Meine Auszeit

Blitzlichter von den Sehnsuchtsorten
unserer Redaktion

MEINE AUSZEIT. Die Redakteure der Kleinen Zeitung begleiten Sie in diesem sommerlichen Format mit ihren subjektiven Zugängen, Erlebnissen und Gedanken zum Thema "Urlaub, Auszeit, Raus aus dem uns umgebenden Trübsinn" durch die Ferienzeit.

22.

Das Parksträfchen

Von Georg Lux

Man sagt den Dummen nach, dass sie gerne Glück haben. In meinem Fall stimmt das. Ich war der glückliche Dumme, der am Sonntag vergessen hat, in Strunjan, einem Nachbardorf des slowenischen Küstenortes Piran, zum Parkscheinautomaten zu latschen. Wochenende – was wird da schon sein?!
Bei der Rückkehr zum Auto fand ich zwischen Scheibenwischer und Windschutzscheibe ein Schreiben der Stadtgemeinde Piran vor. Höflich und mehrsprachig bat sie um ein wenig Parkgebühr: fünf Euro, wenn ich innerhalb von drei Tagen überweise, sonst würde man mir 40 Euro in Rechnung stellen. Glück gehabt. Fünf Euro ärmer, aber 40 Euro klüger, darf ich Ihnen über die Angelegenheit mit dem Parken hinaus diesen Tipp mit auf den Weg in den nahen Süden geben:
Von den Salinen in Strunjan führt ein wunderschöner Wanderweg über die spektakulären Klippen am Meer ins malerische Izola. Die Aussicht ist das Gegenteil des Parksträfchens: unbezahlbar.

21.

Ewige Liebe

Von Alexander Tagger

Rom, du Ewige Stadt. Du große Liebe, zu der sich meine Liebste und ich so hingezogen fühlen. Weil man sich in dir so uneingeschränkt fallen lassen kann. Und von dir immer wieder auf noch bezauberndere Art aufgefangen wird. Mit deiner imposanten Geschichte, deiner vielfältigen Küche, deinen lebendigen Menschen, deinem verführerischen Dolce Vita. Colosseum, Forum Romanum, Pantheon: Das alles lassen wir längst links liegen. Nein, es sind deine versteckten Plätze, Sträßchen und Grünanlagen abseits der Touristenwege, die deine Schönheit immer wieder aufs Neue erblühen lassen. Und in uns stets dieses wohlige Gefühl des Angekommenseins gebärt. Gänsehaut.
Schon in ein paar Tagen werden wir uns wiedersehen. Du sollst dich diesmal von deiner fiebrigen Seite zeigen, 40 Grad und mehr werden dein sonst so hektisches Inneres lähmen. Uns stört das nicht, unsere Liebe zu dir kennt keine Grenzen. Und sie währt ewig.

20.

An die Leine gelegt

Von Karin Riess

Egal ob bei Gluthitze auf schattigen Wegen und Wiesen. In Eiseskälte und Schnee. Durch strömenden Regen und Sturmböen. Sprichwörtlich jagt man bei so einem Wetter ja keinen Hund vor die Türe – aber nirgendwo steht geschrieben, dass Hunde das nicht mit Menschen tun dürfen. Man leint den inneren Schweinehund kurz an, wenn im Tierheimzwinger der große und der kleine Schwarze auf den wöchentlichen Spaziergang mit uns warten. Diese drei Stunden sind weit mehr als die Summe der Kilometer, die sich in der Zeit gehen lässt. Streicheln (den Großen am besten immer), schnüffeln im Wald (Wow!), bürsten (ja nicht den Kleinen, grrr), Pfoten kühlen im Bach (manchmal steigt auch der am anderen Ende der Leine hinein). Alleine der Gedanke an die traurigen Hundeaugen, wenn um 14 Uhr niemand käme ... unvorstellbar. Denn neben der Traurigkeit des Ankommens lebt im Tierheim auch die Hoffnung des Aufbruchs. In ein neues Leben. In einem neuen Zuhause. Oder auf einen Spaziergang.

19.

