse von allem mehr haben: mehr Motor, mehr Leistung, mehr Platz, nicht nur mehr Leichtigkeit. Wer mit 90 PS nicht flink fahren kann, dem werden 900 auch nix helfen. Es geht um ‚Smiles per hour’. Das ist viel schwieriger hinzukriegen, als ein paar mehr PS, die dem Charakter des MX-5 eher gefährlich werden könnten.“

„Weniger ist mehr. Das ist alles, was wirklich zählt.“ Bob Halls Spruch ist tief ins Bewusstsein der Japaner eingesickert, selbst andere und neue Fahrzeugkonzepte der Japaner haben die Fokussierung aufs Wesentliche und Beruhigende, etwa im Interieur, ohne auch nur im Ansatz überkandidelt zu sein.

DER ERFOLG EINER TROTZREAKTION

Der Mechaniker Václav Laurin und der Buchhändler Václav Klement gelten als die Gründer von Škoda. Mit einem Fahrrad begann alles. Mit der Übernahme durch Volkswagen startete eine neue Ära, die bis heute reicht. Das ist ihre ungewöhnliche Geschichte.

Von Christoph Jordan

Mladá Boleslav, zu deutsch Jungbunzlau, ist im Jahr 1894 ein kleiner, beschaulicher Ort in der K. u. k.-Monarchie. Václav Klement ist so begeisterter Radfahrer, dass er das Sortiment seiner Buchhandlung sogar um Fahrradschläuche und Zubehör ergänzt. Er kauft sich ein Germania von Seidel & Naumann aus Dresden, damals absolute Oberklasse. Zu seinem Ärger springt ihm immer wieder die Kette raus. Er bittet schriftlich um Reparatur – schließlich hat er noch Garantie auf sein vermeintliches Premiumprodukt. Seinen Brief verfasst der Patriot in seiner Muttersprache Tschechisch. Die hochmütige Antwort aus Dresden: „Wenn Sie von uns Antwort haben wollen, verlangen wir Ihre Mitteilung in einer uns verständlichen Sprache.“

Als Trotzreaktion gründet er mit seinem Freund Václav Laurin, ein gelernter Schlosser, eine eigene Fahrradmarke: Laurin & Klement ist geboren. Ihr Rad heißt „Slavia“, ein kleiner Seitenhieb gegen Germania. Laurin & Klement haben vom Start weg auf dem Fahrradmarkt großen Erfolg. Bis Klement das erste Motorrad seines Lebens sieht: Ab 1899 werden gleich eigene gebaut. Nachdem das motorische Know-how schon an Bord ist, beschließen Laurin & Klement auch Autos zu bauen. 1905 kommt die Voiturette auf den Markt. Die hat sieben PS, ist deutlich günstiger als Modelle von Benz und mischt ab 1908 als B-Voiturette die Konkurrenz im Rennsport auf. 

Der Mechaniker VÁCLAV LAURIN (geb. 16. Oktober 1865 in Kameni, gest. 3. Dezember 1930 in Mladá Boleslav) und der Buchhändler VÁCLAV KLEMENT (16. Oktober 1868 in Velvary, 13. August 1938 in Mladá Boleslav) gründeten Laurin & Klement, aus der Rad-, Motorrad- und Autoschmiede entstand nach einer Fusion Škoda. Laurin war Techniker und Schlosser, Klement ein Buchhändler mit hoher Affinität zur Technik.

Nach dem Ersten Weltkrieg steht die Fabrik von Laurin & Klement plötzlich in der Tschechoslowakei. Eine Nachfrage nach Autos gibt es zwar, doch fehlt es an Material und Werkzeug. Laurin & Klement fusionieren daher 1925 mit einem strategischen Partner: dem Pilsener Waffen- und Maschinenbaukonzern Škoda. Von nun an arbeiten alle unter dem Logo mit dem geflügelten Pfeil. Ein Entwurf, den der Namensgeber und Firmengründer Emil Škoda persönlich aus den USA mitgebracht haben soll. Der Federschmuck eines Ureinwohners soll ihn dazu inspiriert haben.

Bald darauf wurde die Fertigung in Mladá Boleslav auf Fließbandproduktion umgestellt. Als Meilenstein gilt der Start der neuen Fahrzeuggeneration: Durch den Erfolg der Modelle Popular, Rapid, Favorit und Superb etabliert sich Škoda ab 1936 noch vor Tatra und Praga als die heimische Nummer eins der Autohersteller. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Unternehmen verstaatlicht. Neue Modelle werden entwickelt, wie der erste Octavia und das Cabriolet Felicia. 1964 erscheint die Limousine 1000 MB, welche bei Škoda die Ära des Heckmotors einläutet, die bis in die 80er andauern sollte. Das Coupé 110 R von 1970 war der sportliche Ableger der biederen Limousine. Er war auch die Basis für ein überaus talentiertes Sportgerät: Der 130 RS galt ab 1975 als angesagtes Renn- und Rallyefahrzeug und wurde liebevoll mit dem Titel „Ostblock-Porsche“ dekoriert.

1987 startet der vom Italiener Nuccio Bertone entworfene Škoda Favorit. Bei der Entwicklung des Fahrwerks hilft Porsche, von den Engländern Lucas Girling kommen die Bremsen. Diese außergewöhnliche internationale Mischung bringt den Erfolg. 1994 wird in Mladá Boleslav der einmillionste Favorit gebaut. Der Favorit wird die Eintrittskarte in die Zukunft. Die Fahrzeuge verkaufen sich – im Gegensatz zu den Heckmotor-Vorgängern – sogar im Westen gut. Ein Beispiel: 1988 setzte Škoda in England 16.000 Autos ab. Damit überholt die Ostblockmarke sogar Jaguar bei den Zulassungszahlen. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Eine Automarke aus der Tschechoslowakei verkauft in England mehr Fahrzeuge als ein Lokalmatador.

Als 1989 der Eiserne Vorhang fällt, beginnt im ehemaligen Ostblock der Ausverkauf. Ganz vorne bei den Interessenten steht der damalige Volkswagen-Chef Carl Hahn. Er sieht Škoda als „die Perle des Ostens“ und Mladá Boleslav als „das wichtigste Ziel“. Kein Wunder, denn so kann mit einem Schlag die Zahl der Märkte verdoppelt werden. Für umgerechnet 332 Millionen Euro übernimmt der VW-Konzern 31 Prozent von Škoda.

Den Preis gedrückt hat sicherlich die Amnestie vom neuen Staatspräsidenten Václav Havel. Er begnadigt Anfang 1990 etwa 23.000 Gefangene aus der dunklen Ostblock-Ära, Škoda hat auf einmal keine Zwangsarbeiter mehr. Soldaten müssen einspringen, um das Werk am Laufen zu halten. Als Volkswagen Ende 1990 einsteigt, wird in Mladá Boleslav gleich eine Milliarde Euro investiert, um die Anlagen auf West-Niveau zu bringen. Offensichtlich ein lohnendes Geschäft, denn die Wolfsburger erhöhten kontinuierlich ihren Anteil an dem Unternehmen, bis Škoda im Jahr 2000 komplett im Volkswagen-Konzern eingegliedert war. 

Unsere Zukunft ist das reine E-Auto.
Thomas Schäfer, ehemaliger Škoda-Chef und jetziger Chef der VW-Volumensgruppe (VW, Škoda, Seat)

Und dann gelang etwas Besonderes. Škoda wurde im Sinne der Erfinder als Gegenentwurf zum Establishment. Simply, Clever, lauteten die Werbebotschaften, die einmal keine leeren Hülsen waren. Man fuhr mit Technik aus dem VW-Baukastensystem, aber man baute die Autos immer eine halbe Nummer größer als die Verwandtschaft von Seat und Volkswagen und garnierte sie mit klugen, praktischen Details (eigener Schirm in der Tür etc.), immer im Sinne der Gründer, die sich vom Establishment unterscheiden wollten.

Seit 2014 verkauft Škoda jedes Jahr über eine Million Autos. Das Image ist hervorragend, viele sehen heute in Škoda eher den wortwörtlichen Volkswagen als bei der Verwandtschaft aus Wolfsburg. An die Radvergangenheit erinnert nicht nur eine eigene Rad-Kollektion, sondern man ist als einer der Hauptsponsoren an der Spitze und im Hauptfeld des legendärsten Radrennens der Welt, der Tour de France, unterwegs. Škodas dienen als Begleit- und Kamerawägen.

MARY ANDERSON

Wisch und weg

Am 10. November 1903 erhielt die US-Amerikanerin Mary Anderson das erste weltweite Patent auf einen funk­tionierenden Scheibenwischer. Dieser wurde noch mit der Hand gesteuert, mittels eines Hebels nah am Lenkrad. Erst Bosch baute Motoren ein. Ander­son war umtriebig, als Bauunterneh­merin, Rancherin und Winzerin. Die Erfindung brachte ihr kein Geld.

