OSTERSONNTAG | TEIL 8

Sprung zum Sieg

Von Thomas Götz

Keine Agentur stellt so ein Foto ungeprüft ins Netz, zu unwahrscheinlich ist, was wir sehen. Wenn es einen solchen Moment schwerelosen Schwebens eines Mannes gegeben haben sollte, wie groß ist die Chance, dass gerade in diesem Augenblick ein Fotograf abdrückt? Die Debatten in der Bildredaktion der Agence France Presse kann man sich vorstellen. Kann das wahr sein? Können wir eine Fälschung ausschließen? Der junge Brasilianer Gabriel Medina hat im jungen olympischen Bewerb des Wellensurfens 2024 in Tahiti die Bronzemedaille erkämpft. Das Foto von Jerome Brouillet zeigt ihn am Ende des fünften Versuchs der dritten Runde in seinem Kampf um den Sieg. Im Video sehen wir Medina, wie er aus dem Tunnel der riesigen Welle hervorschießt, siegessicher die Arme hochreckt und sein Brett zum Scheitelpunkt der brechenden Welle lenkt. Der Schwung katapultiert den Mann in die Luft, das Brett fliegt zur Seite und Momente später liegt der Brasilianer im Wasser.  Das Bild aber haftet und wandelt im Kopf seine Bedeutung. Szenen aus einer völlig anderen Welt schieben sich darüber. Wir sehen Gemälde vom Auferstandenen, in der Linken eine weiße Fahne mit dem Kreuzmotiv, die Rechte zum Gruß erhoben. Wie Medina scheint Giovanni Bellinis Christus auf einem Wölkchen zu stehen. Matthias Grünewalds Erlöser fährt in einer Farbexplosion aus dem Grab und streckt die durchbohrten Hände zum Zeichen des Sieges in die Höhe. Giovanni Battista Tiepolo lässt den gerade noch Toten, das Kreuz lässig geschultert, in einem Luftsprung aus seinem Grab tanzen. Ein Abgrund trennt die Motive, aber Vergleiche drängen sich auf. Beide zeigen einen kurzen Moment des Triumphs, einen unwahrscheinlichen Augenblick, der Zweifel an der eigenen Wahrnehmung aufkommen lässt. Die Zeit scheint zu stehen, die Schwerkraft wirkt nicht mehr. Wir, das unsichtbare Publikum, dem die gemalten Auferstandenen ebenso zuzuwinken scheinen wie der Surfer, kommen aus dem Staunen nicht heraus. Der Glaubenstest kommt später.

KARSAMSTAG | TEIL 7

Es sind die dunkelsten Stunden

Von Susanne Rakowitz

Der Tod ist eine Zumutung, heißt es oft in Ermangelung der richtigen Worte. Sie zu finden ist schwer, noch mehr, als mit der Trauer oft ein Wort mitschwingt, auf das es keine Antwort geben kann: Warum? Das Wort fordert keine Fakten ein, sondern ist vor allem eines: Anklage und Verzweiflung. Maria Elena Lozano trauert um ihren Sohn Marvin Diaz Lozano. Er ist eines der vielen Opfer der überbordenden Law-and-Order-Politik in El Salvador. Dort greift Präsident Nayib Bukele im Krieg gegen die Banden durch: Willkürliche Verhaftungen stehen an der Tagesordnung, die Bilder von überfüllten Gefängnissen gingen zuletzt um die Welt. Auch, weil Bukele sich längst zum Erfüllungsgehilfen von Donald Trump gemacht hat, der künftig straffällige US-Bürger dorthin abschieben will. Carlos Barrera dokumentiert seit drei Jahren Bukeles Abbau des Rechtsstaates, in dem die Willkür regiert, der Ausnahmezustand Alltag ist. Für dieses Projekt wurde er mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet. Marvin Diaz Lozano starb an den Folgen medizinischer Unterversorgung in der Haft. Fotos seiner Misshandlung gingen viral und er kam frei, aber er starb letztlich an den Folgen der nicht behandelten Verletzungen. Carlos Barrera schafft mit der Fotografie der trauernden Mutter eine Gegenerzählung zum Triumphgeheul der Anhänger von Präsident Nayib Bukele. Es ist eine Ikonografie, die in der Kunstgeschichte eine zentrale Rolle einnimmt: Maria, die um Jesus trauert, vielfach auf Gemälden und als Skulpturen festgehalten als Beweinung oder als Pietà – die Mutter, die ihr totes Kind im Arm hält. Es ist das Dokumentieren eines emotionalen Ausnahmezustandes, der in allen Kulturen und zu allen Zeiten verstanden wird. Und auch das ist eine Osterbotschaft – es sind die dunklen Stunden vor der Auferstehung, die die Kunst seit Jahrhunderten für die Ewigkeit festhalten will: Auf dass die Trauer, das Leid, die Ohnmacht nicht in Vergessenheit gerät und nicht zur Gänze von der Euphorie der Auferstehungserzählung überstrahlt wird.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, LETZTER TEIL DER SERIE

Und Jesus rief mit lauter Stimme: Mit diesen Worten hauchte er den Geist aus.
Lk 23,46

Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist

Von Theresia Heimerl

Es ist ein wunderschönes Bild des Lebensendes, trotz allem Leid und Blut, in dem diese Worte gesprochen werden. Der Geist, das pneuma, das den Menschen lebendig macht, wird nicht einfach von einem Windstoß weggetragen in das sandige Nirgendwo Golgothas. Es wird behutsam übergeben, in Hände, die es beschützen und halten, in denen der fragile, von jedem Luftzug bedrohte Lebensatem sicher und geborgen ist. Was für ein Kontrast zur brutalen Kreuzigungsszene, zur existentiellen Verlassenheit und Ausgesetztheit gegenüber der Bosheit und Gleichgültigkeit der Menschen.

Schließt sich hier der Kreis, der mit der Verkündigung und Geburt begonnen hat? Gott hat seinen Sohn in den Leib Marias gelegt, wo er umfangen und behütet war und jetzt nimmt er ihn wieder zurück, in seine Hände, die noch sicherer sind als jeder menschliche Halt. Die Angst, dass das, was uns lebendig macht, das Pneuma, bei unserem Tod ungeschützt und orientierungslos bleibt, ist älter als das Christentum. Das antike Griechenland kennt die Vorstellung eines Psychopompos, eines Seelenführers, der die, einem Schmetterling gleich, umherschwebende Seele auf ihrem Weg in das Jenseits begleitet, diesen fragilen, lebendigen Teil des Menschen davor schützt, abzudriften oder gar von bösen Geistern bedrängt zu werden.

Noch drastischer deuteten die Katharer, eine mittelalterliche religiöse Bewegung (und für die Kirche eine Häresie) diesen verletzlichen Zustand des Geistes, den keine Hände entgegennehmen, kein himmlischer Führer begleitet: Kaum hat der Körper den Geist ausgehaucht, wird dieser so sehr von Dämonen gequält, dass er in den nächstbesten Körper flieht, ob Mensch oder Tier. 

Auch christliche Fresken zeigen uns ein ähnliches Szenario, in dem sich die Seele nicht in Gottes sichere Hände begeben kann, sondern bedroht ist von grotesken Gestalten, denen allenfalls ein Engel als Beschützer gegenübertritt. Die Direktheit der letzten Worte Jesu „Vater in deine Hände lege ich meinen Geist“, geht verloren. Unvorstellbar scheint es den Menschen im Mittelalter, dass Gott selbst bereitstehen könnte mit geöffneten Händen, in die sich der letzte Hauch des Sterbenden schmiegt.

Es ist eine fast intime Vorstellung, dieses „In die Hände legen“, es zeugt von einer innigen Beziehung und grenzenlosem Vertrauen. „Into my arms, oh lord“ ist ein Lied des australisch-britischen Sängers Nick Cave, in dem der Sänger Gott bittet, ein nicht näher genanntes Du in seine Arme zu führen. Es ist zugleich im englischsprachigen Raum ein gerne für Begräbnisse gewähltes Lied, in dem aus dem traurigen Liebeslied ein Lied des Trostes und der Zuversicht wird, der Verstorbene möge – wo immer er ist – jemanden finden, in dessen ausgestreckten Armen er Geborgenheit findet.

Bei aller schmerzhaften Dramatik des Kreuzestodes im Lukasevangelium drängt sich mit Blick auf das Sterben heute die Frage auf, ob unsere modernen Sterbestätten bei allem Komfort nicht ein Golgotha der Gegenwart sind: Das Wissen, darum, dass der Schmerz erst aufhört, wenn das irdische Leben aufhört, die Ungewissheit, ob nicht doch die Dämonen schon auf den letzten Lebenshauch lauern oder das Nichts, das sich im Sterbezimmer der Palliativstation nicht mehr so tröstlich anfühlt wie damals, als es eine philosophische Denkfigur war.

Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ – in diesen allerletzten Worten schwingt die Erleichterung eines Kindes mit, das endlich eine schwere Verantwortung abgeben kann. Der Vater wird in seinen Händen halten, was dem geplagten Körper zu schwer geworden ist zu tragen, der vom Leid und vom Leben erschöpfte Geist kann sich in die Hände betten und ausruhen im Wissen der absoluten Sicherheit.

An die Auferstehung des ganzen Menschen, deren Zeugin am Ostermorgen Maria aus Magdala wird, glauben heute nicht mehr viele, selbst fromme Christen haben ihre Zweifel. An den Tod glauben notgedrungen alle, er lässt sich hinter keiner noch so hohen Krankenhausmauer verstecken. Die Sehnsucht, man möge offene Hände vorfinden, in die man den letzten Funken des Selbst legen kann, wo der schwache Hauch nicht verlöscht, sondern beschützt und gehalten wird, ist geblieben. Sie hat alle Jenseitsbilder, alle theologischen Entwürfe der Eschatologie (=der letzten Dinge) überdauert.

Die letzte Worte Jesu im Lukasevangelium sind ein Blick auf den Tod, der die Menschen in ihrem Innersten berührt. Es sind nicht nur die „guten Mächte“ Dietrich Bonhoeffers, die uns „wunderbar geborgen“ sein lassen werden. Es sind die Hände des Vaters, die uns erwarten.

Diese tröstliche Vorstellung der göttlichen Hände als finaler safe space begegnet einem bereits in den alttestamentlichen Psalmen: „In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; / du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ (Ps 31,6) Wünschen wir uns nicht genau das? Hände, die uns auffangen, unser ausgehauchtes Leben beschirmen, uns wärmen in der plötzlichen Kälte des Ungewohnten?

Dieses Bild und die Sehnsüchte, die es vermittelt, ist heute ein beliebtes Fotomotiv bei Neugeborenen, die in den großen Händen und Armen des Vaters liegen. „In deine Hände lege ich mein Leben“ lautet eine ältere Übersetzung des Psalms 31 und genau das drücken diese Babyfotos aus: Du hältst mein Leben in den Händen. Die mütterlichen und väterlichen Hände werden irgendwann müde, sie werden weggezogen oder weggestoßen, sie sind nicht mehr da, wenn wir unser Leben wieder so gerne in sie legen würden.

Das Christentum hat Karriere gemacht mit seinem Jenseitsversprechen. Was wurde im Lauf der Jahrhunderte nicht alles versprochen: Ein Platz in der ersten Reihe vor dem himmlischen Herrscher, Chorgesänge, ewige Schau Gottes und andere Dinge, die für jene frommen Männer, die sie überliefert haben, sicher passend waren. Aber seien wir ehrlich – ist es das, was wir uns für jene Verstorbenen wünschen, die uns am Herzen liegen? Besonders der frühe Tod von Kindern, geboren oder ungeboren, lässt selbst die Frömmsten an Gottes Plan zweifeln. Wird es sich nicht schrecklich ängstigen ohne uns, dort irgendwo, weggeweht werden, dieses kleine, unfertige Pneuma? Ist der Himmel nicht ein viel zu großer, kalter Platz für so ein winziges Wesen?

 „Vater, in deine Hände lege ich den Geist meines Kindes, halte es mit all der Sicherheit und Stärke deiner Hände.“ Wäre das nicht der angemessene Himmelswunsch, den das Christentum heute den Menschen anbieten könnte, statt eines Platzes in der 27. Reihe im Chor?

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

KARFREITAG | TEIL 6

Kein Idyll der Zweisamkeit

Von Ute Baumhackl

Fast möchte man hier ein Idyll erkennen: eine junge Frau auf einem Bett, ruhend, schlafend vielleicht. An ihrer Seite eine ältere Frau, die zärtlich ihren Unterarm berührt. Doch da ist diese lange Narbe auf dem Bauch der Liegenden, Kundmachung einer überlebten Verletzung. Yohanna, so heißt die junge Frau, ist bei ihrer Flucht aus Eritrea von Polizisten ihres Landes angeschossen worden – Schüsse in den Bauch sind üblich, die Frauen sollen keine Kinder bekommen können: ein Stigma in der Region. Im Krankenhaus im äthiopischen Addis Abeba wurde ihr eine Niere entfernt; ein Dokument, das die Operation rechtfertigt, erhielt sie nie. Das Bild der italienischen Fotografin Cinzia Canneri zeigt sie mit ihrer Mutter, die ihr Beistand leistet. Es gab Komplikationen nach der OP. Die Szene, die den Moment dokumentiert, ist Teil eines Langzeitprojekts der Fotografin, geehrt mit dem World Press Photo Award. Ihre Serie „Women’s Bodies as Battlefield“, Frauenkörper als Schlachtfelder, sollte ursprünglich das System von Verletzung, Folter, Vergewaltigungen schildern, mit dem das repressive Regime von Eritrea, dem weltweit einzigen Land ohne Verfassung, seine weibliche Bevölkerung verfolgt. Mittlerweile musste Canneri ihre erschütternde Serie erweitern: Seit dem Tigray-Konflikt in Eritreas Nachbarland Äthiopien, der 600.000 Menschen das Leben gekostet und zwei Millionen in die Flucht getrieben haben soll, dokumentiert sie auch die Menschenrechtsverbrechen an tigrayischen Frauen. Und setzt in einer Weltgegend, über deren blutige Konflikte kaum berichtet wird, Opfer und Überlebende ins Bild. Yohannas Geschichte markiert hier den heutigen Karfreitag: Der Tag der Kreuzigung und Höhepunkt der Leidensgeschichte Jesu appelliert auch daran, die Augen nicht vor dem Leid anderer Menschen zu verschließen. Zugleich ist das Bild ein Dokument der Resilienz: In der innigen Zweisamkeit von Mutter und Tochter zeigt sich, wie in der ganzen Serie, auch der Zusammenhalt der verfolgten Frauen, die Canneri begleitet; ihre gemeinsamen Versuche, Verwundungen, Traumata, Verluste zu überwinden. So erhalten die Frauen Gesichter, Stimme und in weiterer Folge Handlungsmacht. Wenn die Weltöffentlichkeit, und das meint uns, darauf reagiert. Dazu ein Nachtrag: Yohanna lebt heute in den USA, sie ist Mutter einer Tochter geworden. Gerade angesichts der aktuellen amerikanischen Anti-Migrationsoffensive offenbart sich hier die enorme Bedeutung politischer Hilfsbereitschaft. Damit Geschichten wie die von Yohanna ein hoffnungsvolles Ende nehmen können.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 6

Um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt:
Mt 27,46

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen

Von Theresia Heimerl

Diese letzten Worte Jesu im Matthäusevangelium sind die vielleicht bekanntesten Wort der Kreuzigungsszene. Noch heute spricht uns ihr Ausdruck tiefster existenzieller Verzweiflung direkt an. Dieses Gefühl der Verzweiflung darüber, sogar von Gott verlassen worden zu sein im Leiden und im Angesicht des Todes ist ein zeitloses, menschliches Grundgefühl. Daher darf es uns nicht wundern, dass diese Worte nicht von Jesus zum ersten Mal in der Bibel gesprochen oder vielmehr geschrien werden. Sie sind ein Zitat aus dem Psalm 22 im Alten Testament, wo ein anonymes Ich klagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, / bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage?“ (Ps 22,2)

Es ist ein Schrei, der sich über die Jahrtausende zieht, vom anonymen Psalmenschreiber über Golgotha bis nach Auschwitz und Charkiw. Es ist jener Schrei, der den Spöttern, Zweiflern und Atheisten ihr bestes Argument liefert, dass es diesen allmächtigen, gütigen Gott nicht geben kann.

Müsste er nicht wie der sprichwörtliche „Deus ex machina“ (wörtl. Gott aus der Maschine, im antiken Theater aus den Kulissen) in der letzten Minute auftauchen und alle Folterknechte und Verräter mit dem Blitz erschlagen? So würde es wohl in einem erfolgreichen Hollywoodfilm ablaufen, die Aufmerksamkeitsdauer und die Ungewissheit von drei Tagen bis zur Auferstehung kann man den Zusehern höchstens im Zeitraffer zumuten.

Vielleicht liegt aber gerade in diesen letzten Worten der Beweis dafür, dass Gott es mit seiner Menschwerdung bitterernst meint, so bitter wie der Essig, den ihm ein Soldat mit einem Schwamm reicht. Die Inkarnation, die Fleischwerdung Gottes, bedeutet nicht nur das herzige Baby in der Krippe, sondern auch die Nägel und Dornen, die in eben dieses Fleisch stechen. Nicht alle konnten und können diese radikale Tat nachvollziehen. Schon wenige Jahrzehnte nach dem Tod Jesu machen manche seiner Anhänger den letzten Schrei am Kreuz in seiner Radikalität ungeschehen. Der Gottessohn hätte gar nicht wirklich gelitten, dort auf Golgotha, sei er doch nur mit einem Scheinleib durch die Welt gezogen und hätte eben diesen am Kreuz hängen lassen, eine himmlische Illusion in 3D, meinte Markion, ein Theologe an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert – und wurde dafür später zum Häretiker erklärt.