Mein neuer Luxus

Von Daniela Bachal

In meiner Teenagerzeit waren die Reichen für mich die mit dem ganzen Telefonanschluss. Wir hatten nämlich nur ein Viertel davon. Soll heißen: Entweder war besetzt, oder ich riskierte mit meinen Telefonaten, dass ein anderer aus unserer Vierteltelefon-Gruppe grad nicht die Rettung rufen konnte, obwohl da ein Notfall war. – Mit diesem Argument wurde mir in den 80ern jedenfalls bei Dauertelefonaten mit der besten Freundin immer ein schlechtes Gewissen gemacht. Nun, diese Sorge bin ich los: Heute blockieren meine Telefonate sicher keinen Notruf mehr. Ich habe eher das Gefühl, dass ich einen auslöse, sobald ich weder auf Anrufe noch auf digitale Zurufe reagiere. Wer nicht erreichbar ist, ist ja gewissermaßen fast schon tot. Und „Ich konnte dich nicht anrufen, mein Anschluss war besetzt“, glaubt mir keiner mehr. Heute sind die Reichen für mich die, die noch so leben, als hätten sie einen Viertelanschluss. Und grad hab’ ich beschlossen: Im Urlaub gönn’ ich mir den Luxus auch.

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Sonntagstipp:
Ein kleines Stück Ruhe an der Grenze

Von Sarah Maria Kirchmayer

Die Steiermark ist mittlerweile ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen aus dem In- und Ausland: Mit ihren vielen Wäldern, Wander- und Genusswegen, Thermen und ihrer oft herausragenden Gastronomie wirbt sie regelrecht darum, besucht und bestaunt zu werden. Viele beliebte Ziele schießen einem sofort in den Kopf: die Hauptstadt Graz, die Schilcherweinstraße in Deutschlandsberg oder der Dachstein etwa.

Sanfte Hügel, dahinter liegt Slowenien. Foto: EXPA/Erwin Scheriau

Sanfte Hügel, dahinter liegt Slowenien. Foto: EXPA/Erwin Scheriau

Doch ein echter Sehnsuchtsort zeichnet sich nicht dadurch aus, wie viele Menschen dorthin reisen, sondern viel mehr durch das Gefühl, das der Ort vermittelt. Auf diese Weise punktet die 152 Quadratkilometer große Marktgemeinde Eibiswald im Bezirk Deutschlandsberg. Hier vereint sich atemberaubend schöne Natur mit dem gelassenen Gemüt der dort lebenden Menschen zu einem Zufluchtsort für Gestresste. Ob man die Wälder entlang spaziert oder sich in einem Buschenschank mit einem Glas Schilcherwein der schönen Aussicht hingibt: Man wird hier nicht auf viele Menschen stoßen.
Auch für jene, die im Sport ihre Ruhe finden, hat Eibiswald einiges zu bieten. Es gibt unzählige Wanderwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und auch Mountainbike-Routen. Vor allem findet man in der weststeirischen Ruhe von Eibiswald aber eines: sich selbst.

18.

Hauptsache weiteratmen

Von Jakob Illek

Beim ersten Mal kann einem schon die Luft wegbleiben. Der Nervenkitzel ist unbeschreiblich. Angst macht sich breit. So vieles könnte schiefgehen. Und dann wäre es vorbei. Wenn es so weit ist, mit dem allerersten Tauchgang, geht alles plötzlich ganz schnell: Gewichte anlegen, Weste überstülpen, Taucherbrille auf und rein mit dem Mundstück. Hauptsache, nicht aufs Atmen vergessen. Ab ins kühle Nass, Daumen und Zeigefinger zusammen: „Alles Okay“, und ab geht’s!
Das Blei zieht mich nach unten, 15 Meter unter die Meeresoberfläche. Dabei auf keinen Fall auf das Atmen vergessen. Und plötzlich schwebe ich durch eine völlig fremde Welt. Bunte Farben, Formen, die ich noch nie gesehen habe, und so viel ist zu entdecken. Einatmen und ausatmen. Schnell verfalle ich in einen meditativen Zustand. Und schnell wird aus der Angst vor den schier unendlichen Weiten der Meere und Ozeane eine Sucht! Denn dort unten gibt es keine Sorgen. Solange man nicht aufs Atmen vergisst.

17.