GIANNI AGNELLI

Der Lebemann

Sein Großvater hatte Fiat gegründet, er baute Fiat zu einem der größten Autohersteller Europas aus. Mit sei­nem Einstieg bei Ferrari (1969) ver­hinderte er den Ausverkauf Ferraris. Unter seiner Ägide wurden Marken wie Alfa oder Lancia eingegliedert. Bekannt war er als Playboy, Stilikone und Fußballliebhaber. Sein Klub hieß Juventus Turin.

ANDRÉ CITROËN

Der Ideengeber

Es war eine Sensation: André Cit­roën, Abgänger der Elitehochschule École polytechnique, präsentierte 1934 den ersten Frontantrieb der Automobilgeschichte. Ein weiterer Höhepunkt seiner Autoproduktion, die er mit Innovationen vorangetrie­ben hat. Aber dann ging er pleite und musste sein Unternehmen ver­kaufen – sein Erfindergeist bleibt (Hydropneumatik etc.).

DER PROFESSOR, DEM NICHT NUR DIE AUTOBAUER VERTRAUEN

Von Gerhard Nöhrer

Helmut List baut keine Autos. Aber ohne seine AVL kommt kein Hersteller aus. Und AVL arbeitet an der Wasserstoff-Zukunft genauso wie an der E-Mobilität oder am neuen Nasa-Mondauto.

Helmut List, den in der Grazer Firmenzentrale alle nur respekt- und ehrfurchtsvoll den Professor nennen, ist Autorität und Koryphäe zugleich: Der CEO und Eigentümer des Weltmarktführers für markenunabhängige Motorenentwicklung muss sich nicht erklären. List als Person wird ebenso hochgeschätzt wie sein Paradeunternehmen AVL, das in der Automobilbranche seit Jahrzehnten Benchmark und erste Adresse für Entwicklung von hocheffizienten Antriebssystemen, Motorenmesstechnik, Prüfständen, Simulation und Testen ist.

Der Professor hatte das renommierte Unternehmen 1979 von seinem Vater und Firmengründer Hans List übernommen und das Profil der Konzerns, der heute über 11.000 Mitarbeiter beschäftigt und mit Entwicklungsbüros weltweit tätig ist, geschärft.

Omnipräsent am Markt und bei den Kunden, muss Helmut List längst nicht mehr um das Vertrauen der Hersteller buhlen, die allesamt im Grazer Hightech-Feinkostladen eingecheckt haben: Praktisch jeder Autobauer von Rang setzt auf das Know-how von AVL, ob Europäer, Amerikaner, Japaner, Koreaner oder Chinesen. Wobei Diskretion im Hause AVL freilich oberstes Gebot ist: Der Kunde ist König, tu Gutes, aber sprich nicht darüber.

Im radikalen Kurswechsel der Mobilität hat sich List schon frühzeitig mit neuen Geschäftsbereichen breit aufgestellt und sich als Vorreiter der klimaneutralen Mobilität positioniert. So steht AVL bei der Transformation des Autos zum „software defined vehicle“ ebenso in der Poleposition wie bei den Themen Elektrifizierung, Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, E-Fuels und autonomes Fahren.

Längst haben sich die internen Kräfteverhältnisse vom Verbrenner in Richtung neue Antriebstechnologien und Software verschoben, das ganze Geschäftsmodell durchläuft eine nicht immer einfache Transformation.

Wie hoch List international im Kurs steht, unterstreicht auch die Zusammenarbeit mit Red Bull in der Formel 1 und die erst kürzlich geschlossene weltweit exklusive strategische Partnerschaft mit Microsoft in Sachen Cloud-Diensten und künstlicher Intelligenz. Und auch die US-Raumfahrtagentur Nasa bedient sich den Diensten der steirischen Spezialisten: So wird List für das neue Mondauto Antriebsstrang, Lenkung, Federung und das autonome Fahren simulieren und entwickeln. Abflug: 2028.

DER GRÖSSTE GEGNER VON ELON MUSK

Wang Chuanfu ist studierter Chemiker und Batterien-Forscher: In nicht einmal 30 Jahren hat er das BYD-Imperium aufgebaut, das vom Handyakku bis zum E-Auto reicht – und selbst Tesla überholt hat.

Von Didi Hubmann

B-Y-D. Der Fotograf ruft nochmals „B-Y-D“. Es ist ein Ritual, Besucher in China, egal, ob im BYD-Hauptquartier oder in einer BYD-Batteriefabrik, werden zum Erinnerungsfoto gerufen. Aus dem Namen BYD haben findige Marketing-Strategen „Build Your Dreams“ („Baue deine Träume“) gebastelt, um dem chinesischen Firmennamen BiYaDi den nötigen inhaltlichen Spin zu geben. Dabei ist BYD tatsächlich ein Traum, den sich aber Wang Chuanfu erarbeitet hat. 2005 hat er das erste Auto bauen lassen. 2023 hat er weltweit Elon Musk und Tesla überholt und die europäischen Hersteller in China in die Schranken gewiesen. BYD gilt inzwischen als Synonym der chinesischen Autowelle, die auf Europa zurollt. Aber wie hat Wang Chuanfu das alles angestellt? Ein Besuch in China dient als Annäherung.

Wir sehen Carl Benz, Henry Ford, Toyota, Tesla, BYD, genau in der Reihenfolge. Die größten Vordenker und Gamechanger der Autoindustrie. Und, zu guter Letzt an der Spitze BYD, das alles verändern soll, komprimiert in einen kurzen Videospot im BYD-Headquarter in Shenzhen, wo 60.000 der 700.000 Mitarbeiter insgesamt tätig sind. Das Hauptquartier ist Forschungslabor und Historienaufarbeitung zugleich, hier hängen Hunderte der fast 30.000 Patente an den Wänden, in Schauräumen werden die technischen Errungenschaften, die Meilensteine des so jungen Unternehmens gezeigt. Im riesigen Ballroom hängt ein Kronleuchter, der wahrscheinlich selbst für Versailles eine Nummer zu groß wäre. Die große Oper für ein Unternehmen, das 1995 mit 20 Mitarbeitern gestartet ist, wiederaufladbare Batterien baute und über die Handys und Techwelt ins Autobusiness kam.

1995, also keine 30 Jahre ist es jetzt her, dass Wang Chuanfu, ein studierter Chemiker aus einfachen Verhältnissen, das Unternehmen gründete. Bekannt ist, dass seine Eltern Bauern waren und starben, als er noch ein Bub war. Mit einem Stipendium studierte er Chemie, er absolvierte ein Masterstudium der Batterietechnologie in Peking, sein Forschungsobjekt im Auftrag der Regierung waren seltene Erden. Das war zu einer Zeit, als das Thema in Europa unterm Radar lief.

WANG CHUANFU
(geb. 8. April 1966 in Wuhu) baute in knapp 30 Jahren eines der größten chinesischen Unternehmen auf. BYD gehört nicht nur zu den größten Systemlieferanten für Handys und Computer (Akkus, Komponenten, Halbleiter), sondern die eigene Automarke überholte zuletzt sogar Tesla im weltweiten Absatz.

Statt mit Industrierobotern 1995 in die Batterieproduktion einzusteigen, entwickelte er einen komplexen Fertigungsprozess, mit einfachen Arbeitsschritten, die auch Mitarbeiter ohne große Ausbildung nachvollziehen konnten – mit der Kostenrechnung konnte er günstiger produzieren. In wenigen Jahren zum Mr. Handyakku, heute ist er aus der Welt der Computer und Handys (Computer, Komponenten, Halbleiter) nicht mehr wegzudenken.

Als er 2003 eine bankrotte Automarke übernahm, beschritt er seinen Weg: Er initiierte eine eigene Autoentwicklung. Und je näher das Elektrozeitalter kam, desto klarer wurde das Bild. Nur mit einem E-Auto, der Batterietechnologie, der ganzen Software konnte er mit den europäischen Herstellern konkurrenzieren.

BYD will sich für den EU-Markt auf die Produktion von Kleinwagen konzentrieren. Wir produzieren in Ungarn und werden dann ein europäischer Hersteller sein.
Penny Peng, BYD-Sprecherin für Europa über die Strategie von BYD und wie man Strafzölle umgehen will

Heute gehört der studierte Chemiker und manische Arbeiter zu den reichsten Chinesen. 2008 präsentierte man das erste Hybridmodell, 2010 das erste Elektroauto. Da hatte Investoren-Legende Warren Buffett im großen Stil ins Unternehmen investiert. Einige vergleichen ihn aufgrund seiner visionären Denke mit Elon Musk, freilich abzüglich der sozialen Netzwerke und dessen erratischer Twitter- und X-Ausflüge. Anfänglich spottete Musk ja über BYD. Bei BYD heißt es diplomatisch, man respektiere ihn.