Der erbärmliche Tod als Inszenierung, als fake – nur um sich Gott nicht als gekreuzigten Verbrecher von nebenan vorstellen zu müssen, das könnten wir doch heute noch als jugendfreie Version erzählen, an der niemand Anstoß nimmt. Das Leben ist aber nicht geschönt und jugendfrei. Es war nie so. Deshalb muss ein Gott, der Mensch wird und für die Menschen am Kreuz stirbt, ein Mensch mit allen Erfahrungen sein, nicht nur den schönen.

Im Schmerz verlassen zu sein, sogar von den eigenen Freunden, ja sogar von Gott, ist vermutlich das schlimmste Gefühl und selbst so weit geht Jesus in seinem Menschsein. In diesem Moment am Kreuz hilft ihm sein Wissen darum, dass er auferstehen und in den Himmel auffahren wird, nichts. Die Gottverlassenheit ist keine Zahnbehandlung, bei der wir uns gerne einreden, es ist ja bald vorbei, einfach ausblenden und an etwas Schönes denken.

Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Dieser Schrei stellt jede Glaubensgewissheit in Frage. Und die schlimmste Antwort ist nicht die atheistische, dass es eben keinen Gott gibt, der einen verlassen hätte können. Viel schlimmer ist das Festhalten daran, dass es diesen Gott geben muss, er aber gleichgültig unserem Leiden gegenüber scheint. Ist er genau so eine Enttäuschung für Jesus wie seine Jünger, die ihn in der Nacht auf den Karfreitag alle im Stich gelassen haben?

Die Frage nach der Abwesenheit Gottes im menschlichen Leiden wird von der theologischen und metaphysischen Frage zu einer existenziellen Erschütterung, die bei vielen dazu führt, an diesen Gott nicht mehr glauben zu können, besser kein Gott als so einer. In vielen Biographien von Juden, die Auschwitz oder andere Konzentrationslager überlebt haben, hört man, dass Gott für sie nach der Shoa aufgehört hat zu existieren. Die Zeit am Kreuz, in der Baracke mit Blick auf die Gaskammer war zu lang, die Antwort auf ihre Schreie ist ausgeblieben.

Vielleicht ist die Antwort auch so ganz anders ausgefallen, als sie es sich, als wir alle es uns erwartet hätten: Der rumänisch-amerikanische Schriftsteller Eli Wiesel gibt in seinem autobiographischen Roman „Die Nacht“ folgende Szene wieder: „‚Wo ist Gott, wo ist er?‘ fragte jemand hinter mir… Auf ein Zeichen des Lagerchefs kippten die Stühle um. Die beiden Erwachsenen lebten nicht mehr. Aber der dritte Strick hing nicht leblos, der leichte Knabe lebte noch. Mehr als eine halbe Stunde hing er so und kämpfte vor unseren Augen zwischen Leben und Sterben seinen Todeskampf. Hinter mir hörte ich denselben Mann fragen: ‚Wo ist Gott?‘ Und ich hörte eine Stimme in mir antworten: „Wo er ist? Dort hängt er, am Galgen...“.

Gott ist in Auschwitz genauso wirklich gestorben wie damals auf Golgotha. Unsere Verzweiflung, unsere Verlassenheit ist zu Gottes Verzweiflung und Verlassenheit geworden. Die letzten Worte Jesu sind eine Erinnerung daran, dass Golgotha kein Unfall der Geschichte war, sondern die Welt, wie sie Menschen bis heute erleben. Das Christentum sagt nicht: Es ist nicht so schlimm, vergiss es. Mit seinen letzten Worten lässt uns Jesus wissen: Es ist schlimm. Die Menschen sind zum Schlimmsten fähig und sie werden es wieder und wieder tun.

Und doch überliefert das Matthäusevangelium diese Worte nicht, um uns mutlos zu machen. Es gibt uns die Gewissheit, dass der menschgewordene christliche Gott kein heroischer Übermensch ist, der unsere Verzweiflung, unsere Verlassenheit nicht kennt.

Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart schreibt: „Gott ist mir innerlicher als ich selbst.“ Wenn wir unsere abgrundtiefe Enttäuschung herausschreien, dann schreit der Gekreuzigte mit uns, er schreit für alle Leidenden, Verlassenen, er schreit, was sich die Frommen angesichts unfassbarer Bosheit nicht zu schreien trauen.

Dieser Schrei macht uns fähig zum Mitleid, zur Compassio, dem Mitleiden, ein Wort, das im klassischen Latein kaum je begegnet. Die letzten Worte Jesu sind ein Appell zum Mitleiden in der scheinbaren Gottverlassenheit, in der uns doch Gott so nahe ist, näher als wir uns selbst.

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

GRÜNDONNERSTAG | TEIL 5

Das Netz und die Fische

Von Erwin Hirtenfelder

Spannende Bilder zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie erst auf den zweiten Blick zu durchschauen sind. Auch bei unserem preisgekrönten Foto ist zunächst unklar, was es genau vor Augen führt: den kosmischen Wirbel ferner Galaxien, Kleinstlebewesen unter einem Mikroskop oder vielleicht doch ein Stück Action Painting des Malers Jackson Pollock? Erst bei näherem Hinsehen erkennt man in dem blauen Gewirr aus fein gesponnenen Fäden einige kleine Fische, die der mit dem World Press Award 2025 ausgezeichnete Fotograf Aubin Mukoni am zentralafrikanischen Kiwusee vorgefunden hat. Das Foto offenbart die magere Ausbeute eines glücklosen Fischfangs, wie ihn schon die Evangelien beschrieben haben. So soll Simon Petrus einmal mit leeren Netzen vom See Genezareth heimgekehrt sein, doch anstatt sich von den nächtlichen Strapazen zu erholen, ließ er sich von Jesus überreden, noch einmal ins Boot zu steigen, um in “tieferen Gewässern” den Fang seines Lebens zu machen. Der Glaube an solche Wunder, unter denen die Bibel auch die “Speisung der 5000” mit fünf Broten und zwei Fischen erwähnt, ließ Petrus schließlich zum Apostel und Menschenfischer werden.  Hier, im Grenzgebiet zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo, haben viele ihren Glauben an Wohlstand und fette Beute längst verloren. Wie ihre Sardinen sind die Menschen entlang des “Großen Afrikanischen Grabenbruchs” gefangen in einem Netz aus Abhängigkeiten, staatlichem Unvermögen und Naturkatastrophen, sprich Überfischung, Dürre, Krieg, Seuchen, Umweltverschmutzung und explosiven vulkanischen Gasausbrüchen. Im Christentum gilt der Fisch (griech. „Ichthys“) als Synonym für Jesus Christus und die Hoffnung auf Erlösung. Am Kiwusee ist er zu einem Symbol des Versagens unserer modernen Zivilisation geworden. Liebhaber von Fischstäbchen, Scholle & Co. sollten ihre „Fastenspeise” daher mit Bedacht genießen und vielleicht selbst einmal in tieferen Gewässern angeln. Petri Heil!

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 5

Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

Um seine Kleider zu verteilen, warfen sie das Los.
Lk 23,34

Von Theresia Heimerl

Es gibt zwei Fragen, die sich (mir) bei diesen letzten Worten im Lukasevangelium unweigerlich aufdrängen: Erstens: Was wissen sie nicht? Und zweitens: Wissen sie wirklich nicht, was sie tun?

Die erste Frage lässt sich traditionell theologisch leicht beantworten: Die Männer, die ihn ans Kreuz schlagen, das Volk und die „führenden Männer“, wie es im folgenden Vers heißt, die Jesus verspotten – sie wissen natürlich nicht, dass Jesus der Sohn Gottes ist und sie mit ihrem Tun Gott selbst beleidigen, wie Anselm von Canterbury (gestorben 1109) im berühmten Traktat Cur Deus homo (Warum Gott Mensch geworden ist) ausführt. Muss man daraus ableiten, dass ihr Handeln nicht der Vergebung bedürfte, wäre Jesus tatsächlich „nur“ ein Mensch ohne jede himmlische Provenienz? Oder dass ein Gewaltakt gegen Menschen keine Vergebung erfahren kann, sondern nur Rache seiner Angehörigen, wie es in der frühmittelalterlichen Welt Anselms eben war?

Diese Menschen wissen sehr genau, was sie tun. Sie spinnen eine Intrige unter Einbeziehung der willfährigen römischen Besatzungsmacht mit dem Ziel, einen Menschen qualvoll leiden und sterben zu sehen. Sie stehen daneben und reißen Witze. Und die römischen Soldaten selbst sind Profis, es ist sicher nicht ihre erste Kreuzigung im Dienst der Justiz des Imperiums.

