Zuckerbergs Zauberwerk

20 Jahre Facebook

DOSSIER. Facebook feierte am 4. Februar 2024 zwei Jahrzehnte. Aus dem simplen Studentennetzwerk wurde ein weltweiter Machtfaktor, aus dem Herumblödel-Medium ein hochpolitischer Kanal. Dessen Anziehungskraft trotz aller Kritik weiter unbändig scheint. Zahlen, Menschen und Geschichten zum Jubiläum des Pioniers.

Von Markus Zottler

„Herr Zuckerberg. Sie und die anderen Unternehmen (…) haben Blut an Ihren Händen.“

Senator Lindsey Graham, 31. Jänner 2024

Das Setting war obskur, die Vorwürfe massiv. Die Anklagebank, sie war eigentlich keine. Und trotzdem musste es sich für die Obersten mächtiger Online-Netzwerke wie Facebook, Snapchat, Discord, TikTok oder X (Twitter) diese Woche so angefühlt haben. Die Ankläger, sie waren eigentlich keine. Und trotzdem hielten sich die Senatorinnen und Senatoren nicht mit Anschuldigungen zurück.

Das Thema der Anhörung? Hoch relevant und ernst. Es ging um die Gefahren, die soziale Netzwerke wie Facebook für Kinder und Jugendliche haben. Sexuelle Belästigung, Suchtverhalten, Cybermobbing. Hinter Mark Zuckerberg und Co hatten auch Eltern Platz genommen, die ihre Kinder verloren hatten und Social Media dafür verantwortlich machen. Geknickt dreht sich der Facebook-Gründer ihnen zu und versuchte, Mitgefühl auszudrücken.

Mark Zuckerberg (Mitte) nach der Anhörung im Justizausschuss des US-Senats.

Mark Zuckerberg (Mitte) nach der Anhörung im Justizausschuss des US-Senats.

Donnerstagabend schien Mark Zuckerberg den schmerzhaften Auftritt bereits gut verdaut zu haben. Es galt, aktuelle Bilanzzahlen zu veröffentlichen. „Mehr als 3,1 Milliarden Menschen“ würden jeden Tag zumindest eine der Meta-Apps – also Facebook, den Facebook Messenger, WhatsApp, Instagram oder Threads – verwenden, sagte er da stolz. Und machte damit schnell klar: Exakt 20 Jahre, nachdem Facebook am 4. Februar 2004 erstmals seine Pforten öffnete, ist die Welt des Konzerns so attraktiv wie noch nie.

Totgesagte leben also länger, trotz Akzeptanzproblem vor allem bei den Jungen: Monatlich betrachtet waren alleine auf Facebook zuletzt im Schnitt 3,07 Milliarden Nutzer aktiv. Gut drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor, und gut 300.000 Prozent mehr als im Gründungsjahr. Das ist, rein rechnerisch natürlich, mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung.

Profilseiten, Freundeslisten, Nachrichten: Diese bei Facebook zu findenden Funktionen hat auch schon Social-Media-Pionier SixDegrees.com, gegründet 1997. Zu Spitzenzeiten erreicht das Netzwerk mehr als eine Million Menschen – doch finanzieren lässt sich die Idee nie. TheGlobe.com oder Friendster heißen weitere soziale Netzwerke zu Beginn der 2000er-Jahre. Auch das heute wieder begehrte LinkedIn und Kurzzeitzampano Myspace öffnen bereits 2003 die Pforten. Und dennoch: An Facebooks sowohl finanziellen als auch popkulturellen Erfolg kommen sie alle nicht heran. 2010 wird die Gründungsgeschichte Facebooks – mit vielen fiktionalen Elementen – in The Social Network sogar verfilmt (Regie: David Fincher).

Warum sich die Menschen auch heute noch Facebooks Fängen nur schwer entziehen können? Neben dem Wirken des Netzwerkeffekts – weiterhin zieht man seine Macht aus dem aufgebauten Milliardenpublikum – macht Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig Dreierlei mit magnetischer Wirkung aus: „Lokale Gruppen, die Organisation von Events und Geburtstagserinnerungen“.

