Die steirische FPÖ schaut, welche Braut sich mehr traut
ANALYSE.Am 27. November 2024 startet FP-Chef Mario Kunasek die Sondierungen für eine „stabile Zweier-Koalition“ in der Steiermark. ÖVP und SPÖ müssen sich schmücken und bangen.
Von Bernd Hecke
Mit Demut und Offenheit den politischen Mitbewerbern gegenüber will der steirische Wahlsieger Mario Kunasek (FPÖ) am 27. November 2024 mit den Sondierungen beginnen. Er führt mit allen Parteien in der Reihenfolge der neuen Stärkenverhältnisse Gespräche. Ende der Woche will er Klarheit darüber haben, wie der Fahrplan zur Bildung der Landesregierung aussieht. Spätestens am 2. Dezember will er dann die Öffentlichkeit via Medien informieren. Bis dahin haben sich die Blauen ein Schweigegelübde verordnet.
Nicht um jeden Preis?
Für die bisherigen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ ist die Marschroute klar. Jede für sich will sich in die nächste Regierung retten. Es geht um Macht, Einfluss, Geld, Ämter und Posten. Die Oppositionsbank ist hart, die Gefahr bei den steirischen Gemeinderatswahlen 2025 noch einmal unter die Räder zu kommen von dort umso größer. Auch wenn es bei beiden Parteien heißt, man werde nicht um jeden Preis in so eine Koalition eintreten, haben Polit-Beobachter doch den Eindruck, die Devise laute sehr wohl: „Koste es, was es wolle!“
Schwarz und Rot werden sich als mögliche Braut schmücken und über so manchen Schatten springen müssen. FPÖ-Chef Mario Kunasek betont, es gebe mit beiden Parteien sehr viele Schnittmengen und eben nur einige wenige Knackpunkte. Die Blauen wollen fair verhandeln, auf Augenhöhe. So sollen etwa künftig die acht Landesregierungssitze der neuen Partner vier zu vier aufgeteilt werden. Das war aktuell anders: Die ÖVP stellte den Landeshauptmann und vier weitere Landesrätinnen und Landesräte, die SPÖ den Vize-Landeshauptmann plus zwei Landesrätinnen.
Schnittmengen und K.o.-Kriterien
Legt man die Wahlprogramme der drei übereinander und gewichtet Statements der Spitzenkandidaten vor und nach dem Urnengang, erhält man ein erstes Bild möglicher Schnittmengen und K.o.-Kriterien in den Verhandlungen.
Wir haben exemplarisch einige Punkte herausgegriffen. Was im FPÖ-Programm auffällt: Viele Forderungen sind im Land gar nicht umzusetzen. Etwa die Herabsenkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre oder – dem Strafvollzug vorgelagerte – Erziehungscamps für Jugendliche. Wir haben uns auf jene Punkte konzentriert, die in der Kompetenz der Länder liegen.
Klicken Sie auf die Themenblöcke, um die FPÖ-Vorhaben und Positionen der ÖVP und SPÖ zu erfahren – sind die freiheitlichen Vorschläge für die beiden potenziellen Partner ein echtes K.o.-Kriterium, eine Frage des Angebots oder so gut wie paktiert?
Aus für das neue Leitspital in Liezen.
Die FPÖ will das Leitspital in Stainach endgültig abblasen. Der blaue Wahltriumph im Bezirk Liezen stärkt Kunasek hier den Rücken. Die FP will den Standort Rottenmann zum Leitspital ausbauen, Schladming und Aussee erhalten.
ÖVP: Auf Reformkurs. Die ÖVP steckt hinter dem Plan für ein Leitspital im Bezirk in Stainach und hält mit Experten daran fest.
SPÖ: Beweglich. SPÖ-Chef Lang hält es am Montag nach der Wahl für möglich, sich hier dem FP-Standpunkt anzunähern.
Dritte Spur der A9 zwischen Graz und Leibnitz.
FPÖ: Freie Fahrt. Der Stau auf der Autobahn und die Verkehrslawine durch den Ausweichverkehr in den Gemeinden war ein zentrales Wahlkampfthema. Die Blauen kämpfen für die Grüne Mark als Autoland und fordern die dritte Spur im Bund vehement.
ÖVP: Standortfrage. Der Autobahnausbau ist auch für die ÖVP Pflicht – natürlich auch, um den Wirtschaftsraum zu stärken.
SPÖ: Pro Pendler. Auch die Roten sind dafür, um den Standort zu stärken, Gemeinden und Pendler zu entlasten.
Erhöhung von Förderung für Pendler.
FPÖ: Mobile Unterstützung. Die Landesblauen haben in ihrem Wahlprogramm die Erweiterung der Förderungen für Pendler und die Erhöhung des Straßenbau-Budgets gefordert. Eine weiterer FPÖ-Punkt fürs Autoland und für Pendler in Zeiten der Teuerung.
ÖVP: Bei Pendlern voll an Bord. Die ÖVP ist traditionell Pendler-Partei und für die Erhöhung. Auch bei Straßen ist man wohl an Bord.
SPÖ: Nicht ganz an Bord. Einen Pendlerbonus fordert auch die SPÖ, aber im Programm lag der Fokus auf Rad- und Öffi-Ausbau.
Die Abschaffung der ORF-Landesabgabe.