BYD setzt nicht auf Lithium-Ionen, sondern auf Lithium-Eisenphosphat-Batterien, weil die Batterien länger ihre Substanz halten würden, günstiger sind. Der Prozess des Batterieaufbaus ist vollständig automatisiert, hier, in einer zum BYD-Unternehmen gehörenden Fabrik in Shenzhen, greifen Roboterarme in gut 25 Meter hohen Fabrikshallen nach Rohstoffen aus riesigen Regalräumen. Menschen sind nur vereinzelt zu sehen. Sieben Tage braucht es, um eine Batterie für – in diesem Fall – Nutzfahrzeuge herzustellen, weitere 14 Tage um sie sanft zu aktivieren.

Wie tief der Wille verankert ist, die Autowelt zu erobern, manifestiert sich auch über diverse Strategien der chinesischen Politik. In Europa wird das sehr kritisch beobachtet. BYD baut den Strafzöllen inzwischen vor, eröffnet eine eigene Fabrik in Ungarn und will österreichische Zulieferer gewinnen. Bis die Fabrik steht, werden Schiffe der hauseigenen neuen Frachter-Flotte für den Export befüllt. Zweimal so lang wie ein Fußballfeld (200 Meter), 38 Meter breit, Platz für bis zu 9000 Autos.

BYD hat sich eine machtvolle Position aufgebaut. Man investierte früh in Batterie-Rohstoffe, Minen und Beteiligungen, sogar in eine eigene Halbleiterproduktion. Man ist einer der größten Batterielieferanten für die Autoindustrie. Die Wertschöpfung bleibt zu einem wesentlich höheren Prozentsatz im eigenen Unternehmen. Kostenvorteil: 25 Prozent.

DER SIEG DES AUSSENSEITERS

Armand Peugeot überholte die Pfeffer- und Kaffeemühlen seiner Verwandtschaft mit einem revolutionären Autounternehmen. Seine Wurzeln sind bis heute im Unternehmen verzweigt – und sind mehr als eine müde Hommage an die Geschichte.

Von Christoph Jordan

Die Geschichte der Familie Peugeot aufzuarbeiten, würde überhaupt den Rahmen sprengen: Sie reicht zurück bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Geschäftstüchtig waren sie offensichtlich immer. Wir starten gleich im Jahr 1810, in dem die Peugeots eine Eisengießerei und Sägeblattfabrik gründeten. Seit dieser Zeit gibt es den Löwen als Firmenlogo, dessen Gebiss gut zu den Zähnen der Sägeblätter gepasst hat – außerdem symbolisiert er Kraft, Schnelligkeit und Geschmeidigkeit, was natürlich auch später gut zum Auto passen sollte. 

Als Armand Peugeot bei der Pariser Weltausstellung unter dem soeben eröffneten Eiffelturm seine Lion-Fahrräder präsentiert, wird er auf ein deutsches Duo aufmerksam: Daimler und Maybach stellen dort ihren Stahlradwagen mit modernem Zweizylinder-Benzinmotor vor, zudem fährt auf der Seine ein Shuttleboot, das ebenfalls von einem Daimler-Verbrenner angetrieben wird.

Armand, der parallel mit Dampfwagen experimentierte, ist entflammt. Schwierig für Armand: Er muss mit seiner Autobegeisterung am älteren Neffen Eugène vorbei, der in der Firmenhierarchie über ihm sitzt. Der hält recht wenig davon, will lieber die konservative Kundschaft mit Pfeffer- und Kaffeemühlen, Fahrrädern und Nähmaschinen versorgen und meint schlicht: „Wenn du Autos bauen willst, dann mach es auf eigene Faust.“

ARMAND PEUGEOT
(geb. 26. März 1849 in Hérimoncourt, gest. 2. Januar 1915 in Neuilly-sur-Seine) begann mit der Fahrradproduktion und gründete die Automarke Peugeot. Der Visionär erkannte früh, dass dem Auto die Zukunft gehört.

1896 gründet Armand unabhängig vom Familienunternehmen die „Société des Automobiles Peugeot“ und widmet sich seinen Konstruktionen, die anfangs noch mit Daimler-Lizenzmotoren ausgestattet sind. Der erste richtige Hit ist der Typ 69 von 1904, ein einfach zu fahrender Kleinwagen, der vom Volksmund bald „Bébé“ getauft wird. Kurioserweise stehen 1905 auf dem Pariser Salon gleich zwei Peugeot-Stände.

Nach dem Rückzug von Eugène und der Übernahme des Familienbetriebs durch seine Söhne Pierre, Robert und Jules baut auch diese Firma Autos, welche unter dem Label „Lion-Peugeot“ firmieren. 1910 werden die Autosparten dann zusammengelegt.

1912 erscheint die zweite Generation des Bébé, den ein gewisser Ettore Bugatti konstruiert hat. Ebenfalls übernimmt Robert Peugeot den Vorsitz des Peugeot-Vorstandes. Kurz nach Beginn seiner Präsidentschaft bricht der Erste Weltkrieg aus. Die Produktion leidet, da das Militär die Kapazitäten für kriegswichtige Güter bindet. Robert Peugeot entsendet einen seiner Ingenieure in die USA nach Detroit, um zu sehen, wie die Amerikaner dort ihre Autos bauen.

Diese Erkenntnisse waren noch während des Krieges Grundlage für die Modernisierung der Peugeot-Werke. Peugeot entwickelt sich unter Roberts Führung zu einem der größten Unternehmen Frankreichs. Unter seiner Leitung entsteht auch das heute noch gültige Zahlensystem mit der Null in der Mitte.

Die Geschichte bis in die Neuzeit ist wechselhaft, die Marke Peugeot steht mehrmals am Rande des Scheiterns. Auch nach der Verschmelzung mit Citroën (PSA-Konzern) gab es Krisen. Erst mit einer schmerzhaften Rosskur durch den neuen Chef Carlos Tavares, der heute auch dem Folgeunternehmen Stellantis vorsteht (PSA fusionierte mit dem Fiat-Konzern), gelang der Umkehrschwung.

Die Löwenmarke, die Klassiker wie 504, der Wandel. Peugeot hat zwei große Väter. Gründer Armand Peugeot und Carlos Tavares, der Peugeot nicht nur rettete, sondern auch das heutige Bild mit seinem Team formte. Armand Peugeots Nachfahren sind heute noch am Unternehmen beteiligt.

ENZO FERRARI

Der ruhmvolle Commendatore

Sein Name zergeht Automobilliebhabern und Rennsportfans auf der Zunge. Enzo Ferrari schuf die berühmte italienische Sportwagenmarke, die jeder Mensch kennt und die seit 1946 unter seinem Namen gefertigt wurde. Ferrari galt selbst als begabter Rennfahrer, war zunächst Werkspilot und Direktor von Alfa Romeo, ehe er seine eigene Automarke gründete. 1969 verkaufte der Commendatore die Hälfte der Firma an Fiat. Die „Roten“ aus Maranello sind das erfolgreichste Team der F-1-Geschichte.

PETER SCHREYER

Der Schneider der Koreaner

Er gilt als bester Auto-Designer der Welt. Peter Schreyer schuf für VW und Audi Ikonen wie den Beetle oder den Audi TT und machte danach als Chefstylist die koreanischen Marken Kia und Hyundai begehrenswert. Schreyer ist die hochdekorierte Kultfigur unter den Auto-Designern. In Südkorea wurde der kunstsinnige Bayer, der es als erster Nichtkoreaner zum Präsidenten im Topmanagement brachte, verehrt wie ein Popstar. „Es war ein Fehler, ihn gehen zu lassen“, sagte Ferdinand Piëch.

ELON MUSK

Guru der E-Mobilität

Elon Musk hat das Elektroauto nicht erfunden, aber er hatte die Durchsetzungskraft, seine Vision von der elektrischen Mobilität der Zukunft umzusetzen. Top Ladesystem, exzellente Software, er düpierte die großen Hersteller mit seinen E-Modellen. Musks Anhängerschaft sieht ihn als Guru. Zuletzt kam er aber unter Druck und musste Preise reduzieren, Qualitätsmängel (TÜV-Report) wurden ruchbar. Der Tesla-Autopilot wird kontrovers diskutiert – nach Unfällen wurden Gerichte zur Klärung bemüht.

MATE RIMAC

Erfinder und Vordenker

Der in Bosnien geborene kroatische Erfinder wird auch der „europäische Elon Musk“ genannt – freilich ohne dessen erratische Ader. Mate Rimac gilt als Erfinder und Vordenker, vom Totwinkelassistenten bis zum Hightech-Handschuh. In seinen Fünfliter-V8-BMW implantierte er einst nach einem Motorschaden den E-Motor eines Gabelstaplers. Sein Ideenreichtum fasziniert die Autoindustrie, Hyundai bis Porsche investieren. Rimac baut E-Supersportwägen und wird Bugatti zur E-Marke verwandeln.

