In Minecraft

Graz, Österreich und die ganze Welt, Block für Block nachgebaut

Minecraft ist nicht nur das meistverkaufte Computerspiel der Welt, sondern eine Bewegung. Ein wachsender und wichtiger Teilbereich: Menschen, die Städte nachbauen. Was diese antreibt und wie sie arbeiten. 

Von Markus Zottler und Jonas Binder

In gerade einmal neun Monaten baute Nikola Satrapa die Hofburg. Die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten blieben davon gänzlich unbeeinträchtigt. Moke Rudolf-Klengel wiederum ist stolzer Bauherr des Grazer Rathauses. Bauzeit? "Zwei Wochen", erzählt er. "Aber ich überarbeite es jetzt noch einmal." Vor allem die Kuppeln würden große Konzentration abverlangen. Rudolf-Klengels Vorteil: Steigende Preise für Ziegel, Holz oder Zement tangieren ihn nicht. Seine Welt ist eine virtuelle. Eine, die aus vielen digitalen Würfeln besteht. Mit diesen wird Realität abgebildet – im Maßstab 1:1. Ein Block in Minecraft entspricht also einem Kubikmeter in der echten Welt.

Ein digitaler Nachbau der Erde im Computerspiel Minecraft, das ist die Vision der Initiative "Build The Earth" – auch wenn den Buildern, wie sich die digitalen Bauherren selbst nennen, bewusst ist, dass sie einen flächendeckenden Nachbau unseres Planeten wohl nie schaffen werden.

Das zeigt sich auch am Beispiel Graz, wo Rudolf-Klengel besonders fleißig baut: "Ich spezialisiere mich gerade hauptsächlich auf die Innenstadt. Es ist immer noch ein sehr kleiner Teil, der steht." Ikonische Wahrzeichen der steirischen Landeshauptstadt wie den Schloßberg, das Kunsthaus, Schloss Eggenberg oder diverse Kirchen kann man schon digital besichtigen. Während in der Realität die Verbauung der Stadt politisch brisanten Zündstoff birgt, herrscht im Spiel in den Randbezirken noch gähnende, unverbaute Leere.

Minecraft ist nicht nur das meistverkaufte Computerspiel der Welt, sondern eine Bewegung. Ein wachsender und wichtiger Teilbereich: Menschen, die Städte nachbauen. Was diese antreibt und wie sie arbeiten. 

Von Markus Zottler und Jonas Binder

In gerade einmal neun Monaten baute Nikola Satrapa die Hofburg. Die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten blieben davon gänzlich unbeeinträchtigt. Moke Rudolf-Klengel wiederum ist stolzer Bauherr des Grazer Rathauses. Bauzeit? "Zwei Wochen", erzählt er. "Aber ich überarbeite es jetzt noch einmal." Vor allem die Kuppeln würden große Konzentration abverlangen. Rudolf-Klengels Vorteil: Steigende Preise für Ziegel, Holz oder Zement tangieren ihn nicht. Seine Welt ist eine virtuelle. Eine, die aus vielen digitalen Würfeln besteht. Mit diesen wird Realität abgebildet – im Maßstab 1:1. Ein Block in Minecraft entspricht also einem Kubikmeter in der echten Welt.

Ein digitaler Nachbau der Erde im Computerspiel Minecraft, das ist die Vision der Initiative "Build The Earth" – auch wenn den Buildern, wie sich die digitalen Bauherren selbst nennen, bewusst ist, dass sie einen flächendeckenden Nachbau unseres Planeten wohl nie schaffen werden.

Das zeigt sich auch am Beispiel Graz, wo Rudolf-Klengel besonders fleißig baut: "Ich spezialisiere mich gerade hauptsächlich auf die Innenstadt. Es ist immer noch ein sehr kleiner Teil, der steht." Ikonische Wahrzeichen der steirischen Landeshauptstadt wie den Schloßberg, das Kunsthaus, Schloss Eggenberg oder diverse Kirchen kann man schon digital besichtigen. Während in der Realität die Verbauung der Stadt politisch brisanten Zündstoff birgt, herrscht im Spiel in den Randbezirken noch gähnende, unverbaute Leere.

Dieses Grazer Gebäude ist auch schon fertiggestellt. Erkennen Sie es? Für die Auflösung bitte weiterscrollen!

Dabei handelt es sich natürlich um das von Moke Rudolf-Klengel errichtete Abbild des Grazer Rathauses.

Dass ein derart zeitintensives Projekt wie "Build the Earth" (BTE) mit März 2020 gerade zu Beginn der Coronapandemie und der weltweiten Lockdowns startete, als viele plötzlich viel Zeit zu Hause verbrachten, passt natürlich wie die Faust aufs Auge – oder wie ein Block auf den anderen.