Profilseiten, Freundeslisten, Nachrichten: Diese bei Facebook zu findenden Funktionen hat auch schon Social-Media-Pionier SixDegrees.com, gegründet 1997. Zu Spitzenzeiten erreicht das Netzwerk mehr als eine Million Menschen – doch finanzieren lässt sich die Idee nie. TheGlobe.com oder Friendster heißen weitere soziale Netzwerke zu Beginn der 2000er-Jahre. Auch das heute wieder begehrte LinkedIn und Kurzzeitzampano Myspace öffnen bereits 2003 die Pforten. Und dennoch: An Facebooks sowohl finanziellen als auch popkulturellen Erfolg kommen sie alle nicht heran. 2010 wird die Gründungsgeschichte Facebooks – mit vielen fiktionalen Elementen – in The Social Network sogar verfilmt (Regie: David Fincher).

Warum sich die Menschen auch heute noch Facebooks Fängen nur schwer entziehen können? Neben dem Wirken des Netzwerkeffekts – weiterhin zieht man seine Macht aus dem aufgebauten Milliardenpublikum – macht Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig Dreierlei mit magnetischer Wirkung aus: „Lokale Gruppen, die Organisation von Events und Geburtstagserinnerungen“.

Die Geschichte von Facebook

Im Jahr 2004 programmiert Mark Zuckerberg, damals 19 Jahre alt und Student der renommierten Harvard University, die Website FaceMash.com. Studenten können dort Fotos von Kommilitoninnen vergleichen und ihre Attraktivität beurteilen. Die Universitätsleitung sperrt die Website innerhalb von zwei Tagen, Zuckerberg wird auch vor den Verwaltungsrat der Uni zitiert.

„Der Schöpfer der kurzlebigen, aber beliebten Harvard-Version der Website Am I Hot or Not? sagte, dass er die Schule nicht verlassen muss, nachdem er gestern Nachmittag vor den Verwaltungsrat geladen wurde. Mark E. Zuckerberg sagte, er sei beschuldigt worden, die Sicherheit zu verletzen, Urheberrechte zu verletzen und die Privatsphäre von Personen zu verletzen, indem er die Website www.facemash.com vor etwa zwei Wochen erstellt habe.“

The Harvard Crimson, 19. November 2023

2004

2004 wagt Zuckerberg einen neuen Anlauf: Mit Studienfreunden entwickelt er eine neue Plattform namens thefacebook.com. Auf ihr können sich die Studenten präsentieren und vernetzen. Die Website wird rasch populär, bald dürfen auch Studenten anderer Hochschulen mitmachen.

Das Team stellt sich damals auf der Website vor: „Master and Commander“ und „Enemy of the State“ Zuckerberg, nebst Eduardo Saverin, „Brazilian Affairs“, und „General Rockstar“ Andrew McCollum.

Scrollen Sie weiter, um zu sehen, wie sich die Plattform in ihren ersten 20 Jahren entwickelt hat. Die Screenshots aus den einzelnen Jahren stehen nicht zwingend im Maßstab zueinander.

So schaut 2004 ein Facebook-Profil aus. Profilbilder sind, obwohl hier nicht angezeigt, bereits möglich. Zuckerberg bricht sein Studium ab, zieht ins kalifornische Silicon Valley und gewinnt Hedgefonds-Manager Peter Thiel als ersten Investor. Dieser steigt mit 500.000 Dollar ein.

2005

Die heute beliebten Gruppen, in denen sich Food-Aficionados, Jungeltern, Gemeindebürger etc. vernetzen, gibt es bereits in der Frühphase des sozialen Netzwerks.