EINE JAHRHUNDERT-KARRIERE IM NAMEN DER DOSE

Dietrich Mateschitz revolutionierte die Formel 1 und verlieh dem gesamten Automobilrennsport Flügel. Die Skizze einer Jahrhundertkarriere, und, wie er den Motorsport nachhaltig veränderte.

Von Gerhard Nöhrer

Der Verkauf von Energydrinks hat Dietrich Mateschitz zu einem Milliardär und einem Jahrhundertunternehmer gemacht. Der im Oktober 2022 im Alter von 78 Jahren verstorbene Steirer gründete vor 40 Jahren in Österreich die Weltmarke Red Bull, der in Salzburg beheimatete Konzern verkaufte davon im Vorjahr 12,14 Milliarden Dosen und wächst unvermindert weiter.

Als Marketinggenie erkannte Mateschitz schon sehr früh die Strahlkraft des Sports, vor allem jene des Extremsports, und setzte von Beginn an Maßstäbe, die die gesamte Sportwelt auf den Kopf stellte. Im Kosmos von Red Bull geht es um Geschwindigkeit und Risiko, um Abenteuer und Nervenkitzel, um Leidenschaft und Entertainment auf allerhöchstem Niveau. Schneller, höher, steiler, lautet die Maxime, und dabei gerne etwas verrückt und außer außergewöhnlich: Alles und jedem sollen Flügel verliehen werden.

DIETRICH MATESCHITZ
(geb. 20. Mai 1944 in St. Marein/Mürztal, gest. 22. Oktober 2022 in St. Wolfgang/Salzkammergut). Hochschule für Welthandel, Handelsvertreter, Marketingchef, bevor er 1982 auf den Energydrink stieß. Aufbau einer weltweiten Marke Red Bull, Weltmarktführer bei Energydrinks, Aufbau eines Medienhauses. Weltweit größter Sport-Sponsor, F1-Weltmeister etc. Sein Sohn Marc führt das Lebenswerk fort.

Längst ist Red Bull der größte Sportsponsor der Welt, ein Gutteil des Profits steckt der Konzern in die wichtigste Nebensache der Welt. Dietrich Mateschitz revolutionierte die Formel 1 und verlieh dem gesamten Automobilrennsport Flügel. Der größte Budgetposten ist freilich für den Automobilrennsport reserviert, dessen werbewirksame Bühne Mateschitz schon in Aufbau des Dosen-Imperiums betrat. Red Bull ging überall an Bord: Nascar, DTM, Rallye-WM, Rallye Dakar, MotoGP, Formel 1.

Wobei die Formel 1 mit seiner weltumspannenden Präsenz von Beginn an die bevorzugte Spielwiese des Oberbullen war, der sich zunächst bei Sauber einkaufte und dann, nach dem Erwerb von Jaguar, ab 2005 mit Red Bull Racing sein eigenes Team ins Rennen schickte. Dabei hatte Mateschitz instinktsicher mit Helmut Marko auf den Mann gesetzt, der ihm als Mastermind den Grundstein für den unglaublichen Siegeszug von Red Bull in der höchsten Spielklasse des Motorsports legte, weil er die besten Leute holte, die richtigen Schritte setzte und klare Entscheidungen traf. Marko über Mateschitz: „Als wir loslegten, sagte Didi: ‚Okay, probieren wir es, vielleicht gewinnen wir einen Grand Prix.’ Er fehlt mir unglaublich, das letzte Jahre hätte ihm besonders gefallen. Unser Telefonat fünf Minuten nach Zieleinlauf war Tradition, Didi wollte immer alles genau wissen. Er war immer vorausschauend und positiv.“

Ich bin Humanist, Kosmopolit, Pazifist und Individualist. Und ich bin jemand, der sich grundsätzlich jedem Meinungsdiktat widersetzt. Egal, woher es kommt. 
Dietrich Mateschitz, über sich selbst

Mateschitz prägte und revolutionierte mit seinen Impulsen und seinen weltweiten Promotionaktivitäten den gesamten Grand-Prix-Zirkus. Die Red-Bull-Energy-Station gilt als Epizentrum im Fahrerlager. Auch wenn er sich an der Rennstrecke rar machte und lediglich beim Heim-GP in Spielberg Hof hielt, war der Steirer bis zuletzt eine Schlüsselfigur der Formel 1. Die Rennstrecke in Spielberg hatte Mateschitz 2011 reanimiert und als Red Bull Ring neu eröffnet, der Oberbulle holte auch die Formel 1 zurück ins Aichfeld.

Dietrich Mateschitz hat ein Imperium erschaffen, das sogar die Königsklasse F1 im Motorrennsport nachhaltig verändert hat. Ohne ihn und das G‘spür, Helmut Marko einzusetzen, der Jahrhunderttalente wie Sebastian Vettel oder Max Verstappen entdeckte und förderte, und die Struktur samt Superhirn Adrian Newey aufbaute, hätte es das Team, die Erfolge, nie gegeben. Der letzte große Coup gelang Mateschitz im Juli 2020, als er in der Zeit der Coronapandemie die weltweit erste Sport-Großveranstaltung durchboxte und nach der Zwangspause gleich ein Doppelrennen realisierte.

WIE EIN ÖSTERREICHER BMW RETTETE

Der Österreicher Wolfgang Denzel ist eine Legende, er konstruierte seinen eigenen Sportwagen und etablierte eines der größten Autohandelshäuser. Und ganz nebenbei rettete er mit einer Erfindung BMW: Das ist seine Geschichte.

Von Didi Hubmann

Man muss sich tief ins vorige Jahrhundert zoomen, um die Geschichte in ihrer Ungewöhnlichkeit zu erfassen. Auf der einen Seite: Wolfgang Denzel, 1908 noch zu Zeiten der Monarchie Österreich-Ungarn geboren. Die Journalisten Martin Pfundner und Friedrich Ehn, die Wolfgang Denzel noch persönlich kannten, beschreiben ihn in ihrem Buch („Wolfgang Denzel: Sein Sportwagen und der BMW 700“, Verlag Brüder Hollinek) so: „So wuchs Wolfgang Denzel in Graz heran und zeigte schon früh eine große Vorliebe für Sport wie auch eine ausgesprochen technische Begabung. Meteorgleich etablierte er sich in zwei Sportsaisonen als Motorrad-Geländefahrer von beachtlichem Format mit BMW-Vertrag. So erhielt Denzel im Alter von 30 Jahren die Vertretung der Marke für die Steiermark.“

Nach dem Krieg war es ein schwerer Neubeginn für Denzel. Pfundner/Ehn weiter: „Motor des Unternehmens war stets Wolfgang Denzel, der mit unerhörter Dynamik, mit Willenskraft und Durchsetzungsvermögen den Weg frei nach oben boxte, mitunter fast wie ein Revolutionär. Dabei vermochte der unterhaltsame und charmante Wolfgang Denzel blitzartig auf gnadenlose Härte und Entschlossenheit bis hin zur nackten Brutalität umzuschalten, wenn er auf Widerstand stieß ... Doch Denzel war nicht der Mann, der mit dem Kopf durch die Wand wollte, seine hohe Intelligenz und seine Urteilskraft führte zu klaren Erkenntnissen“, schreiben die beiden Autoren. Denzel konstruierte seinen eigenen Sportwagen auf einem VW-Kübelwagengestell, genauso wie er Schiffskonstruktionen entwarf. Er war Konstrukteur, Rennfahrer und Charmeur, seine Beziehung zu BMW hielt ein Leben lang.

WOLFGANG DENZEL
(geb 11. Januar 1908 in Graz, gest. 15. April 1990 in Berg am Starnberger See. Studierte an der Technischen Hochschule in Graz, konstruierte Motorräder, war Rennfahrer (Motorrad/Auto), Konstrukteur (eigener Rennwagen, Yachten etc.) und er war ein Mastermind hinter dem BMW 700, der letztlich den Konzern rettete. Er gründete auch das Autohaus Denzel.

Wenn man sich in die Geschichte von BMW vertieft, kann man sich aus heutiger Sicht diese Situation gar nicht vorstellen: BMW befand sich tief in den roten Zahlen, musste Kredite aufnehmen, um Mitarbeiter beschäftigen zu können. Das Wirtschaftswunder ließ die florierende Motorradsparte an Speed verlieren, Luxusmodelle wie der wunderschöne BMW 507, bis heute einer der großen Klassiker, brachten zu geringe Stückzahlen. Die Situation verschärfte sich zunehmend, die Notlösung im Lizenzbau des Kabinenrollers Isetta aus Italien brachte zwar Erleichterung, aber noch immer hatte BMW kein Modell, das im Wirtschaftswunderland Deutschland reüssieren konnte.