Initiiert hatte es der Youtuber "PippenFTS", dessen Kanal mehr als eine halbe Million Zuseher abonniert haben. Über einen Discord-Server begann sich die globale BTE-Community zu vernetzen. Bereits im April 2020 zählte er mehr als 100.000 Mitglieder, aktuell sind es mehr als 160.000.

Minecraft ist bekannt für zahllose Mods (die Mod-Website CurseForge listet mehr als 110.000), also von Nutzern generierte Anpassungen bzw. Erweiterungen der Spieloptik oder -mechaniken. BTE nutzt Mods, um aus Geodaten von Google Maps und Co im Spiel ein digitales Abbild der Erdoberfläche zu generieren und um die übliche Höhenbeschränkung von 256 Blöcken zu umgehen. So kann sogar der Mount Everest virtuell bestiegen werden.

Die automatisch generierte Erdoberfläche dient als Basis für die Builder, um Städte, Dörfer, historische Gebäude, Autobahnen oder auch ihre Heimathäuser nachzubauen. Mitte August 2022 gab es weltweit etwa 4700 verschiedene aktive Bauprojekte, die zusammen gut 7000 Quadratkilometer abdecken. Auf der offiziellen Website des Projekts zeigt einer Karte, wo überall gebaut wird.

Die heimischen Baumeister

Moke Rudolf-Klengel, ausgestattet mit Studiumserfahrung im Feld der Architektur, und Nikola Satrapa sind gewichtige Mitglieder von "Alps BTE", jenem ziemlich zu Beginn des BTE-Projektes im April 2020 gestarteten Teil, der Österreich, die Schweiz und Liechtenstein nachbaut.

Die Bauherren Nikola Satrapa und Moke Rudolf-Klengel mit ihren Minecraft-Avataren. Fotos: KK, Johannes Gellner

Die Bauherren Nikola Satrapa und Moke Rudolf-Klengel mit ihren Minecraft-Avataren. Fotos: KK, Johannes Gellner

Nach einem wahren Ansturm von Baumeistern am Höhepunkt der Coronapandemie ist das Interesse heute zwar etwas abgeflacht, aber weiterhin hoch. Rund 450 Menschen bauen an den drei "Alps"-Ländern mit. Und kommen dabei flott voran. Wien, Graz, Klagenfurt oder Hallstatt – überall finden sich ihre virtuellen Fußabdrücke.

In Summe sind auf dem heimischen Server allerdings erst etwa 0,01 Prozent der Fläche fertiggestellt. Dazu gehört beispielsweise auch das Gelände des Red Bull Rings in Spielberg.

Dass ein derart zeitintensives Projekt wie "Build the Earth" (BTE) mit März 2020 gerade zu Beginn der Coronapandemie und der weltweiten Lockdowns startete, als viele plötzlich viel Zeit zu Hause verbrachten, passt natürlich wie die Faust aufs Auge – oder wie ein Block auf den anderen.

Initiiert hatte es der Youtuber "PippenFTS", dessen Kanal mehr als eine halbe Million Zuseher abonniert haben. Über einen Discord-Server begann sich die globale BTE-Community zu vernetzen. Bereits im April 2020 zählte er mehr als 100.000 Mitglieder, aktuell sind es mehr als 160.000.

Minecraft ist bekannt für zahllose Mods (die Mod-Website CurseForge listet mehr als 110.000), also von Nutzern generierte Anpassungen bzw. Erweiterungen der Spieloptik oder -mechaniken. BTE nutzt Mods, um aus Geodaten von Google Maps und Co im Spiel ein digitales Abbild der Erdoberfläche zu generieren und um die übliche Höhenbeschränkung von 256 Blöcken zu umgehen. So kann sogar der Mount Everest virtuell bestiegen werden.

Die automatisch generierte Erdoberfläche dient als Basis für die Builder, um Städte, Dörfer, historische Gebäude, Autobahnen oder auch ihre Heimathäuser nachzubauen. Mitte August 2022 gab es weltweit etwa 4700 verschiedene aktive Bauprojekte, die zusammen gut 7000 Quadratkilometer abdecken. Auf der offiziellen Website des Projekts zeigt einer Karte, wo überall gebaut wird.

Die heimischen Baumeister

Moke Rudolf-Klengel, ausgestattet mit Studiumserfahrung im Feld der Architektur, und Nikola Satrapa sind gewichtige Mitglieder von "Alps BTE", jenem ziemlich zu Beginn des BTE-Projektes im April 2020 gestarteten Teil, der Österreich, die Schweiz und Liechtenstein nachbaut.