FPÖ: Weg damit. Bereits fünf Bundesländer heben über die ORF-Haushaltsabgabe keine eigene Landesabgabe mehr ein. In der Steiermark will die FP diese auch streichen. Die FPÖ will den steirischen Haushalten die Abgabe von 4,70 Euro im Monat ersparen.
ÖVP: Eine Frage des Ersatzes. Die ÖVP ist pro Abgabe, die 30 Millionen Euro für Sport und Kultur reinspült. Da bräuchte es Ersatz.
SPÖ: Bräuchte gute Argumente. Auch die SPÖ wüsste wohl gerne, wie man diese Millionen im engen Budget dann auftreiben könnte.
Asylstopp.
FPÖ: Volle Verschärfung. Die Blauen drängen auf Bezahlkarte für Asylwerber, Asylstopp und die Streichung von Landesförderungen für „Multi-Kulti“-Vereine und Asylberechtigte. Die FPÖ will das Land für Asylwerber so unattraktiv wie möglich machen.
ÖVP: Als Beifahrer dabei. Die ÖVP ist hier auf schärferem Kurs, aber ein totaler Förder-Kahlschlag ginge wohl zu weit.
SPÖ: Problemzonen. Im Bereich Migration und Integration hat die SPÖ wohl die meisten roten Linien in Verhandlungen.
Bedarfszuweisungen ohne Parteibuch.
Die FPÖ will verhindern, dass die Mittelzuwendung an Gemeinden vom Land in den Händen der jeweiligen „Bürgermeisterparteien“ in der Regierung liegen. Die ÖVP hat 200 Bürgermeister im Land. Ihr will die FPÖ die Bedarfszuweisungen an diese nehmen. Ein Stich ins FPÖ-Herz.
ÖVP: Zerreißprobe. Die schwarzen Ortschef zittern hier besonders. Die ÖVP kann in diesem Punkt wohl nur schwer einlenken.
SPÖ: Taktisches Manöver? Für die SPÖ wäre es reizvoll, in einer Koalition mit der FPÖ ÖVP-Gemeinden zu schwächen.
Volkskultur aufwerten.
Die FPÖ tritt dafür ein, die Volkskultur aus dem Kulturressort herauszulösen und in einem eigenen Ressort aufzuwerten und besser zu dotieren. Die FP will Förderungen heimischer Vereine verdoppeln und etwa das Brus-Museum „Bruseum“ abschaffen.
ÖVP: Es gibt nur eine Kultur. Die VP hat Kultur und Volkskultur in einem Ressort vereint und ist Verfechterin zeitgenössicher Kultur.
SPÖ: Verteidigerin der freien Szene. Die SPÖ ist wie auch die ÖVP Verteidigerin der freien Kulturszene in Stadt und Land.
Mehr Sicherheit und Einsatzkräfte.
FPÖ: Blaulicht-Bonus. Die FPÖ tritt in ihrem Programm für eine Stärkung der Polizei, aber auch aller (ehrenamtlichen) Einsatzkräfte im Land ein. Die FPÖ will Polizei und Einsatzkräfte stärken und ist für eine Pionier- und Sicherheitskompanie.
ÖVP: Mit Sicherheit dabei. Blaulichtorganisationen stärken ist in der DNA der ÖVP, auch das Bundesheer ist ein Anliegen.
SPÖ: Schulter an Schulter. Das rote Programm lässt keine Zweifel offen: Hier ist man einer Meinung mit FPÖ und ÖVP.
Kinderbetreuung und Herdprämie.
FPÖ: „Herdprämie“. Die FPÖ bekennt sich zum Ausbau in der Kinderbetreuung, will aber auch, dass es Geld für Eltern gibt, die sich selbst um den Nachwuchs kümmern. In Gemeinden gibt es schon Geld für Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen. Das soll Schule machen.
ÖVP: Wahlfreiheit. Die ÖVP will, dass es für jedes Kind einen Platz gibt. Betreuungsgeld für Eltern ist aber wohl denkbar.
SPÖ: Ideologische Bruchlinie. Die SPÖ hält von einer Herdprämie nichts und will Betreuungsplätze forcieren.
„Überakademisierung stoppen“.
FPÖ: Lehrlingsbonus. In ihrem Anti-Eliten-Programm fordert die FPÖ, die Überakademisierung im Land zu stoppen und stattdessen mehr Facharbeiter auszubilden. Auch die Attraktivierung der Lehre und einen betrieblichen Lehrlingsbonus fordert hier die FPÖ.
ÖVP: Innovation und Exzellenz. Lehre und Facharbeiter sind allen Parteien wichtig. Aber die ÖVP ist Verfechterin von Uni und FH.
SPÖ: Uni-Offensive. Lehrlinge sind der SPÖ natürlich wichtig. Aber auch sie hat im Programm einen Fokus auf Unis.
Die Panik der verschmähten Bräute
Was deutlich spürbar ist: Die Panik der beiden Wahlverlierer, nicht zum Zug zu kommen. Die SPÖ bangt, dass Christopher Drexler (ÖVP) den Fuß in der Tür zur Zweier-Koalition gar nicht mehr zurückzieht. In der ÖVP erzählt man sich, Blau-Rot sei mit Anton Lang (SPÖ) bereits paktiert. Diese Variante bezeichnete Politberater Thomas Hofer im ORF als strategisch reizvoll für die FPÖ. Damit könnte man die rote „Brandmauer“ durchbrechen und die ÖVP im Bund noch weiter unter Druck setzen.