Wolfgang Denzel, sei vom „Willen beseelt“ gewesen, die Zukunft von BMW durch „eine eigene Modellentwicklung zu sichern“, schreiben Pfundner und Ehn. Mit seinem Netzwerk vom Turiner Designer Giovanni Michelotti bis zum BMW-Vorstand entstand ein Prototypen-Projekt, das in Wien, in der Gumpendorfer Straße, von Denzels Team ab dem Jahr 1957 realisiert wurde. Projektname: WD 600 (Wolfgang Denzel 600). Es war ein völlig neues Konzept. Aber dunkle Wolken schwebten über BMW, die Finanzlage war prekär, sogar eine De-facto-Übernahme durch Mercedes-Benz, wie Pfundner und Ehn schreiben, stand zur Debatte.

Das Projekt wurde weiter vorangetrieben, die Karosserieline nach Denzel und Michelotti fortgeführt, mit technischen Änderungen hieß er dann: BMW 700, der erste BMW mit selbsttragender Karosserie. Bei BMW beschreibt man den Befreiungsschlag mit dem 700er entwaffnend ehrlich: „Am 9. Juni 1959 trat der BMW Vorstand unter Generaldirektor Dr. Heinrich Richter-Brohm die Flucht nach vorn an und präsentierte das zuerst fertiggestellte neue BMW 700 Coupé vor rund 100 internationalen Fachjournalisten.“

Und dem engagierten Eingreifen von Wolfgang Denzel gelingt es buchstäblich in letzter Minute, den schon fast perfekten Verkauf von BMW an Daimler-Benz zu verhindern.
Festschrift zum 80er von Wolfgang Denzel

Der Rest ist Geschichte. Der BMW 700 begeisterte, Experten wie Kunden. Aber BMW war noch immer nicht außer Gefahr, das Unternehmen stand auf der Kippe. Aber die die Allianz der Händler, mit Strippenzieher Wolfgang Denzel im Hintergrund, führte die Bayrischen Motorenwerke in ein Sanierungskonzept und in einen Neustart. In einer Festschrift zu Denzels 80. Geburtstag wird seine Rolle in den Verhandlungen rund um die BMW-Übernahme öffentlich gemacht. „... und dem engagierten Eingreifen von Wolfgang Denzel gelingt es buchstäblich in letzter Minute, den schon fast perfekten Verkauf von BMW an Daimler-Benz zu verhindern. So wird Wolfgang Denzel durch Wort und Tat zum ,Retter von BMW‘. Der BMW 700 wird der erste blau-weiße Erfolgshit nach dem Krieg ...“

BMW gehört zu den erfolgreichsten Premiumherstellern der Welt. Das Unternehmen hat wie damals eine ganz eigene Linie zwischen Technologieoffenheit und dem Bekenntnis zur E-Mobilität gefunden. Das Autohaus Denzel besitzt, so betonen es die Vorstände Gregor Strassl und Hansjörg Mayr immer wieder, immer noch den Spirit des Wolfgang Denzel, um langfristig Erfolg zu haben, samt Immo- und Bankensparte. Heute vertreibt man 20 Automarken in Österreich, BMW ist ein Herzstück davon.

NILS BOHLIN

Der Lebensretter

Dieser Mann hat Millionen von Leben gerettet: Im August 1958 wurde in Schweden der Dreipunktgurt zum Patent angemeldet. Nils Bohlin (1920–2002) hatte davor bei Saab Gurte für Piloten erfunden, ehe er zu Volvo wechselte. Zwar waren verschiedene Gurtsysteme bekannt, aber der Dreipunktgurt war die beste Lösung. Trotzdem setzte sich die Gurt-Pflicht erst Jahrzehnte später durch.

SIR ALEC ISSIGONIS

Maximal Mini

Der Erfinder einer Ikone wurde zum Ritter geschla- gen: Sir Alec Issigonis, Flüchtlingskind, hatte schon früh seine Talente in Sachen Technik entdeckt. In Eng- land entwickelte er 1959 den ersten Mini: klein, vielseitig, Platz für vier Personen. Issigonis war bekannt für seine Abneigungen („Mathe- matik“) und unkonventionel- le Arbeitsweisen (Entwürfe auf Papierservietten etc.).

SIR WILLIAM LYONS

Cat People

William Lyons, 1901 geboren, hatte viele Umwege zu gehen. Er war ein durch- schnittlicher Schüler, hatte diverse Jobs, fuhr Motorrad- rennen, ehe er begann, Mo- torradbeiwagen aufzubauen. Langsam glitt er in die Auto- branche, der Durchbruch gelang nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung von Jaguar. Dann ging es Schlag auf Schlag. XK 120, Siege in Le Mans und 1961: die Legende E-Type.

BOB LUTZ

Die Legende aus Detroit

Er war das Gesicht der US-Automo­bilbranche: Robert „Bob“ Lutz, fast zwei Meter hoch, liebte – zumeist eine dicke Zigarre qualmend – das Scheinwerferlicht. Er machte sich in den Vorstandsetagen von GM, BMW, Ford und Chrysler einen Namen als Car Guy. Die Legende aus Det­roit, einst Kampfpilot, propagiert – 92-jährig – das Elektroauto.

SIE NENNEN IHN DEN „STEVE JOBS“ DER AUTO-INDUSTRIE

Akio Toyoda machte Toyota zum größten Hersteller der Welt. Aber seine Geschichte ist voll von Krisen und Brüchen, ohne die Toyota niemals so gewachsen wäre. Zum Abschied richtete er Toyota noch zum Mobilitätsdienstleister aus.

Von Didi Hubmann

Ich habe es mir nicht ausgesucht, in die Familie Toyoda geboren zu werden. Und ich habe es immer als Art Stigma empfunden.“ Mit diesen Worten wird Akio Toyoda in der Fachzeitschrift „Auto, Motor und Sport“, am Rande des Autorennens „24 Stunden von Le Mans“, von der Journalistin Birgit Priemer zitiert. Knapp ein Jahr ist das jetzt her. Diese paar Worte, der Ort, an dem Rennsportgeschichte geschrieben wurde und wird, es sind wichtige Puzzlesteine seines Lebens und Schaffens. Und sie spiegeln das Credo des „Car Guys“ („Ich liebe Autos“), wie er sich selbst nennt, wider.

„Egal, was ich getan habe, ich wurde immer dafür kritisiert“, führte Toyoda in dem Gespräch weiter aus. Aber gerade die Fähigkeit, Kritik aufzunehmen, Krisen zu meistern, sich selbst immer wieder infrage zu stellen, machten ihn zu einer unverrückbaren Größe der Autobranche. Toyoda steht für so viele Wendungen, Erneuerungen und technische Wagnisse, dass er in der Branche als „Steve Jobs“ der Autoindustrie bezeichnet wurde. Schlagworte wie Mitfahrdienste, Toyota als Mobilitätsanbieter, Mobilitätsformen für ältere Menschen, Elektro-Lufttaxis, Toyota als Technologieträger: Das Werk des Akio Toyoda trägt so viele Gesichter.

AKIO TOYODA
(geb. 3. Mai 1956), Enkel des Firmengründers Kiichiro Toyoda und Sohn von Shoichiro Toyoda. Er übernahm 2009 als erster Toyoda die Geschäftsführung des Automobilkonzerns mit 53 Jahren. Der begeisterte Rennfahrer (unter dem Pseudonym der Kunstfigur „Morizo Kinoshita“) öffnete den Konzern, der verlässlich rund um zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr fertigt, über 500 Tochterunternehmen besitzt und fast 400.000 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere Geschäftsbereiche: vom Mobilfunk bis zum Fertighaus.

Akio Toyoda ist der jüngste Chef, den Toyota je hatte: Als er 2009 den Job antritt, ist der Enkel von Firmengründer Kiichiro Toyoda gerade einmal 53 Jahre alt. Es herrscht Verunsicherung, Toyota hat nach einem Rekordgewinn den ersten Verlust seit 1950 eingefahren. Die japanische Marke mit dem Stammsitz in Toyota City stand am Scheideweg. Design, Fahrverhalten, interne Prozesse: Sogar intern wurde vieles infrage gestellt. In einem tief hierarchischen System galt es, ganze Strukturen aufzubrechen und ein Unternehmen mit 100.000enden Mitarbeitern neu aufzustellen.

Aber es kommt für Akio Toyoda, dem Business-School-Absolventen und Juristen und noch nicht trittfest im Job, noch schlimmer. Die Weltwirtschaftskrise nimmt Anlauf. Aber schon hier wird seine Gabe, Krisen zu erfassen und dabei handlungsfähig zu bleiben, sichtbar. Seine ganze Karriere wird das prägen. Er wird zum Krisenmanager. Jede Krise macht Toyota besser, resilienter und trittsicherer, genauso wie Akio Toyoda selbst, der zur großen, bestimmenden Figur der japanischen Autobranche wächst.