Die Bauherren Nikola Satrapa und Moke Rudolf-Klengel mit ihren Minecraft-Avataren. Fotos: KK, Johannes Gellner

Die Bauherren Nikola Satrapa und Moke Rudolf-Klengel mit ihren Minecraft-Avataren. Fotos: KK, Johannes Gellner

Nach einem wahren Ansturm von Baumeistern am Höhepunkt der Coronapandemie ist das Interesse heute zwar etwas abgeflacht, aber weiterhin hoch. Rund 450 Menschen bauen an den drei "Alps"-Ländern mit. Und kommen dabei flott voran. Wien, Graz, Klagenfurt oder Hallstatt – überall finden sich ihre virtuellen Fußabdrücke.

In Summe sind auf dem heimischen Server allerdings erst etwa 0,01 Prozent der Fläche fertiggestellt. Dazu gehört beispielsweise auch das Gelände des Red Bull Rings in Spielberg.

So sieht der aktuelle Stand des Red Bull Rings in Minecraft aus ...

... und zum Vergleich eine Luftaufnahme der APA vom Gelände aus dem Jahr 2013.

Wie das Bauen funktioniert

Die Eignung zum Baumeister, freilich digital abgenommen, ist auch bei "Alps BTE" Voraussetzung, um der digitalen Welt ihr – möglichst reales – Antlitz verleihen zu können. Detailtreue steht als Anforderung weit oben im Katalog. Dementsprechend vielfältig sind auch die Datenquellen, die von den ehrenamtlich werkenden Minecraft-Tüftlern als Grundlage herangezogen werden.

Koordinaten wandern vom Kartendienst Google Maps zentimetergenau in die Minecraft-Welt, via Google Earth messen die Bauherren Gebäudehöhen, sehen sich Fassaden und Dächer an. Auch von den österreichischen Geoinformationssystemen erhobene LiDAR-Daten werden integriert, um Oberflächen möglichst exakt zu gestalten. Der letzte Recherche-Schritt ist dann oft ein realer, wie Moke Rudolf-Klengel von pausenbehafteten Spaziergängen in seiner Heimatstadt Graz erzählt.

Der Wiener Stephansdom wird gerade überarbeitet – sprich in detaillierterer Ausführung neu gebaut. Foto: Alps BTE

Der Wiener Stephansdom wird gerade überarbeitet – sprich in detaillierterer Ausführung neu gebaut. Foto: Alps BTE

Wer mitbauen möchte, muss natürlich das Spiel Minecraft (in einer Version zwischen 1.12 und 1.18) besitzen und sollte auch dem "Alps BTE"-Server auf Discord beitreten. Im Spiel verbindet man sich mit dem Server mc.alps-bte.com und muss anschließend zwei kleine Gebäude nachbauen, die bewertet werden. In dem unten stehenden Video zeigt die Community genau, wie der Bewerbungsprozess abläuft.

Das kleine Aufnahmeverfahren sei notwendig, um gewisse Mindeststandards garantieren zu können. "Dadurch verhindern wir es auch, dass jemand einfach hinkommt und alles zerstört", sagt Nikola Satrapa. Gebaut wird zwar immer im Maßstab 1:1, jedoch in unterschiedlichen Detailgraden. So kann es auch vorkommen, dass manche Gebäude mehrfach überarbeitet und so verschönert werden – wie aktuell der Wiener Stephansdom.

Übrigens: Man kann den "Alps BTE"-Server natürlich auch besuchen, ohne zu bauen, und virtuell durch Österreich, die Schweiz und Liechtenstein reisen. Die Community hat dazu eine Liste mit den wichtigsten Orten angelegt, zu denen man sich mittels "/warp"-Befehl im Ingame-Chat teleportieren kann.

Wie das Bauen funktioniert

Die Eignung zum Baumeister, freilich digital abgenommen, ist auch bei "Alps BTE" Voraussetzung, um der digitalen Welt ihr – möglichst reales – Antlitz verleihen zu können. Detailtreue steht als Anforderung weit oben im Katalog. Dementsprechend vielfältig sind auch die Datenquellen, die von den ehrenamtlich werkenden Minecraft-Tüftlern als Grundlage herangezogen werden.

Koordinaten wandern vom Kartendienst Google Maps zentimetergenau in die Minecraft-Welt, via Google Earth messen die Bauherren Gebäudehöhen, sehen sich Fassaden und Dächer an. Auch von den österreichischen Geoinformationssystemen erhobene LiDAR-Daten werden integriert, um Oberflächen möglichst exakt zu gestalten. Der letzte Recherche-Schritt ist dann oft ein realer, wie Moke Rudolf-Klengel von pausenbehafteten Spaziergängen in seiner Heimatstadt Graz erzählt.