Herrliches Knattern

Von Martina Pachernegg

Es ist früh am Morgen, die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Die brütende Hitze lässt noch ein wenig auf sich warten, was meine Begeisterung nur noch mehr anfacht. Mit dem Mopedhelm unter dem Arm startet der Tag gut. Sehr gut, um genau zu sein. Da steht sie, die knallrote Schönheit. Verborgen unter einer grauen Plane und mit einer Schicht Staub bedeckt. Mit einem Ruck ist die Plane von der alten Vespa heruntergezupft, der Schlüssel gesteckt und der Motor gezündet. Dann geht es los. Hinaus in die Freiheit. Für einen kurzen Moment entfliehe ich der Wirklichkeit, lasse mich treiben. Ein konkretes Ziel gibt es nicht. Eine sanfte Kurve folgt der nächsten und ich genieße jedes Schlagloch, jede Kurve. Selten sind sie geworden, diese Ausfahrten. Der Trubel des Alltags lässt frühmorgendliche Ausfahrten leider nur selten zu. Aber wenn, dann sind diese Momente eines: herrlich. Herrlich, wie der Fahrtwind in die Ärmel der Jacke fährt und diese aufbläst. Herrlich, wie der Motor sanft knattert.

16.

Neiche Sandale

Von Michael Egger

Ich wollte es nie wieder tun, doch nun steh’ ich wieder da, in da Hitz’. An der Strada del Sole. In Jesolo. Der kultige Badeort und ich haben uns eigentlich zerstritten, vor ziemlich genau sieben Jahren. Damals stand ich da – ohne Lire und ohne Papiere. Ohne Euro und ohne iPhone. Das Geld hom’s ma g’stessn. Reinhard Fendrichs Text des ewigen österreichischen Sommerhits hat sich bewahrheitet. Die Liebesbeziehung Jesolo-Michael fand ein abruptes Ende. Doch wir haben uns wieder zusammengerauft. Zu sehr habe ich es vermisst, wie Menschen verschiedener Nationen und gesellschaftlicher Schichten miteinander Aperol schlürfen, zu Gigi D’Agostino tanzen, über Fußball diskutieren und dabei ihre Sorgen vergessen. Reinhard Fendrich war nah dran, mir das Wiener Gänsehäufl als Adria-Alternative schmackhaft zu machen. Er hat es nicht geschafft. Was er geschafft hat: Vor meinem Italien-Trip muss ich aber noch einen Shopping-Tag einplanen. Neiche Sandale müssen her.

15.

Sechs Stockwerke
hinauf

Von Nina Müller

Ich muss mich hier und jetzt outen: Ich genieße einen gewissen Luxus in meiner Siedlung. Sechs Stockwerke mit dem Lift nach oben aufs Dach – und schon glitzert das Wasser vor mir. Der Gemeinschaftspool am Dach ist mein liebster Sommer-Auszeit-Ort, und auch ein bisschen der Grund, warum ich meist in den kühleren Jahreszeiten verreise. Ein paar Längen Abkühlung gehen sich dank der sehr kurzen Anreise fast immer aus, gern können es aber auch recht viele sein. Wenn ich wissen will, wie spät es ist, kann ich auf gleich zwei Kirchturmuhren blicken. Wie im öffentlichen Freibad sind morgens tratschende Pensionistinnen dran, dann Familien, abends Studenten, zum Schluss der Poolroboter. Im Mai und Juni sieht man oft junge Schwalben, die sich einen Schluck Wasser gönnen – im Flug. Und nicht selten passiert es, dass ein Nachbar neben mir steht, auf die Dächer hinunterschaut und sagt: „Wir haben es hier so schön, wir brauchen gar nicht wegfahren.“ Ich sage dann immer: „Ja, eh.“

14.