Seine Eintrittskarte für den Chef-Job hatte er durch ungewöhnliche Ideen gelöst. Von der Online-Einkaufsmeile Gazoo bis zur Produktion von Sportwagen, vom Vertrieb in den USA bis nach China. Toyoda galt als umtriebig, vielfältig, und genau diese Fähigkeiten begleiteten seine ersten schwierigen Schritte. Etwa eine riesige Rückrufaktion in den USA aufgrund angeblich klemmender Pedale – was sich im Nachhinein als völlig falsche Anschuldigung erwies. Trotzdem stand Toyoda nicht an, sich öffentlich zu entschuldigen.

Die Wirtschaftskrise, Naturkatastrophen wie der Tsunami von 2011, der auch Japan brutal traf und die Lieferketten in sich zusammenbrechen ließ: Toyoda blieb auf Kurs. Kurz darauf hatte Toyota seinen Nettogewinn verdreifacht, die Modelle wurden langsam entstaubt, die Fahrzeugarchitektur klar aufgestellt, die Entscheidungsprozesse beschleunigt. Akio Toyoda bekannte sich zum Produkt Auto, bis ins Detail mischte er sich ein. „Wir wollen Kunden zum Lächeln bringen“, so Toyoda. Seinen Technikern und Ingenieuren ist das bisweilen vergangen. Bei Testfahrten fielen Sätze wie „Das Auto spricht nicht mit mir“, oder „Beweist mir, dass wir dieses Auto brauchen“. Da hieß es dann: zurück an den Start.

Wer heute die Autos von Toyota näher betrachtet, sieht die letzte Wendung im Schaffen des Akio Toyoda. In den weltweit verstreuten Designzentren entstanden mutige Konzepte, die durchaus polarisieren – genauso wie propere Kleinwägen, die mit der Hybridtechnik keine vier Liter Sprit auf 100 Kilometer benötigen.

Egal, was ich getan habe, ich wurde immer dafür kritisiert.
Akio Toyoda, Toyota-Chef bis 2023

Und da zieht wieder die Kritik ins Haus. Toyota habe sich zu lange Zeit gelassen mit seiner Elektro-Strategie. Das könnte auch mit der anfänglichen Skepsis zu tun haben, die Akio Toyoda auch nicht verheimlichte. Die Ära der Hybriden hat sein Konzern eingeleitet, die E-Autos galten für den Weltkonzern, der Autos für den gesamten Globus baut, als schwieriges Thema, auch, weil die Infrastruktur in vielen Regionen der Welt einfach nicht existiert. Toyoda forderte Technologieoffenheit ein, vom Wasserstoff bis zum E-Auto. Der nächste Coup, den sein Nachfolger Koji Sato präsentieren wird, soll eine Feststoffbatterie sein.

Akio Toyoda hat den Konzern aus den schlimmsten Krisen geführt und zum größten Autobauer der Welt gemacht. Design, Technologieoffenheit bis hin zum Wasserstoffantrieb: Er hat den Konzern geöffnet und zuletzt die Entwicklung zum Mobilitätsdienstleister eingeleitet.

DER STOFF, AUS DEM DIE TRÄUME SIND

Michio Suzuki, Gründer der gleichnamigen Firma, gilt als Wanderer zwischen den Welten: vom Webstuhl über Bootsmotoren, Motorräder und Autos.

Von Christoph Jordan

Im Falle Suzuki waren es keine Nähmaschinen wie bei Opel und Peugeot: Michio Suzuki, damals erst 22 Jahre alt, gründete 1909 seine Firma zur Herstellung von Webstühlen. Suzuki war so erfolgreich, dass er bereits im Jahr 1920 an die Börse ging, gelistet unter dem für uns phonetisch interessanten Namen Suzuki-shiki shokki K.K. Das exakte Erkennen von Bedürfnissen und die kundenfreundliche Umsetzung von Lösungen galt als Spezialität des jungen Michio. In den 30ern stieg das Interesse an Autos, die auch dem Firmengründer gut gefielen. Warum nicht auch selber machen? Die Legende besagt, dass sich Suzuki für Studienzwecke einen Austin 7 importiert hat – sein eigenes Auto vereitelte vorerst der Krieg.

Nach dem Krieg fertigte Suzuki zunächst dringend benötigte Landmaschinen. Erst 1952 wurde mit der „Power Free“, ein besseres Hilfsmotorfahrrad mit 36 Kubik, der Grundstein zur Mobilisierung der Massen gelegt. Mit monatlich 6000 produzierten Einheiten gehörte Suzuki plötzlich zu den weltweit größten Herstellern von Motorrädern. 1955 geht dann Michio Suzukis Traum endlich in Erfüllung und der Suzulight, das erste Auto, in Serie. Ein weiteres Geschäftsfeld wird 1965 eröffnet. Der schlichte Name „D55“ steht für den ersten Außenbordmotor der Firma. 1970 erscheint bereits der erste Jimny, quasi der erste kleine, zivile Offroader, der nicht umsonst eine enorme Fangemeinschaft hat. Es sollte allerdings noch bis 1980 dauern, bin man die ersten Autos in Österreich kaufen konnte – Motorräder waren hierzulande bereits 1969 erhältlich. Es sollte auch nicht mehr lange dauern, bis der größere und bequemere Vitara auf den Markt kommen sollte. Der erscheint 1988 und gehört – trotz robustem Unterbaus – zu den Vorreitern des Kompakt-SUV-Segments.

Suzuki gehörte zu den ersten, die Geländegängigkeit mit Chic und Praxisnutzen verbanden – das gab’s vorher bestenfalls beim deutlich größeren und teureren Range Rover. Der Name Vitara ist eine Konstante in der Modellpalette geblieben, samt Hybrid.

EIN NEUES ZEITALTER IST ANGEBROCHEN

Euisun Chung lässt Roboter genauso wie Wasserstoff-Busse, Elektroautos und selbst fahrende Knutschkugeln bauen: Er baut Hyundai zum Mobilitätsanbieter um, weil er die Mobilität völlig neu denkt – das ist seine Vision.

Von Didi Hubmann

Es muss für ihn ein Triumph gewesen sein. Bei der letzten Seoul Motorshow wurde das Bild klarer, was Hyundai-Chef Euisun Chung unter Mobilität versteht: Mobile Roboter wanderten über das Showgelände, darunter der zum Konzern gehörenden Roboterhund Spot. Dieser hat vier Beine, läuft wie ein Hund, er besitzt die Statur eines mittelgroßen Hundes, ist aber kein Hund, sondern ein Roboter, der knapp über 80.000 Euro kostet. In New York unterstützt er die Polizei, in Pompeji überwacht er Ruinen, in Österreichs größtem Kraftwerk der Wien Energie in Simmering wandert er mit thermografischer Kamera, Akustik- und Schnüffelsensor über das Gelände. Er ist nur ein Mosaikstein in einem völlig neuen Mobilitätsverständnis, zwischen E-Autos, Wasserstoff-Technologie und eben Robotern von der von Hyundai gekauften US-Firma Boston Dynamics.

Das Erstaunliche: Euisun Chung hat das in nicht einmal vier Jahren geschafft. Sein Vater Mong-Koo-Chung hatte den Hyundai-Konzern zu einem der größten Autobauer geformt, 20 Jahre war er an der Spitze des Unternehmens gestanden und hat Krisen gemeistert, an denen andere zerbrochen wären. Mehrfach wurde Euisun Chungs Vater Mong-Koo Chung gerichtlich belangt, jedes Mal zog er seinen Kopf mehr oder weniger erfolgreich aus der Schlinge, 2010 musste er sogar 44 Millionen Euro aufgrund verlustreicher Geschäfte an den eigenen Konzern zahlen.

EUISUN CHUNG
(geb. 18. Oktober 1970 in Südkorea) absolvierte Ausbildungen an der Uni Korea und an der Uni von San Francisco. Er durchlief eine ganze Reihe von Funktionen in der Hyundai-Gruppe (Kia-Präsident, Geschäftsplanung Hyundai etc.). Seit 2020, als er mit nur 49 Jahren den Chefposten von seinem Vater übernahm, baut er den Konzern zu einem Anbieter von Mobilitätslösungen um, vom E-Auto bis zum Wasserstoff-Bus, vom Roboter bis zur Smart City.

Im weitreichenden Schatten hatte Euisun Chung genügend Zeit, seine eigene Vision zu formen, die weit weg von seinem Vater liegt. Schon 2019, ein Jahr vor seiner Inthronisation, hatte er mit Mate Rimac, dem kroatischen Elektro-Guru, der gerade Bugatti mit seinem Know-how elektrifiziert, eine Beteiligung vereinbart. Hyundai und die Tochter Kia zahlten rund 70 Millionen Euro für den Einstieg und die Anteile, die neuestes Wissen für die E-Mobilität versprachen. In den Jahren zuvor hatte er Kia in die Spur gebracht – auch mit dem Star-Designer Peter Schreyer – und unterschiedlichste Posten erfolgreich durchlaufen, die Euisun Chung mit nicht einmal 49 Jahren auf den Chefposten brachten.