2006

Zuckerberg schlägt Milliarden-Übernahmeangebote von Viacom und Yahoo aus. Facebook ist optisch überarbeitet und hat sich von der Studentenplattform zum Netzwerk für alle gemausert, auch das „The“ vor dem Namen verschwindet. Der Gründer selbst besitzt natürlich ebenfalls ein Profil auf der Plattform.

2008

Zuckerberg schließt einen Vergleich über 65 Millionen Dollar mit den Zwillingen Tyler und Cameron Winklevoss. Sie werfen ihm vor, ihnen in Harvard die Facebook-Idee gestohlen zu haben. Facebook löst den Konkurrenten MySpace als weltweit beliebtestes Onlinenetzwerk ab. Außerdem wird mit Facebook Chat eine Instant-Messenger-Funktion eingeführt. Inzwischen gibt es auch eine deutschsprachige Facebook-Version.

2009

Facebook führt den Like-Button mit dem Daumen-hoch-Symbol ein. Nutzer können damit signalisieren, dass ihnen etwas gefällt oder sie etwas unterstützen. Facebook startet 2008/09 auch seine erste App für Smartphones.

2010

Ergänzend zu Facebook-Profilen gibt es schon seit 2007 Facebook-Seiten, etwa für Unternehmen oder Promis. Mit diesen muss man nicht „befreundet“ sein, eine „Gefällt-mir“-Angabe reicht, um auf dem Laufenden zu bleiben. Als erster Promi erreicht Popstar Lady Gaga mehr als zehn Millionen Facebook-Fans. Auch die steirische Landespolitik ist im Landtagswahljahr im sozialen Netzwerk vertreten – wenn auch mit deutlich weniger „Likes“.

2011–2014

2011 veröffentlicht Facebook sein Chat-Service als eigene App – den Messenger. Unterdessen hagelt es Beschwerden wegen Facebooks Umgang mit Nutzerdaten. Zudem beginnt die Zeit der großen Akquisitionen: Der Konzern kauft die soziale Bilderplattform Instagram (2012) um eine Milliarde US-Dollar, geht an die Börse und kauft zwei Jahre später zudem WhatsApp (19 Milliarden Dollar) und Virtual-Reality-Brillen-Hersteller Oculus (gut zwei Milliarden Dollar). Auch über einen argentinischen Kardinal, Jorge Bergoglio, gibt es bereits eine Facebookseite – im März 2013 wird er zum Papst gewählt.

2016–2018

Facebook rollt die „Reactions“ weltweit aus – der Like-Button wird damit um weitere Möglichkeiten, seine Gefühle bzw. Stimmung auszudrücken, erweitert. Der Konzern gerät in Bedrängnis: Im US-Präsidentschaftswahlkampf werden die sozialen Netzwerke von massiven russischen Desinformationskampagnen geflutet. Außerdem stellt sich heraus, dass die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica heimlich die Daten von Millionen von Nutzern abgegriffen hat. Kein Skandal, aber auch aus dem Jahr 2017: So sieht die Facebook-Seite der Kleinen Zeitung, die schon seit 2009 besteht, damals aus.

2021

Der Facebook-Konzern benennt sich in Meta um und fokussiert sich intensiv auf erweiterte und virtuelle, dreidimensionale Realität – das Metaverse. Dieses Herzensprojekt Zuckerbergs ist bis dato ein Milliardengrab. 

2023–2024

Im Laufe des Jahres 2023 führt Meta mit Threads einen Kurznachrichtendienst als möglichen Konkurrenten für X (Twitter) ein. Der Dienst hat zuletzt etwa 130 Millionen monatliche Nutzer. So sieht die Plattform Facebook aktuell, 20 Jahre nach ihrer Gründung und nach zahlreichen optischen Überarbeitungen, aus.

Video-Umfrage: Verwenden Sie noch Facebook?