Nur schauen

Von Nina Koren

Dass ich das Meer liebe, stimmt nicht mehr ganz. Früher war es so. Seit ich segle, ist die einstige Romantik unserer Beziehung zwar nicht auf dem Meeresboden der Realität angekommen, Gott sei Dank, aber Respekt trifft es eher. Zu oft hat das große Wasser, im Tandem mit Wind und Wolken, mächtig demonstriert, wer im Zweifelsfall das Sagen hat. Ganz klein wird das Menschlein dann im Vergleich. Meine Ehrbekundungen scheinen jedenfalls wohlwollend aufgenommen worden zu sein. Heuer waren alle friedlich miteinander. Tatsächlich Auszeit also. Wind in den Haaren, Gischt auf der Haut, Salz in der Nase, Blick zum Horizont. Mir genügt dann einfach nur das; stundenlang. Brauche kein Buch, keinen Cocktail, keine Musik, sicher kein Handy. Schiff, Meer und das Rauschen der Wellen – das reicht. Diesmal gab’s in dem Moment, wo scheinbar die Zeit stehen bleibt, noch ein Geschenk. Eine Meeresschildkröte reckte neben dem Bug ihren Kopf aus dem Wasser. Die hat auch einfach nur geschaut.

13.

Erschöpfung

Von Michael Kloiber

Sie kennen das ja – in der Früh würde man das Weckerklingeln oft gerne noch ein paar Mal mit der Schlummertaste verschieben. Da geht es mir nicht anders. Doch daraus wird nichts – denn am Morgen steht in aller Regel der Besuch im Fitnessstudio an, gemeinsam mit Freunden. Es ist die tägliche Portion Auszeit – manchmal mit der einen oder anderen Plauderei, manchmal ruhiger, meistens motiviert und selten ein wenig träge. Aber letztlich immer schweißtreibend und mit dem anschließend seltsamen Gefühlsmix aus Genugtuung und angenehmer Erschöpfung. Sport als Ventil für den oft stressigen Alltag wurde für mich über die Monate und Jahre zu einem wichtigen Bestandteil: Die Bewegung schafft klare Gedanken, lenkt ab und schärft Sinne, erweitert aber auch den Horizont. All das tut gut. Sehr gut. Gekrönt mit einem Cappuccino danach, in guter Gesellschaft, ehe dann der Arbeitstag beginnt. Es ist eine tägliche Pause vom Trott – und das ohne Urlaubstage verbrauchen zu müssen.

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Sonntagstipp:
Dort, wo die Beine
matschig sind

Von Alfred Lobnik

Der Dachstein ist unbestritten höher und prominenter. Hoch vom ... und so weiter. Der Großglockner sowieso, und der Montblanc erst. Eigentlich, wenn man so nachdenkt, gilt das für fast jeden Berg, der einem so spontan einfällt. Aber es sind nicht immer Exotik oder Rekorde irgendwelcher Art, die einen Ort zum Sehnsuchtsort machen. Der Schöckl steht halt vor der Haustür, er ist der sprichwörtliche Hausberg und durch seine bloße Anwesenheit eine ständige Provokation.

Der Weg ist nicht das Ziel, aber bis oben steil. Foto: Jürgen Fuchs

Der Weg ist nicht das Ziel, aber bis oben steil. Foto: Jürgen Fuchs

Sein Gipfel ist von weither sichtbar, viele Wege führen dort hinauf auf 1445 Meter Seehöhe. Geschichten kursieren von Leuten, die ein Jahr lang jeden Tag hinaufgegangen sind oder den Gipfel dreimal an einem Tag erwandert haben. Aber es geht nicht ums Wandern, sondern ums Laufen: Einmal im Jahr auf den Schöckl laufen. Das ist die Challenge, die Kollege P. gnadenlos ins Rennen geworfen hat. Der hat leicht reden, 15 Jahre jünger und mit doppelt so langen Beinen. Mindestens. Man sagt: Der Weg ist das Ziel. Aber nein: Der Weg heißt Langer Weg, denn er ist laaang – und durchgehend steil. Und wenn er gesperrt ist, dann ist der Umweg endlos, führt bergauf, bergab, ins Nirgendwo und von dort weiter hinauf. Das Ziel ist dort oben, wo die Paragleiter abheben, die Kühe grasen, der Sender sendet und wo die Beine matschig sind und der Kaiserschmarren dem Himmel nah. Und dann geht’s wieder abwärts bis nächstes Jahr.

12.