Was er mit seinen Investitionen in Start-ups oder eben in Rimac in Bewegung setzte, kann man an den Produkten ganz gut ablesen: Etwa bei der neuen Generation von E-Autos, die in der Mittelkasse mit technischen Besonderheiten der Luxusklasse vorfahren (800-Volt-Architektur etc.).

Künstliche Intelligenz, Putz-Roboter, Pflege-Roboter für Pflegeheime sind nur ein weiterer Schritt in Euisuns Vision und Strategie. An den Schnittstellen zwischen autonomen Fahrzeugen und denkenden Robotern bewegen sich Lieferroboter für Lieferdienste oder Baby-Wiegen, die mit schreienden Kleinen selbstständig durch die Wohnung zu Mama/Papa fahren. Ein personalisierter, autonom fahrender Einzeller – für eine Person, mit einem Sitz, geschützt von Glasscheiben und Dach –, der sich elektrisch und leise bewegt, während man schläft oder döst, ist die letzte Erfindung. Eine Single-Knutschkugel der Zukunft, aber fescher als jeder Rollator.

Die Auswirkungen der Coronapandemie reichen lange nach – mit höheren Zinsraten, Inflation und Schwankungen in den Wechselkursen. Dazu kommen geopolitische Risiken. Alle diese Faktoren führen zu einer größeren wirtschaftlichen Unsicherheit. Ich bin sicher, dass wir aus Krisen neue Chancen ergreifen werden.
Euisun Chung, Hyundai-Chef

Technologieoffenheit ist sein Credo, in Wien und Graz fahren die ersten Wasserstoffbusse vor, man entwickelt Wasserstoff-Pkw weiter. Man ist in der Stahlproduktion tätig, baut Frachtschiffe und deren Motoren. Und bringt in diesen Schiffen Autos und Roboter in die ganze Welt, gelenkt von der hauseigenen Logistikfirma. Die Autos wiederum werden mit Teilen der eigenen Zuliefererfirma bestückt. Man forscht an brennstoffzellenbetriebenen Lufttaxis. Autonome Fahrzeugkonzepte werden erprobt, auch Busse, in die ganze Ökosysteme implementiert werden: Während man virtuell unterwegs ist, wird der Tisch im Bus zum Touchscreen und die Bus-Fenster mutieren zum Riesenbildschirm. Wenn’s zu kalt wird, kann man einen Outdoor-Shop über den Touchscreen aktivieren, wärmende Jacken aussuchen, die auf den Fenster-Bildschirmen animiert gezeigt werden – während man in Echtzeit die Jacke bestellen kann

Unter Euisun Chung ist Hyundai zu einem anderen Konzern geworden. Er gilt als einer der einflussreichsten Mobilitätsvordenker Asiens. Euisun Chung wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa bei der Newsweek‘s-Wahl zu den „World‘s Greatest Auto Disruptors“ wurde er 2022 zum „Visionär des Jahres“ ernannt. In nur vier Jahren als Chef hat er den Konzern von einem Automobilhersteller zu einem Anbieter von Mobilitätslösungen der Zukunft umgebaut: mit den Themenschwerpunkten autonomes Fahren, Elektrifizierung, Wasserstoff-Brennstoffzellen, Robotik und urbane Luftmobilität sowie Ideen für die Smart City der Zukunft. Vieles hatte er schon vor seiner Inthronisation angestoßen.

LI SHUFU

Der chinesische Henry Ford

Li Shufu stammt aus einfachen Ver­hältnissen, sein Vater war Reisbauer – er baute ein Fotostudio auf, recy­celte Elektroschrott, baute ein Unter­nehmen für Kühlschrankteile, eine Moped-Produktion und den Auto­hersteller Geely auf. Mit Erfolg! Heute gehören ihm Volvo, Lotus, Polestar und zehn Prozent von Daimler. Sie nennen ihn den Henry Ford Chinas.

JOHN BOYD DUNLOP

Der Mann, der Luft in die Reifen brachte

Tierarzt John Boyd Dunlop ärgerte sich dermaßen über die schlechten schottischen Straßen, dass er 1887 für das Fahrrad seinen ersten luft­gefüllten Gummireifen konstruierte, zunächst umwickelt mit Stoffstreifen aus einem Kleid seiner Frau. Ein Jahr später meldete Dunlop das Patent für den ersten Fahrradluftreifen an.

ALBERT DE DION

Seiner Zeit weit voraus

Der französische Adelige Albert de Dion galt als Playboy, Technik-Freak und Mitbegründer des Autoherstel­lers De Dion-Bouton. Die größte Erfindung des Grafen, der das erste Autorennen der Welt von Paris nach Rouen gewann, war die De-Dion-Achse, die er 1893 patentieren ließ. Die Starrachse wird bis heute in Automobilen verbaut.

FELIX WANKEL

Der Tüftler und sein Wundermotor

Grandios oder genial daneben? Jahrzehnte tüftelte der deutsche Kaufmann und technische Autodi­dakt Felix Wankel am Kreiskolben­motor. Der hohe Verbrauch wurde dem Wundermotor mit der Ölkrise in den 70er-Jahren zum Verhängnis. Ein Comeback feiert der Wankel­motor zuletzt bei Mazda – in einem Elektro-Hybrid.

„GEHT MAN SO MIT MÄNNERN UM?“ JA, MICHÈLE MOUTON BESIEGTE DIE BESTEN

Michèle Mouton schrieb Motorsportgeschichte und putzte das Image von Audi auf. So eine Karriere feierte keine Frau vor ihr und nach ihr. Medien bezeichneten sie als „Der schwarze Vulkan“.

Von Didi Hubmann

Der 10. Oktober 1981 ist in die Geschichte des Automobilrennsports eingegangen: An diesem Tag gewann Michèle Mouton mit einem Audi quattro die San Remo Rallye und als erste Frau einen Rallye-WM-Lauf. Und es war auch der Tag, an dem sich in der männerdominierten Rallyeszene eine gewisse Fassungslosigkeit breit machte: Wie konnte das passieren?

Es dauerte in der Folge noch eine Weile, bis der letzte Macho im Rallyezirkus geschnallt hatte, dass hier eine Frau am Level der Besten unterwegs war und Auto fahren konnte wie der leibhaftige Teufel. Und auch wenn es zuvor schon famose Pilotinnen vom Schlag einer Pat Moss, Lella Lombardi oder Ellen Lohr gegeben hatte: Michèle Mouton war bislang die schnellste Frau, die je am Lenkrad eines Rennautos drehte.

MICHÈLE MOUTON
(geb. 23. Juni 1951 in Grasse/F) ist die erfolgreichste und bekannteste Rennfahrerin der Geschichte. Markenweltmeisterin mit Audi, Siege bei Rallye-WM-Läufen. Mutter und Managerin von Rallye-Veranstaltungen und im Automobilverband. Ritter der Ehrenlegion.

Dabei war die schwarz gelockte Südfranzösin bei Audi erst zum Zug gekommen, als Wunschkandidat Walter Röhrl Ende 1980 den Ingolstädtern überraschend abgesagt hatte. Die Verpflichtung von Mouton sollte sich für Audi als Goldgriff erweisen: Dass eine Frau die besten Männer bügelt, war ein Festmahl für die Medien, Schöngeist-Magazine und bunte Lifestyle-Hefte brachten plötzlich Covergeschichten und lieferten sich erhitzte Kämpfe um die besten Schlagzeilen. „Der Satan hinter dem Steuer“ titelte ein Blatt, „Die sanfte Wilde“ und „Der schwarze Vulkan“ schrieben andere und eine Zeitschrift fragte sogar sorgenvoll: „Springt man so mit Männern um?“

In der Marketingabteilung von Audi rieb man sich jedenfalls die Hände angesichts der hohen Publicity, eine bessere Werbebotschafterin für die neue Technologie quattro hätte man nicht finden können. Als Walter Röhrl zu Protokoll gab, dass „selbst ein dressierter Affe“ mit dem Audi quattro siegen könnte, brach zwar kurz eine Irritation aus, aber als dann klar wurde, dass Röhrl damit die Überlegenheit des Allradantriebs dokumentieren wollte und nicht die fahrerische Qualität von Mouton infrage stellte, war wieder alles im Lot.