Der Wiener Stephansdom wird gerade überarbeitet – sprich in detaillierterer Ausführung neu gebaut. Foto: Alps BTE

Der Wiener Stephansdom wird gerade überarbeitet – sprich in detaillierterer Ausführung neu gebaut. Foto: Alps BTE

Wer mitbauen möchte, muss natürlich das Spiel Minecraft (in einer Version zwischen 1.12 und 1.18) besitzen und sollte auch dem "Alps BTE"-Server auf Discord beitreten. Im Spiel verbindet man sich mit dem Server mc.alps-bte.com und muss anschließend zwei kleine Gebäude nachbauen, die bewertet werden. In dem unten stehenden Video zeigt die Community genau, wie der Bewerbungsprozess abläuft.

Das kleine Aufnahmeverfahren sei notwendig, um gewisse Mindeststandards garantieren zu können. "Dadurch verhindern wir es auch, dass jemand einfach hinkommt und alles zerstört", sagt Nikola Satrapa. Gebaut wird zwar immer im Maßstab 1:1, jedoch in unterschiedlichen Detailgraden. So kann es auch vorkommen, dass manche Gebäude mehrfach überarbeitet und so verschönert werden – wie aktuell der Wiener Stephansdom.

Übrigens: Man kann den "Alps BTE"-Server natürlich auch besuchen, ohne zu bauen, und virtuell durch Österreich, die Schweiz und Liechtenstein reisen. Die Community hat dazu eine Liste mit den wichtigsten Orten angelegt, zu denen man sich mittels "/warp"-Befehl im Ingame-Chat teleportieren kann.

Auch einen Besuch wert ist dieser Platz in Graz. Erkennen Sie, liebe Leser, was hier zu sehen ist?

Es handelt sich um das Denkmal von Kaiser Franz I. am Freiheitsplatz.

Ungebrochene Anziehungskraft

Minecraft, das zeigt sich auch im Gespräch mit den digitalen Baumeistern, hat magische Anziehungskraft. Erdacht vom schwedischen Entwickler Markus "Notch" Persson und dessen Studio Mojang ist es heute viel mehr als das meistverkaufte Computerspiel der Welt.

Aus dem simplen spielerischen Rohstoffabbau ("Mine") und der zugehörigen Weiterverarbeitung ("Craft") wurde ein weitgreifendes Ökosystem, eine Bewegung. Auf Youtube sorgte Minecraft seit dem offiziellen Start im Jahr 2011 für mehr als eine Billion Aufrufe, 35.000 aktive Kanäle publizieren täglich neue Videos. Keine andere Community ist auf der Plattform dermaßen stark vertreten.

Besonders bemerkenswert: Als eines von wenigen Spielen wächst Minecraft auch zehn Jahre nach dessen Veröffentlichung. Von "140 Millionen monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern" und einem jährlichen Wachstum von "30 Prozent" schrieb Microsoft im Mai 2021.

Das Panoramahaus in Dornbirn, in dem ein Hotel untergebracht ist. Foto: Alps BTE

Das Panoramahaus in Dornbirn, in dem ein Hotel untergebracht ist. Foto: Alps BTE

Microsoft? Ja, seit 2014 und nach einer satten Zahlung von 2,5 Milliarden US-Dollar gehört Minecraft zum US-amerikanischen IT-Riesen. Der mit dem Geschäft ein gehöriges Stück Zukunft einkaufte. Das durchschnittliche Alter der Spielerinnen und Spieler in Nordamerika und Europa liegt bei 27 Jahren, mehr als 50 Prozent der Neun- bis Elfjährigen zocken dort Minecraft.

Die steigende Nachfrage nach dem Verschmelzen von realen und virtuellen Welten spielt Minecraft in die Hände. Auch dank dessen wachsender BTE-Gemeinschaft und dem erprobten analog-digitalen Paarlauf. "Die Grazer Dächer sind sehr komplex", sagt dahingehend der Steirer Moke Rudolf-Klengel. "Die Wiener Dächer sind noch schlimmer", entgegnet sein Wiener Konterpart Nikola Satrapa schmunzelnd.

Apropos Dächer: Alleine dieser Gebäudekomplex in der Bundeshauptstadt Wien hat eine riesige Dachfläche. Worum könnte es sich dabei handeln?

Das ist natürlich die Hofburg, das Neun-Monats-Projekt von Nikola Satrapa.

Intro-Video: Alps BTE

Minecraft-Screenshots: Alps BTE (5), Jonas Binder (4)

Fotos: APA (3), Jürgen Fuchs