Entweder gilt tatsächlich die Interpretation Anselms, dass es zwischen Mensch und Gott eine derartige Distanz gibt, dass allein diese Distanz der Brutalität eine andere Qualität verleiht, die sich aus dem unendlichen Abstand von Gott und Mensch ergibt. Oder gibt Jesus hier eine Generalamnestie für alle Intriganten, Folterer und Mörder, die „nur“ ihre Ansichten durchsetzen wollen, systemkonform handeln, ihre Pflicht tun, und in der Menge auf Golgotha von einer Welle aus Spott und Verachtung mitgerissen wurden?

Die Vergebung ist bis heute ein zentrales Motiv des Christentums. Zusammen mit der postulierten Feindesliebe im Matthäusevangelium (Kap. 5) entsteht hier das Bild eines Menschen, der dem Kreislauf der Gewalt entsagt hat. Jesus bringt eine neue Qualität des Zusammenlebens in die Welt, er durchbricht diesen Kreislauf ein für alle Mal, wie es der französische Kulturwissenschaftler René Girard deutet.

Die Geschichte des Christentums widerlegt Girard spätestens mit dem Arrangement zwischen Kirche und Staatsgewalt seit Kaiser Konstantin. Die praktische Version für christliche Herrscher und ihre Soldaten war: Zuerst erschlagen und dann um Vergebung bitten, weil man es so ganz genau ja nicht wissen konnte und „der Herr die Seinen erkennt“, wie der Zisterzienser Arnaud Amaury im Albigenserkreuzzug im 12. Jahrhundert zynisch anmerkt auf die Frage, ob man möglicherweise mit den Ketzern auch gute Christen mitermorde. Vergebung wird zu einem Ritual, das in den Kreislauf der Gewalt als zusätzliches Element eingebaut wird. Diese rituelle Vergebung ist bis heute Teil der Liturgie im Vater Unser, wo göttliche Vergebung mit menschlicher Vergebung verbunden wird: „Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

Meinen wir das wirklich? Bücher zu Schuld und Vergebung gibt es viele Laufmeter in jeder theologischen Bibliothek. Und doch – sind wir nicht dem streng gläubigen Anwalt und Theologen Tertullian an der Wende zum dritten Jahrhundert in Wahrheit ähnlicher, der ganz offen schreibt: „O, wie werde ich jubeln, wie werde ich lachen, wie werde ich entzückt sein, wenn ich so viele vergötterte Kaiser mit ihrem Jupiter in der tiefsten Finsternis klagen hören werde (…)“

Vergebung sagt sich leicht im Halbschlaf in der beheizten Kirche, doch wie viele würden in einer Situation der Verfolgung, Marginalisierung, Ausgrenzung und möglichen Folter – und solche Situationen sind seit Tertullian nicht weniger geworden – jenen, die sie vernichten wollen, Leid und Tod wünschen, wenn nicht hier, dann wenigstens im Jenseits?

Es gibt eine seltsame Spannung zwischen einem vergebenden und einem gerechten Gott, die sich nur mit vielen gelehrten Denkmanövern umgehen lässt. Doch gerade Jesus, der diese Worte am Kreuz spricht, zeigt eindrücklich, dass Vergeben kein Ungesehen- oder gar Ungeschehen-Machen der schlechten Tat bedeutet: Die Spuren des Spottes und der Folter, die Wunden der Kreuzigung, trägt Jesus nicht nur, als er sich als Auferstandener seinen Jüngern zeigt.

Die Folgen der bösen Tat sind ihm bis heute millionenfach auf den Leib geschrieben. In alten Mosaiken rücken die Wunden in den Händen des Pantokrators auf Goldhintergrund das herrschaftliche Szenario in seiner Pracht zurecht, in Matthias Grünewalds Bild der Auferstehung, hält Jesus seine Wunden dem Betrachter entgegen und in modernen Kunstwerken wird das Blut zu roten Farbtupfern transformiert – aber sie sind da, die Zeichen für die Schuld der Mörder.

Vergebung heißt nicht, so zu tun, als wäre nichts gewesen, als gäbe es keine Spuren der Gewalttat mehr. Jenen, für die Jesus auf Golgotha in seinen letzten Atemzügen seinen Vater um Vergebung bittet, wird ihr Handeln vor Augen geführt und mit ihnen allen ihren Nachfolgern, die vor der Kirche morden und vergewaltigen (lassen) und drinnen mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen daran erinnert werden, dass selbst Vergebung ihre Taten nicht unsichtbar macht.

Wir tun uns heute oft schwer mit all den Heiligenbildern, die ihre Folter dem Betrachter am Tablett servieren, wie die Hl. Agatha ihre abgeschnittenen Brüste. Solche Bilder sind eine Zumutung, die für viele Frauen in Kriegsgebieten alltägliche Realität bedeuten. Ob sie ihren Peinigern vergeben? Die Vergebung wie Jesus an den himmlischen Vater delegieren? Vielleicht haben sie auch ähnliche Gedanken wie Tertullian.

Wir, in einem sicheren, reichen Land, tragen unsere Wunden nicht am Tablett, sie sind nicht tief ins Fleisch gebohrt wie beim Gekreuzigten. Unsere Wunden sind unsichtbar, in der Seele, genauso wie ihre Verursacher keine Lanzen tragen. Vielleicht macht es das so schwer, die Vergebungsbitte Jesu zu verstehen: Wenn ihnen vergeben wird, wo bleibt die Erinnerung, der Beweis des eigenen Leidens?

Muss man doch Gottes Sohn sein, um für die kleinen, unwissenden Menschen um Vergebung zu bitten? Würde eine ehrliche Bitte um Vergebung für unsere Schuldiger nicht besser lauten: Vater vergib ihnen, denn ich kann es nicht?

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

MITTWOCH | TEIL 4

Der Himmel auf Erden

Von Julian Melichar

Wie groß ist unser Horizont, wie weit geht er? Ansichtssache. Fünf Kilometer weit ist er entfernt, an einem sonnigen Tag am Strand. Steht man auf einem Turm, der 100 Meter hoch ist, sieht man fast 40 Kilometer. Manchmal ist alles eine undurchsichtige Wolkensuppe. Alte Gewissheiten brechen ein. Ebenso alt wie der Trugschluss, es gäbe einfache Antworten auf schwierige Fragen ist die Mahnung, es „sei nicht alles schwarz und weiß“. Diese Farben sind in Misskredit geraten. Dabei gibt es viel Eindeutiges, Unumstößliches. Die Sonne geht im Osten auf. Ohne saubere Luft können wir nicht überleben. Wir helfen, wo wir können. Es ist unmöglich, jedem zu helfen. Ein besseres Staatssystem als die Demokratie wurde noch nicht erfunden. Alleine werden wir die Welt nicht retten. Dem Klima könnte es besser gehen. Einer optischen Täuschung erliegt man zunächst auch bei dem vorliegenden Bild. Hier den Durchblick zu behalten, fällt schwer. Wie, wenn man im Bahnhof aus dem Fenster blickt und nicht weiß, ob der eigene Zug losrollt oder der Waggon gegenüber. Da sind Wolken, blauer Einheitsbrei. Realität und Abbild verschwimmen. In der Mitte: Ein sich spiegelndes Cargo-Flugzeug, das irgendwie nicht fliegen will. Das beim World Press Photo Award prämierte Bild wurde von Anselmo Cunha während der verheerenden Überschwemmungen in Brasilien im vergangenen Jahr aufgenommen. Mehr als eine halbe Million Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, mehr als 183 starben in den Fluten. Wenn man genau hinschaut, wird aus der verwirrenden Aufnahme ein recht eindeutiges Foto: Das Flugzeug, dieses Symbol des Fortschritts, ist zum starren Denkmal geworden. Es steht still. Das gilt auch für den heutigen Mittwoch der Karwoche. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Jesus wird verraten werden. Und bald schon wird er zum letzten Abendmahl laden. Wie weit ist unser Horizont also gespannt? Und wann sind wir am Zenit angekommen? Vielleicht dann, wenn wir den Himmel schon auf Erden sehen.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 4

Es ist vollbracht

Und er neigte das Haupt und übergab den Geist.“
Joh 19,30

Von Theresia Heimerl

Fertig samma“ oder für ein jüngeres Publikum „It’s done“ wäre eine zeitgemäße Übersetzung des griechischen Wortes (und es ist nur ein einziges) im Johannesevangelium: „tetelestai“. Für das Verb teléo führt das Altgriechisch-Wörterbuch sehr unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten an: (1) „zu Ende bringen, beendigen, vollenden, ausführen, erfüllen, verwirklichen“; (2) „zollen, darbringen, entrichten, zahlen“.