1000 Prozent Kursplus

Zu 20 Jahren Facebook zählen mittlerweile auch fast zwölf Jahre Börsenzeit. 2012 schlägt der Konzern mit der Erstnotierung ein völlig neues Kapitel auf, das zunächst für Unbehagen sorgt. Angekündigt als größte und lukrativste Börsenpremiere werden die ersten Tage nämlich zum Debakel. Zunächst ist die Techbörse Nasdaq mit dem gigantischen Bestellvolumen völlig überfordert, dann rasselte der Kurse der Aktie massiv nach unten.

Facebooks Börsengang im Jahr 2012.

Facebooks Börsengang im Jahr 2012.

Ein US-Recherchenetzwerk deckt zudem auf, dass institutionelle Investoren Kasse auf Kosten der Kleinanleger machen wollten. „Zentrale Informationen“ über die Geschäftslage, lautet später ein wesentlicher Vorwurf, seien im Vorfeld des Börsengangs verschwiegen worden.

Mittlerweile hat sich das Finanzmarkt-Bild drastisch verändert. Die Papiere kletterten von den 38 US-Dollar Ausgabepreis zuletzt auf deutlich über 400 US-Dollar. In Sachen Marktkapitalisierung, also Börsenwert, zählt Meta längst zur Riege der globalen Top zehn. 

134,9

Milliarden US-Dollar setzte Meta 2023 um. Trotz eines Verlusts von 4,65 Milliarden Dollar in der Virtual- und Augmented-Reality-Sparte (Reality Labs) konnte der Konzern seinen Gewinn deutlich auf 39,1 Milliarden Dollar steigern (ein Plus von 69 Prozent).

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Milliarden US-Dollar setzte Meta 2023 um. Trotz eines Verlusts von 4,65 Milliarden Dollar in der Virtual- und Augmented-Reality-Sparte (Reality Labs) konnte der Konzern seinen Gewinn deutlich auf 39,1 Milliarden Dollar steigern (ein Plus von 69 Prozent).

Rasantes Marktumfeld

Allen Unkenrufen zum Trotz wächst Facebook als Netzwerk weiterhin. Das hat vor allem mit Märkten wie Indien zu tun – anderswo, etwa in Europa oder Nordamerika, stagniert die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer. Fortan wird es übrigens gar nicht mehr so einfach sein, die Entwicklung zu beobachten. Wie Meta dieser Tage bekannt gab, will man künftig keine expliziten User-Zahlen mehr von Facebook veröffentlichen. Diese werden in die gesamte „App-Familie“ von Meta einfließen.  

Dazu zählen heute auch Instagram und WhatsApp. Zwei Netzwerke, die komplementär zu Facebook wirken, weil sie eine jüngere Zielgruppe ansprechen. In diesem Segment tummeln sich aber auch andere, teils rasant wachsende Netzwerke. Vor allem das chinesische TikTok legte in den vergangenen Jahren stark zu.

Das Tempo der digitalen Transformation wird dabei immer rasanter. Schaffte Facebook die Marke von einer Million Nutzern nach zehn Monaten, brauchte Instagram dafür gerade noch zweieinhalb. ChatGPT, der auf künstlicher Intelligenz aufbauende Chatbot, übersprang die magische Marke Ende 2022 gar nach fünf Tagen.

67.317

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte Meta mit Stand 31. Dezember 2023. Das ist ein deutlicher Rückgang von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr (86.482) infolge eines straffen Restrukturierungsprogrammes.

67.317

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatte Meta mit Stand 31. Dezember 2023. Das ist ein deutlicher Rückgang von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr (86.482) infolge eines straffen Restrukturierungsprogrammes.

Digitale Aufbereitung: Jonas Binder

Quellen: APA, Meta.

Video: Lukas Kohlmaier, Barbara Haas, Tina Garms.

Fotos: Imago/Lamkey Rod/CNP/ABACA; AP/Nasdaq/Facebook/Zef Nikolla; Adobe Stock (2); Screenshot/Wayback Machine/Facebook (5); KK/Facebook; Archiv/Facebook (4); Screenshot/Facebook (2); Meta.