Überhaupt kam Mouton, 1951 in Grasse bei Nizza geboren, dem neuen Bild der Frau im Motorsport gut zurecht. „Ein Mann wird es nie mögen, von einer Frau geschlagen zu werden. Trotzdem habe ich nie eine besondere Rivalität gespürt, es gab nie komische Gefühle oder eine Barriere.“ Und auf die Frage nach der Angst des Mädchens vor der nächsten Kurve sagte sie bloß: „Manchmal hat jeder die Hose voll, ob Mann, ob Frau.“

Das Duell mit Röhrl wurde freilich hochgespielt. Auch als der Bayer, der dann drei Jahre lang ihr Teamkollege bei Audi war, einmal in einem Interview wissen ließ, dass „er gar nicht bemerke, dass Michèle eine Frau sei“, blieb die sonst impulsive Südfranzösin gelassen und sagte selbst: „Wenn ich am Start war, habe ich auch nicht daran gedacht, ob ich eine Frau bin oder ein Mann. Ich bin einfach gefahren.“ Röhrl war der Einzige, der Mouton fahrerisch im Griff hatte. „Walter war der Allerbeste“, hielt Mouton fest. Röhrl, der sie gerne Madame nannte, zeigte umgekehrt großen Respekt vor ihr: „Nie wieder hat es eine Frau gegeben, die in einem Männersport so gut war. Ihre Leistung war unglaublich.“ Die beiden sind bis heute befreundet.

Manchmal hat jeder die Hose voll, ob Mann, ob Frau.
Michèle Mouton, legendäre Rennfahrerin

Die Asphaltspezialistin gewann für Audi vier WM-Läufe, 1982 verpasste sie den Titel nur knapp und wurde Vizeweltmeisterin. 1984 siegte sie im Pikes-Peak-Bergrennen in Colorado. 1985 verließ sie Audi, wechselte zu Peugeot und wurde noch Deutsche Rallyemeisterin. Danach beendete sie ihre Karriere, wurde Mutter und organisierte danach jahrelang das „Race of Champions“, ein Spektakel, in dem Formel-1-Stars gegen Rallyefahrer antraten. 2011, als sie vom damaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zum Ritter der Ehrenlegion ernannt wurde, holte sie auch Jean Todt zur FIA, Michèle Mouton war Präsidentin der FIA-Kommission für Frauen und zuletzt Sicherheitsdelegierte bei Rallye-Weltmeisterschaftsläufen.

Vor zwei Jahren wurde ihre außergewöhnliche Karriere nochmals gewürdigt: Das Mouton-Porträt „Queen of Speed“, eine Sky-Original-Dokumentation, wurde bei den International Emmy Awards in New York als bester Sportfilm ausgezeichnet.

Michelle Mouton hat Audi in einer Art geprägt wie keine Frau vor und keine Frau nach ihr. Für Audi war sie mehr als eine Botschafterin, weil sie in einer Zeit siegte, in der Frauen in der Welt des Männersports keinen Platz hatten. Und Audi mit aller technischen Überlegenheit ein neues Image kreierte, das bis heute nachwirkt und Mouton ein entscheidendes Puzzleteil war.

LEE IACOCCA

Der Retter von Chrysler

Bekannt machte ihn sein Rausschmiss bei Ford. Lee Iacocca, Schöpfer der Sportwagen-Ikone Mustang, war Henry Ford II zu mächtig geworden. Der dynamische Italo-Amerikaner bestieg darauf ein Wrack namens Chrysler und bewirkte ein Wunder. Der sieche Dampfer wurde zum Traumschiff. In den USA erschallte gar der Ruf: „Iacocca for President.“

VINCENZO LANCIA

Der geniale Konstrukteur

Wäre es nach seinem Vater gegan­gen, hätte Vincenzo Lancia Rechts­anwalt werden sollen. Doch er entschied sich für den Mechaniker-Beruf und fuhr für Fiat Autorennen. 1906 gründete er Lancia: Die Autos, die durch technisch wegweisende Lösungen und zeitlosen Stil einzig­artig waren, wurden zu Meilenstei­nen der Automobilgeschichte.

SIEGFRIED MARCUS

Der Frühstarter

An Siegfried Marcus scheiden sich die Geister. Einerseits gilt er als geni­aler Erfinder, der Patente am Fließ­band einreichte. Andererseits ist sein Titel „Erfinder des Automobils“ aus dem Jahr 1875 umstritten, die Belege sind mangelhaft. Unbestritten sind jedoch seine Pionierleistungen: Ver­gaser, Benzinmotoren und seine zwei Motorwagen.

RUDOLF DIESEL

Der Wunderknabe

Rudolf Diesel galt als Wunderknabe, fasziniert von Maschinen und Moto­ren. Im Jahr 1893 erhält er das Patent für eine „Neue, rationelle Wärme­kraftmaschine“. Er braucht jedoch bis zum Jahr 1897, um den Motor zum Laufen zu bringen – Start einer Welt­karriere für diese Technik. Rudolf Die­sel starb unter mysteriösen Umstän­den bei einer Schiffsfahrt.

DAS VERKAUFSTALENT EINES TÜFTLERS

Louis Renault gründete den Automobilkonzern in einer Gartenhütte: Er konstruiert zahlreiche technische Komponenten, die bis heute noch in Autos zu finden sind.

Von Gerhard Nöhrer

Bei einer Verabredung mit Freunden findet Louis Renault 1898 die Gelegenheit, seinen Freunden die Qualitäten seines selbst entwickelten ersten Automobils eindrucksvoll vor Augen zu führen. Mit seiner „Voiturette“, zu Deutsch „Autochen“, erklimmt der 21-Jährige immer wieder die steilste Straße von Paris, die Rue Lepic zum Montmartre. Sein älterer Bruder Marcel erklärt derweil den Passanten die Vorzüge des 1,75 PS starken Motors, vom neuen, wartungsarmen Kardanantrieb und des Dreiganggetriebes. Ziemlich ausgeklügelt, gemessen am damaligen Mitbewerb.

Noch am selben Abend nehmen die Brüder Renault zwölf Bestellungen für das Auto auf, es sollte der Auftakt einer steilen Karriere sein.

Unmittelbar danach gründet Louis mit seinen Brüdern Fernand und Marcel die Firma „Renault Frères“. Der Firmensitz ist vorerst eine bessere Gartenhütte auf dem Familien-Landsitz in Billancourt. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Im Laufe des Jahres 1899 gehen insgesamt 71 Bestellungen ein, 1902 sind es bereits 509. Die Gartenhütte ist mittlerweile zu einer echten Fabrik geworden, in der auf 7500 Quadratmeter angewachsenen Produktionsstätte arbeiten bereits 500 Mitarbeiter. Zur Popularität der Marke trägt natürlich auch das Engagement im Motorsport bei, der leider einen tragischen Moment für die Gebrüder bereithält: Marcel verunglückt 1903 bei der Fernfahrt Paris-Madrid.

Der Tüftler Louis Renault konstruiert zahlreiche technische Komponenten, die bis heute noch in Autos zu finden sind. Er erfindet unter anderem den Vorläufer des Turboladers, Innenbacken-Trommelbremsen und die einschraubbare Zündkerze. Aber auch auf der geschäftlichen Seite bewies Louis Renault Weitsicht.

Einerseits gehörte er zu den Ersten, die auch abseits der Luxusklasse erfolgreich sein wollten – die breite Masse sollte motorisiert werden. Außerdem sollte es einfach sein, einen Renault zu kaufen: Schon 1905 umfasste das Händlernetz in Frankreich 120 Filialen, Außendienstmitarbeiter gab es in beinahe jeder europäischen Großstadt. 

Renault geht zurück und doch in die Zukunft. Alte Klassiker werden wieder belebt und ins Elektrozeitalter übersetzt, wie R5, R4 oder der Twingo. Und ganz im Sinne des alten Tüftlers Louis Renault findet man auch zu technischen Finessen zurück, die man zwischenzeitlich ein wenig vernachlässigt hatte. Der neue Chef Luca de Meo schreckt auch nicht davor zurück, Entwicklungen wieder auf null zu setzen, wenn sie nicht entsprechen. Renault umfasst heute weiters die Marken Dacia und Alpine.

Design: Tim Kirchner, Bianca Höller, Winona Pilat

Digitale Aufbereitung: Ulrike Hofer, Oliver Geyer

Intro-Collage: KLZ (Fotos: Getty Images, Imago, APA, Renault Österreich GmbH, Unternehmensarchiv der Audi AG, Hyundai, Skoda Österreich, Skoda Auto)

Fotos: APA (9), Rudi Schedl, Bundesarchiv, KEG, Adobe Stock (3), KK (2), Kleine Zeitung (4), AP (4), Daimler AG (2), Gero Breloer, Jürgen Fuchs, Oliver Wolf, Getty Images (3), DPA (2), EPA (2), Inoes, Martin Meiners Photography, VW, APA, AAC, Imago (5), Mazda Motor Deutschland, Eugene Hoshiko, SKODA Österreich, SKODA AUTO, Peugeot Austria GmbH, GEPA, Irmgard Daempfer, Denzel Gruppe, Unsplash, Suzuki, Susan Walsh, Expa Pixsel, Library of Congress, Granata Images, Hyundai, John Locher, Unternehmensarchiv der Audi AG (2), Renault Group