Dieses Wort hat mit seinen vielen Bedeutungen über Jahrhunderte ganz prosaisch existiert: Häuser wurden fertiggebaut (vollendet), Arbeiten konsequent bis zum Ende (telos) durchgeführt, Zölle und Schulden wurden entrichtet und bezahlt. In der antiken Philosophie kommt nur das Substantiv telos (Ziel, Ende) zu höheren Ehren. Erst mit dem Johannesevangelium erhält teléo heilsgeschichtliche Bedeutung. Dieses letzte Wort Jesu vermittelt keine finale Siegerpose, kein „Ich hab’s geschafft“, sondern es ist ein unpersönliches Wort, seine grammatikalische Form Perfekt Passiv. Die deutsche Übersetzung, die mittlerweile recht altertümlich wirkt und längst nicht mehr zur Alltagssprache gehört, trägt noch das Ihre zur Bedeutsamkeit dieses letzten Wortes bei.

Die Frage, die einem die Kleinen beim Kinderkarfreitag ins Ohr wispern: „Was ist vollbracht?“ beantwortet aber nicht die Grammatik oder Sprachgeschichte. Sind es die Leiden Jesu seit der Nacht zum Karfreitag, die nun im Tod ein Ende haben? Ist es die Inkarnation, die Fleisch- und Menschwerdung Gottes, die auf Golgotha an ihr Ende gekommen ist? Ist der Auftrag Jesu auf Erden verwirklicht und er kann endlich wieder in die himmlische Heimat zurückkehren? Oder geht es vielleicht doch um die zweite Bedeutungsgruppe: Hat Jesus die Verfehlungen der Menschen seit dem Sündenfall mit der Passion und dem Tod am Kreuz abbezahlt und den Kreditstand für die Menschheit wieder auf Null gesetzt? Oder hat Jesus sein Ziel erreicht, auch wenn es für die Umstehenden nicht danach aussieht?

Bei jenem Wort, mit dem Jesus sein Leben und Wirken in der Welt beendet, beginnen für uns erst die Fragen. Vielleicht hat den Verfasser des Johannesevangeliums dieselbe Frage gequält, die Jesu Jünger bis zum Ostersonntagmorgen umtreibt: War es das jetzt? All das Engagement, die Begeisterung, die gemeinsame Zeit, der charismatische Rabbi, dem sie gefolgt sind – war das alles umsonst, zu Ende mit einer grausamen Hinrichtung?

Mit diesen letzten Worten schreibt der Evangelist dem Leben und Sterben Jesu einen Sinn zu. Und ist es nicht das, was wir uns alle heute so dringend wünschen, wenn wir Gewalt, Grausamkeit, Tod sehen: Dass es letztendlich einen Sinn gehabt haben möge, egal wie entsetzlich es war? Nichts ist schlimmer als die Sinnlosigkeit. „Es ist vollbracht“ suggeriert uns einen Masterplan hinter all dem Leid, ein Happy End, für das der Tod eine Notwendigkeit war.

Die Heilsgeschichte wird von Johannes gewissermaßen von hinten her aufgerollt, die letzten Worte werfen ein neues, positives Licht auf das schreckliche Ende der Kreuzigung. Diese Interpretation des letztendlich souveränen Jesus am Kreuz, der noch seine Mutter Maria und Johannes zusammenbringt und damit dann beruhigt zu seinem Vater gehen kann, birgt auch die Gefahr, der Passionsgeschichte ihre Ungeheuerlichkeit zu nehmen. Für den Verfasser des Johannesevangeliums wie für uns ist längst klar, dass es einen Nachspann gibt, in dem wir unseren opferbereiten Helden wiedersehen werden. Verklärt in der Auferstehung gibt er seinen Jüngern wieder Hoffnung, bevor er sich mit der Himmelfahrt endgültig verabschiedet. Doch haben es seine Mutter und der Lieblingsjünger unter dem Kreuz, die anderen Jünger und Anhängerinnen in der anonymen Menge auf Golgotha oder im Versteck auch so erlebt – als souveränes Ende eines göttlichen Erlösers?  

Es wäre schön, wüssten auch alle anderen, die einen qual- und gewaltvollen Tod gestorben sind, dass dieser Tod etwas anderes zu Ende bringt als ihr Leben. Tetelestai, es ist vollbracht – lässt sich das auch für unschuldigen Toten der Konzentrationslager und Gulags sagen, für ermordete kleine Kinder, die nur mehr in Särgen in ihre Heimat zurückkehren können? Ist es nicht unerträglicher Zynismus, bei einem zehn Monate alten Kleinkind zu sagen: „Es ist vollbracht“?

Diese letzten Worte Jesu machen aus dem Opfer Jesus einen aktiv Handelnden, viele Predigten, die man zu diesem Bibelvers im Internet findet, sehen in dieser Rollenumkehr, die erst langsam als solche verstanden wird, die finale Pointe des Christentums. Andere Prediger rücken die zweite Bedeutung von tetelestai in das Zentrum: Es ist abbezahlt, die Schuld ist getilgt. Reden so nicht auch jene Terroristen, die Kleinkinder mit dem Tod für angebliche Sünden ihrer Vorfahren bezahlen lassen?

Die evangelische Theologin Susann Krahe bringt die mit viel Kunstfertigkeit übertünchte, doch nie aufgelöste Spannung zwischen der posthumen Sinngebung des Kreuzestodes Jesu und der unbegreiflichen Sinnlosigkeit anderer Morde in ihrer provokanten Kurzgeschichte „Rahels Rache“ auf den Punkt: Das Baby der fiktiven Rahel aus Bethlehem wird bei dem von Herodes angeordneten Kindermord aufgeschlitzt und verblutet in den Armen der Mutter.

Ihr Kind bleibt anonym, keine Zeile der Evangelien gibt ihm einen Namen oder seinem Tod Sinn, es ist ein Kollateralschaden der Heilsgeschichte. Ihr Kind hat gerade erst zu leben begonnen, es kann noch kein „Es ist vollbracht“ aussprechen, ihm wurde keine Zeit gegeben, etwas zu vollbringen. Mit Wut und Rachegelüsten verfolgt Rahel fortan Jesus auf seinem Weg, bis nach Golgotha. Erst als Jesus am Kreuz stirbt, fühlt auch sie ihr tetelestai. Der, dessentwegen ihr Kind sterben musste, ist auch tot, ihr ermordetes Baby ist in den letzten Worten Jesu miteingeschlossen.

Es ist vollbracht: Das ist keine biblische Formel für ein triumphales Happy End. Die hautnahe Konfrontation Gottes mit der von ihm geschaffenen Welt und den Menschen fällt ernüchternd aus: Sie sind zu noch viel mehr fähig sind, als zur verbotenen Frucht zu greifen. Sie lügen und verraten, sie foltern und ermorden, vom Neugeborenen bis zum Erwachsenen.

Es ist vollbracht – das ist kein finaler Schriftzug am Ende der Heilsgeschichte. Die Heilsgeschichte ist mit dem Tod Jesu, am Kreuz nicht fertig, sie fängt gerade an. Beendet ist mit diesen letzten Worten Jesu das erste entscheidende Kapitel. Bis wir „tetelestai“ sagen können für unseren kleinen Beitrag zur Heilsgeschichte dauert es noch.

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

DIENSTAG | TEIL 3

Vom Regen in die Traufe

Von Marianne Fischer

Es ist eine gleichzeitig unwirkliche und intime Szene, die der US-Fotograf John Moore im März 2024 eingefangen hat: eine Gruppe Menschen, im Mittelpunkt eine Frau mit Kind im Arm, von unten fast mystisch beleuchtet. Vereinzelt sind Gesichter zu erkennen, doch die meisten Figuren gerinnen zu Silhouetten im Nirgendwo, eine anonyme Gruppe auf der Suche nach Wärme und Licht. Aber trotz des Regens darf man vermuten, dass sie unter ihren schützenden Plastikhäuten so etwas wie Glück empfinden, denn diese illegalen Einwanderer aus China haben die US-mexikanische Grenze hinter sich gebracht und Zuflucht in Kalifornien gefunden. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft und einem freieren Leben haben sie höchstwahrscheinlich eine beschwerliche Reise hinter sich gebracht: Viele Chinesinnen und Chinesen reisen zuerst in Ecuador ein, wo sie kein Visum brauchen, auf dem Landweg durchqueren sie den hochgefährlichen, größtenteils mit Regenwald bedeckten Darién-Gap zwischen Kolumbien und Panama, um schließlich irgendwann durch Löcher im Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA zu schlüpfen. Die Informationen, wie man so eine Reise plant – bis hin zu der richtigen Höhe der Bestechungsgelder für Polizisten in den verschiedenen Ländern – finden sie in Video-Tutorials auf Social-Media-Plattformen wie TikTok. Und die Chancen, in den USA bleiben zu können, standen zumindest für die Gruppe auf dem mit dem World Press Photo Award prämierten Foto noch gut, war doch die Anerkennungsquote für chinesische Asylanträge vergleichsweise hoch. Wie mag es der Gruppe, wie der Mutter mit dem Kind, ein Jahr später gehen? Sie finden sich unter Präsident Donald Trump plötzlich in einem Land wieder, das gerade mitten in einem Handelskrieg mit ihrer alten Heimat steckt. Fühlen sie sich noch willkommen? Sind sie überhaupt noch in den USA? Man kann nur hoffen, dass sie nicht vom Regen in die Traufe gekommen sind.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 3

Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir:
Lk 23,42f

Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein

Von Theresia Heimerl

Das ist doch ein Versprechen, das man gerne hört, zumal, wenn man am Kreuz hängt! Viel musste der so Angesprochene dafür nicht tun. Er ist einer der neben Jesus gekreuzigten Verbrecher, der in seinen letzten Atemzügen erkennt, dass er vielleicht nicht ganz zu Unrecht mit dem Tod bestraft wird und Jesus entgegen der spöttischen Bemerkung seines Kompagnons wohl doch der Messias ist. Um eine direkte Mitnahme traut er sich dann doch nicht zu fragen und so bleibt es bei der Bitte: „Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Das reicht für das zeitnahe Paradiesversprechen Jesu.