Herz-Burg

Von Ulrich Dunst

Ist der Zustand der Welt und ihrer Umgebung wieder einmal ein einziger Zustand, bleibt immer noch Zuflucht an den stillsten Ort. Tür zu, absperren, Brille zurechtrücken, hinsetzen. Auch wenn es die Mehrheit der Menschheit niemals ansprechen mag und über die sich ebendort vollziehenden kleineren und größeren Geschäfte einen Mantel des Schweigens hüllt, so weiß wohl ein jeder, eine jede die bloße Existenz dieser sanitären Errungenschaft zu schätzen. Einst Hort für Zeitungslektüre aller Art, hat sich mit der digitalen Kolonisierung unseres Hosentascheninhalts bisweilen auch die Verweildauer der Männerwelt am privatesten aller Rückzugsorte verändert. Ob geheimer Fußballmatch-Nachbericht, wenn im Wohnzimmer doch die neue Netflix-Serie laufen muss, oder Mähdrescher-Videos, wenn einem die vielen schrecklichen Zeit-im-Bilder zu viel werden: An diesem einen Ort wird man als Häusl-Schauer schnell zum Häusl-Bauer. Und die Welt muss für ein paar Minuten draußen bleiben.

11.

Abtauchen

Von Sandra Mathelitsch

Haben Sie auch schon gemeinsame Zeit mit Maria Stuart verbracht? Ich hatte das Vergnügen erst vor wenigen Tagen. Die Begegnung dauerte jedoch leider nur kurz – nach 470 Seiten beendete Autor Stefan Zweig unsere Treffen. Mit Kaiserin Elisabeth hatte sich der nächste Gast aber nahtlos angekündigt. So tauche ich einfach ab, entdecke andere Jahrhunderte, Welten und Orte und erlebe Abenteuer und Geschichten – ohne mich dafür bewegen zu müssen. Was ich dafür benötige? Einen Liegestuhl, sommerliches Wetter und Lesestoff. So jagte ich in den vergangenen Wochen etwa mit Sisi Mörder (Thomas Brezina), flüchtete vor einer Sekte auf einer schwedischen Insel (Mariette Lindstein) und lernte die verletzliche Seite eines Auftragsmörders kennen (Stephen King). Und ab und zu tauche ich über dem Bücherrand auf – bevorzugt mit Blick zu den blühenden Rosensträuchern im Garten oder auch gerne aufs Meer – , um dann doch wieder stundenlang vollends in die Geschichten zu versinken.

10.

Arkadengang
zum Glück

Von Teresa Guggenberger

Endlich Urlaub! Hart warten die meisten darauf, bis einem diese Worte im Sommer über die Lippen kommen. Nach Monaten voller Arbeit, Studium und sonstiger Verpflichtungen freut man sich – verständlicherweise – auf ein paar Tage, an denen nichts muss, aber alles kann. Doch die eigentliche Kunst ist es, sich auch unter dem Jahr Ruheoasen zu schaffen. Meinen Ort dafür habe ich bereits gefunden: den Balkon. Er ist nicht groß und er gehört mir auch nicht allein. Dafür ist er umso schöner. Im Arkadengang sitzend, blickt man auf die Bäume im Innenhof und beobachtet Hunde, die unten herumtollen. Und einsam ist man nie: Mit Spritzer in der Hand und einem zuckersüßen Lächeln, das ernst gemeinte Freude über meine Ankunft ausdrückt, wird man nach dem Arbeitstag von der Nachbarin begrüßt. Gemeinsam lässt man sich in die gemütlichen Sessel fallen, spricht über alles, was einem gerade einfällt und genießt zwei Stunden Auszeit vom Alltag – vor, während und nach dem Urlaub.

9.

Note?
Bauchfleck!

Von Carmen Oster

Auszeit? Am oder im Wasser. Anfangs mit Schwimmflügerln in Quietsch-Orange (Geräuschkulisse sowie Farbe). Halb aufgeblasen über die babyspeckigen Ärmel geschoben. Platsch! Sie wurden bald vom hübschen Schwimmtier ersetzt. Der Tiger erwies sich im Wasser aber als Landratte. Schnell war aus der Euphorie die Luft draußen. Pfff. Es folgte ein Arsenal an Luftmatratzen, von denen man mit leichtem Schwindel (Aufblasen) die Welt aus Wasserbettperspektive betrachtete – so man es frisch eingeschmiert überhaupt hoch schaffte. Ohhm. Das Kapitel mit dem Surfbrett vergessen wir lieber ... Psst. Optischer Höhepunkt war dann der Schwimmgürtel beim Aqua-Jogging-Kurs. Da motiviert alleine der Anblick – zum Davonlaufen. Haltungsnote? Bauchfleck. Jessas. Heute ist die Boje, die man zwecks Nicht-Übersehenwerdens im See hinter sich herzieht, wieder Quietsch-Gelb, weil weit und breit kein Baywatch-Mitch in Sicht. Von wegen: I’ll be ready!

8.

Eine harte
Nuss

Von Bernd Melichar

Der Nussbaum, vor vielen Jahren einem winzigen Setzling der Schwiegermutter entsprungen, breitet barmherzig seine weiten Arme aus und spendet einen prächtigen Naturschatten, gegen den kein Sonnenschirm der Welt ein Leiberl hat. Unter dem Baum eine Ruheoase, die alle Hotel-Sterne dieser Welt verblassen lässt. In der Oase liegen Bücher und Kopfhörer bereit. Beides wird zur Seite geschoben, um sich mit allen Sinnen der schwierigsten Beschäftigung zuzuwenden, die lebenslanger harter Übung bedarf. Ich stehe noch ganz am Anfang, bin blutiger Anfänger, ungeschickter und ungeduldiger Frischling; immer wieder gibt es herbe Rückschläge. Dann heißt es wieder, ganz von vorne beginnen. Aber ich mache kleine Fortschritte, man mag sie kaum merken, aber sie sind da. Letztens habe ich bereits zehn Minuten durchgehalten und war mächtig stolz auf diese Glanzleistung. Ich darf nicht übermütig werden, aber die 15 Minuten sind jetzt in greifbarer Nähe. Wie diese Beschäftigung heißt? Nichtstun.

7.

Insel
der Seligen

Von Simone Rendl

Inmitten der Einsamkeit beginnt die große Freiheit, mit zwei Rädern unter den Füßen und der gleißenden Sonne über dem Haupt – Ziel unbekannt. Zwischen staubigen Hügeln und seichtem Salinen-Wasser hallt die Lebensfreude aus dem kleinen Lautsprecher, der im Korb des Drahtesels drei Meter weiter vorn mit den Unebenheiten des Weges unisono vibriert. Ein zehnköpfiger Chor, der mit Begeisterung singt, Töne treffen ist an diesem Ort nicht wirklich der Sinn. Eine Insel der Seligen, so fühlt es sich an, fernab oft erdrückender Alltagsrealität. Einmal kein strikter Zeitplan, der einen treibt, wenn die Wege sich gabeln, entscheidet einfach der Moment. Der Boden unter dem Gummi knirscht, der Weg wird zu Sand, ein Gefühl, das an sorglose Kindertage erinnert. Dort, wo der Horizont auf sonores Meeresrauschen trifft und die Luft salzig schmeckt, kann die Seele baumeln. Der Geist driftet ab, die Augen fallen zu, das Buch rutscht nach zwei Seiten in die Tasche zurück.

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Sonntagstipp:
Heidi lebt

Von Ulrich Dunst

Irgendwo, mitten im hintersten Winkel der steirischen Geografie, wo es das Ennstal, das Murtal und das Salzburgerland in steiler Manier auf die felsige Spitze treiben, reißen sie irgendwo ab. Die Sommerfrischlerströme. Wer sich hierher verirrt, hat sich nicht verirrt. Sondern sucht ausdrücklich das Eindrückliche unverfälschter Abgeschiedenheit. Und nicht umsonst heißt die letzte Bergspitze hinter dem Seitentalschluss „Schöneck“. Willkommen in der wunder- und wanderbaren Kleinsölk.