Dieses letzte Wort Jesu im Lukasevangelium berührt zwei zentrale Themen des Christentums: Die Erwartung eines Lebens nach dem Tod in einem himmlischen Reich Gottes, das dem Paradies aus den ersten Kapiteln des Alten Testaments ähnelt. Und natürlich geht es auch um die Frage, was man tun muss, um dort tatsächlich hinzukommen.

Wie neu und unerhört dieses Versprechen in der Umwelt Jesu und der antiken Welt insgesamt war, lässt sich daraus ablesen, dass manche Historiker die Verheißung einer paradiesischen Welt nach dem Tod für den ausschlaggebenden Faktor der christlichen Erfolgsgeschichte halten.

Doch selbst für den Jesus der Evangelien ist dieses letzte Versprechen an einen gekreuzigten Verbrecher radikal. In seinen früheren Reden über das himmlische Reich ist der Eintritt dorthin doch an gewisse Bedingungen geknüpft: Reiche passen nicht durch die enge Tür („Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Mt 19,24.), Kinderschänder auch nicht (Mt 18), ja selbst die mangelnde Bereitschaft zur radikalen Nachfolge wirkt sich negativ aus (Mk 10).  

Doch im Paradiesversprechen am Kreuz lautet die zentrale Botschaft: Es ist nie zu spät, dich Gott zuzuwenden, solange du lebst. Aus diesem revolutionären, hoffnungsvollen Grundgedanken sind im Laufe der Geschichte des Christentums interessante Vorstellungen und Praktiken entstanden: Wie Philippe Ariès in seiner „Geschichte des Todes“ ausführt, dreht sich für die Menschen im Spätmittelalter alles um das „richtige“ Sterben, eine letzte Hinwendung zu Gott, verbunden mit einem umfassenden Sündenbekenntnis, wird zum begehrten Eintrittsticket in das Paradies.

Dieses himmlische Paradies war für die Menschen über fast 2000 Jahre ein Sehnsuchtsort, der als das Gegenteil des tristen irdischen Daseins beschrieben und dargestellt wurde. Auf dieses Paradies richten die frühen Märtyrer und Märtyrerinnen ihre Augen, während ihre Körper in der Arena gefoltert werden. In einem der frühesten Texte aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts, der „Passio Perpetuae“ sieht ein Begleiter Perpetuas „ein[en] … Raum, wie ein Lustgarten; darin waren Rosenbäume und Blumen aller Art. Die Bäume waren so hoch wie Zypressen und ihre Blätter fielen ohne Unterlass herab.“ Die junge Märtyrerin Perpetua selbst träumt davon, in einem „weiten, ausgedehnten Garten“ zu sein und Nahrung zu erhalten, während sie und ihre Mitgefangenen im heißen, überfüllten Kerker leiden. Wieder andere Frauen erleben während des Martyriums, wie Jesus selbst sie holen kommt und mitnimmt in sein himmlisches Reich, weg von Schmerz und Bosheit der Welt, wie Jesus es am Kreuz dem Verbrecher neben ihm verspricht.

Später wird das himmlische Paradies zu einem Ort, der in immer neue Bilder gekleidet wird: Der Garten ist, angelehnt an das erste Paradies, eine häufige Imagination mittelalterlicher Jenseitsreisender. Eine himmlische Tafel erträumen vom Hunger geplagte Christen mit kulinarischen Details, die uns heute Auskunft über begehrte Speisen und Getränke ihrer Zeit geben. Und andere wieder, Mystiker und Mystikerinnen, rücken das „mit mir“ aus dem Lukasevangelium ins Zentrum: Es geht nicht um das „Drumherum“, die Botanik und Speisetafel, sondern um die immerwährende Verbundenheit mit Gott, ja selbst die Hölle kann in den Armen des himmlischen Bräutigams zum Paradies werden, schreibt – theologisch gewagt – Mechthild von Magdeburg im 13. Jahrhundert.

Mit den Jahrhunderten rückt das Versprechen vom himmlischen Paradies immer mehr in den Hintergrund, bis es zu einem kaum erahnbaren, unbestimmten Ziel der Seele wird, wenn sie sich beim romantischen Dichter Joseph von Eichendorff fühlt „als flöge sie nach Haus“. Gleichzeitig werden die Versprechen irdischer Paradiese immer mehr. Schon die böhmischen Adamiten im 15. Jahrhundert luden zum Leben in ihren Paradiesgarten in Böhmen ein, zumindest so lange, bis der Winter der paradiesischen Nacktheit ein Ende bereitete. „Heute noch wirst du im Paradies sein“ konnte in kommunistischen Regimen zur gefährlichen Drohung werden oder zum Aufruf zu Mord und Selbstmord in fanatischen religiösen Gruppen wie den Volkstemplern (Peoples Temple) in Jonestown 1978.

Weniger gewaltvoll sind die vom Kapitalismus versprochenen Paradiese: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ heißt in ihren gänzlich immanenten Welten nichts anderes als „Heute fahren wir ins Shoppingcenter“. Paradiesversprechen sind heute inflationär geworden. Die Paradieskulissen begegnen uns überall, die sommerlichen Autobahnen gen Süden bieten mehr von ihnen an als Tankstellen. Kein Wunder also, dass das christliche Versprechen nicht mehr als spektakulär empfunden wird.

Und doch ist dieses letzte Wort Jesu radikal anders und viel spektakulärer als alle unsere irdischen Paradiese: Es ist voraussetzungslos, braucht weder Ideologie noch Geld noch ein Auto. Selbst das Eingeständnis, die Hinrichtung mit früheren bösen Taten verdient zu haben, wird im Lukasevangelium nicht von Jesus verlangt. Wir wissen von diesem Verbrecher nicht einmal seinen Namen, lediglich lokale Legenden haben den rechts und links von Jesus gekreuzigten Männern Namen gegeben oder gar eine Kirche gebaut wie in der kroatischen Hauptstadt Zagreb (Sankt Dismas). Der namenlose gekreuzigte Verbrecher ist ein „Jedermann“, ein Platzhalter für alle Menschen, die sich in extremis an Jesus wenden.

Das Paradies Jesu fängt dort an, wo alle irdischen Paradiese enden: Im Sterben, in der Verzweiflung über ein falsch gelebtes Leben, in der Angst einfach vergessen und verscharrt zu werden, wie es dem namenlosen Verbrecher bevorsteht. Dieser soteriologische Jedermann können und werden wir alle einmal sein – und Jesus hat uns versprochen, uns dann mitzunehmen in sein himmlisches Paradies.

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

MONTAG | TEIL 2

Der Schmerz eines Landes

Von Martin Gasser

Der junge Mann wirkt so, als würde er sich ausruhen, die Lider fast geschlossen, der Rest des Blicks scheint auf der Pistole in seiner Hand zu ruhen. Es ist ein Bräutigam, fotografiert von einem Freund. Mosab Abushama hat eine Hochzeitsfeier in Omdurman festgehalten. Die Millionenstadt ist Teil der Metropolregion Khartoum im Sudan, in der fast so viele Menschen leben wie in Österreich. Die Waffen spielen bei Hochzeiten in dieser Weltgegend eine eminente Rolle, Freudenschüsse in die Luft stellen eine Art Pendant zur Böller- und Feuerwerkknallerei in Europa und Asien dar. An diesem Tag sollten es die einzigen Schüsse bleiben, die die Hochzeitsgäste hörten. Eine Ausnahme. Der Fotograf und Filmemacher Abushama, dessen Aufnahme beim World Press Photo Contest ausgezeichnet worden ist, berichtet aus jener Zeit Anfang des Jahres 2024: „Ich hatte vor der Feier große Befürchtungen, in diesen Tagen gab es viele Kämpfe und Bombardements. Ich hatte Angst, dass die Hochzeit sich in eine Tragödie verwandeln könnte.” Am Freudentag blieb die Tragödie aus. Dabei gehören Tragödien im Sudan zum Alltag. Fern von der westlichen Weltöffentlichkeit spielt sich dort eines der großen humanitären Dramen des Jahrhunderts ab. Seit zwei Jahren herrscht Krieg, aktuell sind fast 13 Millionen Menschen vertrieben worden, der Großteil davon Binnenflüchtlinge, 25 Millionen sind von Hunger bedroht. Die Waffen auf dem Foto sind zugleich Symbol der Freude und des Todes, in einem Land, das von zweiterem mehr als genug hat. Die unendliche Müdigkeit auf dem Gesicht des Bräutigams von Omdurman, die Leere seines Blicks erzählt etwas über die verzweifelte Lage dieses ausgelaugten Landes, dessen Schmerz sich in den Zügen seines Einwohners eingegraben zu haben scheint. Eine Passionsgeschichte für sich. Ein Mann, der ganz andere Sorgen haben sollte, aber dessen Hochzeit auch dafür steht, dass das Leben und die Liebe immer weitergehen. Unter allen Umständen.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 2

Frau, siehe, dein Sohn!

Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“
Joh 19,26–27

Von Theresia Heimerl

Diese letzten Worte Jesu im Johannesevangelium haben vielgestaltigen Widerhall in der christlichen Kunstgeschichte erfahren. Jesus am Kreuz, Maria zur einen und der Jünger Johannes zur anderen Seite stehend haben Künstler von anonymen Mosaiken der ersten Jahrhunderte bis zu Giotto und Matthias Grünewald bewegt und sie bewegen mit ihren Bildern bis heute. In manchen Darstellungen steht Maria wie vor Schmerz erstarrt, einen Schleier über das Gesicht gezogen, da, als wäre sie vor dem, was sie sieht, tief in ihr Innerstes geflüchtet, in anderen ringt sie die Hände, in wieder anderen wird sie von Johannes aufgefangen, ohnmächtig angesichts des Schmerzes.

Dieser Schmerz einer Mutter, die der qualvollen Hinrichtung ihres eigenen Sohnes zusehen muss, berührt uns heute noch. Er ist zeitlos, das Schlimmste, was sich eine Mutter vorstellen kann, ein Bild, das sich in den Kriegen rund um uns hundertfach wiederholt.

Der Jesus, den uns die Evangelien vorstellen, ist kein einfacher Sohn. Er weist seine Mutter auf der Hochzeit von Kanaa schroff ab mit den Worten: „Was willst du von mir, Frau?“ (Joh 2,4). In den folgenden Jahren scheint er sie ganz vergessen zu haben, er ist mit öffentlichen Auftritten und seinen Jüngern beschäftigt. Von diesen steht dann kein einziger außer Johannes unter dem Kreuz – dafür ist die Mutter wieder da.

Der Jünger Johannes ist auf manchen Gemälden als schöner Jüngling dargestellt, wie schon beim letzten Abendmahl, Matthias Grünewald aber zeichnet Johannes mit vor Schmerz und Angst verhärmtem Gesicht, seine Finger sind so fest verschränkt, dass es weniger frommer Gebetsgestus denn ein Festhalten der Finger aneinander zu sein scheint, hilflos angesichts des Geschehens. Auf dem Isenheimer Altar desselben Künstlers in Colmar scheint Johannes seiner Rolle als neuernannter Sohn bereits nachzukommen, stützt er doch die zusammenbrechende Maria, den Blick nur mehr auf sie und nicht mehr den Gekreuzigten gewandt.

Doch warum teilt Jesus in seinen letzten Worten vom Kreuz herab seine Mutter und seinen Lieblingsjünger Johannes einander zu? Der unmittelbare Kontext legt nahe, dass Jesus seiner Mutter das Schicksal einer mittellosen Witwe ersparen wollte, die in der Antike nur von (männlichen) erwachsenen Kindern erhalten werden oder betteln konnte. Jesus ordnet sozusagen seine letzten weltlichen Angelegenheiten: „Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, (…).“ (Joh 19,27f.) Erst nachdem er seine Mutter, die ihn in diese Welt geboren hat, mit einem Ersatzsohn versorgt weiß, ist seine Aufgabe zur Gänze erledigt.

Jesus, ein treusorgender Sohn, spät aber doch? Sicher schwang für Christen und insbesondere Christinnen diese existenzielle Bedeutung mit, zumal auch in den folgenden Jahrhunderten bis in die nicht allzu weite Vergangenheit ein solcher Sohn die einzige Möglichkeit für ein halbwegs annehmbares Weiterleben war.

Die Worte vom Kreuz an Maria und Johannes haben darüber hinaus noch eine andere Bedeutung, die über soziale Notwendigkeiten hinaus geht. Jesus setzt in seinen letzten Worten konsequent fort, was er in seinen Predigten und Taten in den Jahren davor gesprochen und gelebt hat: Er ermuntert zur Beziehung. Anders als es später Michel Foucault dem Christentum (in gewisser Weise auch zurecht) zuschreibt, ist die Botschaft Jesu vom Beginn seines Wirkens an nicht die Sorge um sich selbst (Le souci de soi, 1984), sondern die Sorge um andere Menschen, den Nächsten oder die Nächste, wer immer diese sein mögen.

Es sind eben nicht die traditionellen Familienbande, von denen die Evangelien erzählen, sondern Beziehungen, die aus Zufallsbegegnungen entstehen, oder gar mit Misstrauen beginnen, wie etwa mit dem Zöllner Zachäus, den Jesus aus dem Feigenbaum in seine Jüngerschaft lockt. Jesu Sorge gilt jenen, denen die Familie nicht mehr helfen kann, wie der Tochter des Jairus oder will, wie der Ehebrecherin im Johannesevangelium (Kap. 7/8).

Jesus weitet mit seinen Worten an Maria und Johannes den Familienbegriff, er bindet ihn nicht mehr an Blutsverwandtschaft oder Besitzstatus, was das lateinische familia eigentlich anzeigt. Johannes ist nicht der leibliche Sohn Marias, aber er kann wie ein Sohn für die allein zurückgebliebene Frau sein, sie stützen, wie im Bild Grünewalds, sich von ihr verwöhnen und umsorgen lassen, wie sie es für Jesus viel zu kurz tun konnte. Maria wird in der Tradition rasch von der Mutter eines Sohnes zur Mutter vieler christlicher Söhne und Töchter.

Es ist kein Zufall, dass das Christentum bereits in den ersten Jahrhunderten beginnt, solche Familien der gegenseitigen Sorge zu entwickeln: Die Apostelgeschichte schildert das Leben der christlichen Gemeinde in Jerusalem nach dem Pfingstereignis als familiäre Gemeinschaft, in der die Blutsverwandtschaft keine Rolle spielt. Nicht lange danach entstehen erste Ordensgemeinschaften, die familiären Bezeichnungen wie Vater, Mutter, Bruder und Schwester übernehmen, aber in deutlichem Kontrast oder gar in Konkurrenz zum traditionellen Modell der Familie stehen.

Diese letzten Worte Jesu am Kreuz machen deutlich, wofür das Christentum steht: Jesus verpflichtet die ihm am nächsten stehenden Menschen, einer davon blutsverwandt, der andere durch Jüngerschaft in enger Vertrautheit verpflichtet, füreinander zu sorgen. Die aus der Ukraine geflüchtete Frau, deren Sohn im Krieg gefallen ist, sie ist ebenso eine Mutter, um die sich andere „Söhne“ kümmern sollen wie die todkranke Frau in der Palliativstation, deren Kinder weit weg oder selbst schon verstorben sind. Und an mutterlosen Söhnen ist gerade unsere heutige Gesellschaft wahrlich nicht arm. Sie sind oft allein aufgebrochen auf ihre Reise in das Jerusalem ihrer Träume, haben trauernde und doch hoffende Mütter zurückgelassen und stehen nun verloren auf dem kahlen Golgotha von heute, den Plätzen der anonymen Städte.

Viele von diesen Söhnen würden sich jemand wünschen, der ihnen seine Mutter anvertraut, und ihn selbst dieser Frau, die ihn noch ein wenig unterstützen und trösten würde in dieser Welt der zerstörten Träume vom nahen Reich Gottes, die Menschen nicht nur kreuzigt, sondern auch zulässt, dass Mütter und Söhne das Leiden und das Böse mitansehen müssen.