Wer sich zur Putzentalalm verirrt, hat sich nicht verirrt. Foto: Herbert Raffalt

Wer sich zur Putzentalalm verirrt, hat sich nicht verirrt. Foto: Herbert Raffalt

Hier gibt’s Heidi noch live. Vor den uralten Holzblockhütten der Putzentalalm, die sich neben noch urälteren Steinmauern gegen die Unbill diverser Wetterkapriolen in die alpine Landschaft ducken, heißen die Geißen mit den Halsglocken zusammen mit allerlei Federvieh und wiederkäuenden Eutergenossinnen die Gäste willkommen. Und fallen für die felligen Mitbewohner (Hasen, Katzen etc...) ein paar Bröckerln vom über dem Feuer gekochten Schmarren unter den Tisch, ist das für sie die Kaiserschmarren-Krönung. Hin und zurück geht es vorbei am Schwarzensee, der in einem früheren Leben einmal ein Spiegel gewesen sein muss. Wo endet die Erde, wo beginnt der Himmel? Das kann so wasseroberflächlich niemand sagen. Nur, dass weit und breit kein Fräulein Rottenmeier in Sicht ist.

6.

Metallene
Hüllen

Von Andreas Lieb

Berg oder Meer? Ist eigentlich egal, zu Fuß kommt man jedenfalls nicht hin, auch nicht mit dem Rad, das steht fest. Zug, Bus, Flugzeug, Auto – Reisen heißt Platz nehmen in Transportmitteln aller Art, sich umhüllen mit Metall und Plastik und ein paar künstlich-gläsernen Flächen zum Hinausschauen auf die anderen, die in ähnlichen Vehikeln bewegt werden und auch unterwegs sind. Zum Berg, zum Meer, zum Supermarkt oder ins Freibad. Unterwegs sein: bedächtig, mit Verspätung und verpassten Anschlüssen, dennoch in sich ruhend, mit Zeit zum Lesen und Dösen. Oder rasend schnell, Boeing und Airbus, die glänzenden Röhren in der Luft, Luft-Röhren also, die Mobiltelefone abgeschaltet und unerreichbar für den Rest der Welt. Herrlich! Vielleicht auch deutsche Autobahn, betörender Temporausch, wo es noch geht. Auszeit, die aus der Zeit gefallen ist, der ökologische Fußabdruck als CO2-Fußtritt. Reisen und Umweltziele, ein Widerspruch. Aber manchmal ist halt bloß der Weg das Ziel.

5.

Einstand an
der Ache

Von Ute Baumhackl

Der Pfad beginnt hinter einem Firmengelände. Genau beim großen Radfahrverbotsschild biegt man mit dem Mountainbike ein. Machen hier alle so, sagt der Begleiter, dann geht es sacht bergauf, vorbei an auf Glockenblumen schaukelnden Kaisermänteln, Admiralen und Zitronenfaltern. Inzwischen wollte man schon vier, fünfmal nicht mehr weiter, weil: Gibt’s ja wohl nicht, dass es weiter oben noch schöner wird. Doch, doch, gibt’s, und nach einer knappen Stunde die Ache hinauf ist der Platz tatsächlich perfekt: weicher Schotter unter raschelnden Laubbäumen, und das Wasser, das vorbeirauscht, hat ein Türkis, für das sich karibische Touristiker alle 50 Finger abschlecken würden, wenn sie so viele hätten, und eine Temperatur, die jeden Eisbären fröhlich stimmt. Hier bleibt man, lässt sich durchs Flache treiben und wärmt sich auf sonnengekochten Felsen wieder auf. Abends hat dann die Welt sechs Rossbremsen weniger, die Haut sechs prächtige rote Pustel mehr. Und der Tag war jede einzelne wert.

4.

Der
Feldherrinnenhügel

Von Susanne Rakowitz

Auf diesem Hügel eine Villa bauen? Völlig verrückt! Aber Frau Dolly hat sich schon damals in den 1960ern nicht beirren lassen. Portugal, Algarve, ein atemberaubender Blick über eine idyllische Bucht. Bis heute hat sie sämtlichen Immobilienhaien die Stirn geboten. Große Fische? Kann sie auch und baute sich einen Pool in Form eines Fisches. Heute ist sie fast 90, ihr Gärtner wohl schon weit darüber, aber ihr Lebenstraum hält sie fit. Die Handvoll Gäste, die in ihrer Trutzburg Platz haben, gehen es gern langsam an: Aufstehen, lange frühstücken, die Bücher für den Tag stapeln, dann und wann das Treiben in der Bucht überblicken. Einmal pro Tag das Handtuch wie einen Feldherrinnenmantel schultern und den Strand inspizieren. Nach einer Portion Entenmuscheln erklimmt man wieder die Casa Dolly, wo die Möwen beständig über dem Pool kreisen. Fast klingt es, als würden sie lachen. Kein Wunder, denn aus der Vogelperspektive schaut der kleine Fischpool aus, als wäre er ein Piranha.