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

PALMSONNTAG | TEIL 1

Die letzte Hoffnung

Von Bernd Melichar

Die Menschenmasse ist fast beängstigend, die Begeisterung groß. Und die Frau, die auf dem umzingelten Wagen sitzt und vielfach fotografiert wird, strahlt eine gelassene Herzlichkeit und Zuversicht aus. Das Foto trägt den Titel „The Last Hope“, die letzte Hoffnung, und wurde von der Fotografin Gabriela Oráa gemacht, die dafür einen World Press Photo Award erhielt. Die Frau auf dem Auto ist die venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado, die sich von ihren Anhängern während einer Wahlkampfveranstaltung in Mérida feiern lässt. Im Jahr 2023 gewann Machado die Vorwahlen der Opposition und trat bei den Präsidentschaftswahlen gegen Nicolás Maduro an. Die venezolanischen Behörden schlossen sie jedoch anschließend von der Kandidatur aus. Nach der Wahl erklärten die Behörden Maduro zum Sieger. Vorwürfe von Wahlunregelmäßigkeiten führten dazu, dass viele Länder die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses in Frage stellten. Machado bleibt als Oppositionsführerin Schlüsselfigur für einen politischen Wandel in Venezuela – die letzte Hoffnung. Ein „Oppositionsführer“ der anderen Art zog am Palmsonntag in einer anderen Stadt ein. „Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Bétfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger aus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir!“ (Mt 21, 1-2). Das Volk jubelte Jesus zu und streute ihm Palmzweige auf den Weg. Das Motiv des Königs, der auf einem Esel reitet, ist das Sinnbild des gewaltlosen Herrschers. Wie die (Bibel-)Geschichte endet, ist bekannt. Jesus wird verraten, angeklagt, zum grausamen Tod am Kreuz verurteilt. Auch er war für viele die letzte Hoffnung. Dass María Corina Machado ein Bad in der Menge nimmt, ist übrigens die Ausnahme. Meist agiert sie vom Untergrund aus. Oppositionelle leben in Venezuela und vielen anderen Ländern dieser Welt gefährlich.

DIE SIEBEN LETZTEN WORTE, TEIL 1

Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte:
Joh 19,28

Mich dürstet

Von Theresia Heimerl

Kein Wunder, dass Jesus Durst hat: Die körperlichen und psychischen Strapazen seit Gründonnerstag, der Staub und die brennende Sonne, die blutigen Lippen sind zerrissen und ausgedörrt – all das lässt uns diese letzten Worte Jesu im Johannesevangelium nachvollziehbar, ja nahezu trivial erscheinen. Für Theologen, auch jene, die Jesus einst ans Kreuz gebracht haben, klingen in diesem Ausruf unweigerlich noch biblische Bezüge mit, die eine weitere Bedeutungsebene eröffnen.

In Psalm 42,3 heißt es: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und erscheinen vor und erscheinen vor Gottes Angesicht?“

Und in Psalm 63,2 werden die körperlichen Bedürfnisse noch anschaulicher mit der seelischen Trockenheit verglichen: Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.“

Eine der existenziellsten Erfahrungen des Menschen, der Durst, wird bereits im Alten Testament zur eindringlichen Metapher für die Sehnsucht nach Gott, ja Gott als Lebensnotwendigkeit für den Menschen. Das Bedürfnis nach Gott ist kein Transzendenzbedürfnis, wie es heute von den Religionssoziologen konstatiert wird, das sich in verschiedenen Ausformungen Bahn bricht. Dieses Bedürfnis ist ein Bedürfnis des ganzen Menschen, der trockene Mund, der nicht unterdrückbare Wunsch nach Wasser, das die Kehle hinunterrinnt und den Körper wieder mit Leben befüllt, ist konkret, hier und jetzt, nicht in höheren Sphären.

Die Dursterfahrung ist der Umwelt Jesu allzu gut bekannt, sie prägt den Alltag, das „lechzende Land ohne Wasser“ aus dem Psalm ist jene Region des Nahen Ostens, durch die Jesus mit seinen Jüngern zieht, einen Brunnen, eine Quelle zu finden beschäftigt die Menschen für ihr Überleben. Genauso, wie jemand in dieser unwirtlichen Gegend ohne Wasser verdurstet, vertrocknet der Mensch ohne Gott, bis nur mehr blanke Knochen und Haut wie Pergament übrigbleiben.

Nach diesen letzten Worten Jesu, seinem Tod und seiner Auferstehung wird Jesus selbst zur Quelle, die den Durst lindert. In den frühen Märtyrerlegenden erscheint Jesus selbst in den heißen, stickigen Kerkern und gibt den Gefangenen zu trinken. Gewöhnungsbedürftig sind für uns heute auch jene mittelalterlichen Darstellungen und Visionen, in denen Heilige andächtig das aus der Seitenwunde rinnende Blut Jesu trinken, um ihren durch Askese herbeigeführten körperlichen und ihren seelischen Durst gleichermaßen zu löschen, wie es Fresken in den Zellen des Dominikanerklosters San Marco in Florenz zeigen. Vielen von uns am bekanntesten ist aber eine Szene im klassischen Karfreitagsfilm Ben Hur: Der Jude Ben Hur wird als Sklave mit anderen aus seiner Heimat weggeführt, fast verdurstet von der brennenden Sonne und dem tagelangen Marsch, stößt ihm ein römischer Soldat die Trinkkelle aus der Hand. Daraufhin tritt Jesus hinzu, und gibt dem dürstenden Protagonisten Wasser zu trinken. Er gibt ihm nicht nur Wasser, sondern auch die Kraft, in menschenverachtenden Umständen weiterzuleben.

Der Ben Hur unserer Tage ist auch durch die Wüste unterwegs, oft genug wie der Filmheld in einer Kolonne anderer Versklavter, die nicht nach Rom, sondern von dort zurückgetrieben werden, um zu verdursten in dem nach Wasser lechzenden Land, der Wüste. Ihn und seine Begleiter dürstet nicht nur nach dem sauberen Wasser Europas, sondern nach einem menschenwürdigen Dasein überhaupt – und oft genug ertrinkt er im salzigen Wasser des Mittelmeeres, ohne Happy End nach knapp vier Stunden und langem Abspann.

Mich dürstet“ – gilt das nicht für unsere gesamte Welt heute mehr denn je? Längst lechzt nicht nur das Land in der Heimat Jesu nach Wasser, auch Landwirte in der einst so grünen Steiermark zeigen jedes Jahr mit betrübtem Gesicht ihre vertrockneten Feldfrüchte her, lassen den staubigen Boden aufwirbeln. Mich dürstet, meine Tiere dürsten, rufen Bauern in den Mittelmeerländern auf graubraunen Hügeln, während das letzte Wasser in die Pools der Hotelanlagen gepumpt wird. Der Durst dieser Landschaften, ihrer Menschen und Tiere wird in Kauf genommen im Interesse eines Durstes nach Profit und Macht. Dass dieser Durst nicht gestillt werden kann, lassen uns schon mittelalterliche Kirchenportale wissen: Dem Geizigen, dem Gierigen wird in der Hölle von teuflischen Gestalten flüssiges Gold in den Mund gegossen, und erst dann erkennt er, dass Gold den Durst nicht lindert. Doch wer von denen, die heute Menschen, Tiere und Pflanzen dürsten lassen, erkennt sich in den vom Durst nach Gold gepeinigten Gestalten der alten Höllengemälde wieder?

Der Durst ist das Gefühl unserer Gegenwart. Und genau wie damals in den Psalmen und am Kreuz ist der Durst ein Durst des Körpers und der Seele. Wie viele Studien sind in den letzten Jahrzehnten nicht entstanden, die sich in empirischen Arbeiten und gelehrten Interpretationen dem Durst der Seele widmen. Spirituell Suchende nennen die Studien jene, deren Seelen dürsten nach einem Getränk, dass es weder im Supermarkt noch an der Bar zu kaufen gibt. In ihrem Durst trinken sie alles: Süßliche Versprechen der Erleuchtung oder Gift, dass ihre Seele betäubt und sie nach Blut statt nach belebendem Wasser dürsten lässt. Wer Durst hat, darf längst auch während des Unterrichts trinken, anders als in den strengen Internaten der alten Tage. Dennoch wird der Durst der Kinder nach Anerkennung, Hilfe und Liebe zu wenig gestillt, sie verkümmern still vor sich hin, wie die Pflanzen am steirischen Acker.

Wir trinken heute genug, die App auf der Smartwatch sagt uns, wann wir durstig sind. Unser wirklicher Durst bleibt ungestillt, keine digitale Messung warnt uns, wenn wir dürsten oder gar am Verdursten sind. Im Johannesevangelium benennt Jesus am Brunnen in Samaria lange, bevor er selbst vom Kreuz herab „mich dürstet“ ruft, den zweiten Durst:

Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4, 13f.).

Es lohnt sich diese Quelle zu suchen. Wir könnten davon allen Dürstenden zu trinken geben, den Pflanzen am Feld, den Tieren in den vertrockneten Landschaften, den Menschen in den äußeren und inneren Wüsten und jenen, denen ihr Gold die Kehle verbrennt, solange, bis keiner mehr rufen muss:

Mich dürstet.“

Zur Autorin

Theresia Heimerl studierte Katholische Theologie sowie Deutsche und Klassische Philologie. Seit 2003 ist sie a.o. Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz.

Digitale Aufbereitung: Oliver Geyer

Fotos: Wolfgang Zajc (6), LELJAK/UNI GRAZ, GABY ORAA, Mosab Abushama/World Press Award, KK, Anselmo Cunha, Aubin Mukoni, Cinzia Canneri/World Press Photo Award, JEROME BROUILLET