3.

Zeit aus,
Abenteuer an

Von Andreas Edler-Retter

Gestern Quetta, übermorgen Peshawar. Dazwischen jene Orte, von denen man sich statt Namen nur einzelne Eindrücke merkt. Alte Männer mit rot gefärbten Bärten spazieren auf staubigen Straßen. Statt Stöcken tragen sie oft an bunten Trageriemen baumelnde Kalaschnikow-Gewehre. Grimmig ihre Blicke, doch gastfreundlich ihr Tun. Kinder eilen herbei und starren auf den weißen VW-Bus mit dem ausländischen Kennzeichen. Er könnte ebenso gut ein Raumschiff sein, so fremd wirkt er in dieser Welt. Wenig später wird süßer Tee in kleinen, fünf Zentimeter hohen Gläsern gereicht. Das Gespräch beschränkt sich auf einfaches Deuten, auf Gesten und Lächeln. Jeder Tag ist so aufregend, dass das Einschlafen schwerfällt. Sehnsüchtig erwartet das Kind im Reisenden den nächsten Tag, das nächste Abenteuer, die nächsten Kilometer auf schlaglochübersäten Schotterpisten, die in Pakistan entlang der afghanischen Grenze nach Norden führen. Das tägliche Abenteuer ist die beste Auszeit.

2.

Wenn Türkis
auf Blau trifft

Von Thomas Cik

Man wir den Seltenen zugezählt, wenn man Türkis-Blau das Loblied singt. Bis das Gegenüber merkt, welches Türkis-Blau man meint. Dann wird man den Verrückten zugezählt. Weil man sich nicht auf das Treiben, das unbestritten genussvoll ist, einlässt. Man gehört zu denen, die mit dem Kopf tiefer gehen, ihn nur ab und zu zur Seite neigen, um in der Kuhle, die sich an der türkis-blauen Grenze bildet, nach Luft zu saugen. Dann ist es wieder türkis. Eine Pflanze in undefinierbarer Entfernung lässt sich wiegen, ein Fisch besinnt sich seiner Scheu und durchkreuzt das Blickfeld. Dann japst man wieder in der Kuhle an der türkis-blauen Grenze nach Luft, pustet aus, spürt die Luftbläschen an Wangen und Kinn an die Oberfläche perlen. Irgendwann wird das Türkis wieder heller, die Entfernungen fassbarer. Ein letztes Eintauchen, ausschnaufen, abperlen.
Kein Gedanke ist geschlichtet, kein neuer gefasst. Nur dieser eine: Dass es gut ist, wenn Türkis auf Blau trifft.

1.

Der Sonne
entgegen

Von Ernst Sittinger

Lange schlafen ist schön. Noch schöner ist das sehr frühe Aufstehen, wenn es den kühlen, schattigen Sommermorgen einer langen Bergwanderung erschließt. „Im Frühtau zu Berge“ schwindet an den steilen Hängen zögernd die Nacht, sie krallt sich vergeblich fest im Geäst der dichten Wälder und an den zerknittert verwitterten Felswänden tiefer Schluchten. Unaufhaltsam siegt das Licht über die halb erstarrte Finsternis. Schon sind die ersten Gipfel in gleißendes Gold getaucht, die Sonne tastet sich spielerisch vor in tiefere Lagen. Klar knirscht der Schritt, die Vögel singen hell, die Bäche rauschen. Es naht der Moment, erstmals die noch milde Wärme im Gesicht zu spüren. Man ist allein. Später begegnet man im Abstieg den schwitzenden Wanderpartien, die sich zu spät aufgemacht haben und nun ihren Tribut zollen. Gewiss, der Frühsprung durch die Dämmerung auf den Gipfel ist unlauterer Wettbewerb. Aber schöner können Bergerlebnisse nicht sein.