50 JAHRE KÄRNTNER ORTSTAFELSTURM
"Reißt's nur
fest obe!"
THEMA. Im Herbst 1972 wurden in Kärnten in Erfüllung des Staatsvertrags zweisprachige Ortstafeln aufgestellt. Ein zerstörerischer Furor brach los. Der "Ortstafelsturm" führte Kärnten an den Rand eines Bürgerkriegs. 50 Jahre später prägt gelebte Gemeinsamkeit das zweisprachige Gebiet. Ein Blick zurück und eine Spurensuche bei den Slowenen Unterkärntens.
Die Bestimmungen dazu stehen im Artikel 7: Der Staatsvertrag von 1955 wurden den kroatischen und slowenischen Volksgruppen in Österreich Schulen, Amtssprache und topografische Aufschriften zugesichert.
Nach mehreren Anläufen davor waren dann Anfang der 1970er-Jahre Kanzler Bruno Kreisky und Kärntens Landeshauptmann Hans Sima bemüht, mit ihren absoluten SPÖ-Mehrheiten in Bund und Land die Ortstafelfrage zu lösen. Im Juli 1972 wurde im Nationalrat das Ortstafelgesetz von der SPÖ gegen ÖVP und FPÖ beschlossen. Ab September wurden ohne Vorankündigung zweisprachige Tafeln aufgestellt. Schmieraktionen und der Ortstafelsturm waren die Folge.
Erst 2011 wurde von den Chefverhandlern Staatssekretär Josef Ostermayer und Landeshauptmann Gerhard Dörfler die Ortstafel-Konsenslösung für 164 Orte in 24 Gemeinden erreicht. Durch die Öffnungsklausel sind mittlerweile 182 Orte zweisprachig betafelt.
Der in Kärnten aufgewachsene Eugen Freund, Ex-Journalist für "Profil", "Kärntner Tageszeitung" sowie ORF und EU-Parlamentarier für die SPÖ von 2014 bis 2019, erinnert sich auf den folgenden Zeilen für die Kleine Zeitung zurück an den Furor, der damals Kärnten erschütterte.
"50 Autos wer'ma wohl z'sammbringen"
Von Eugen Freund
Sie hörten ein Gespräch mit einem heimattreuen Kärntner, der auch weiter für die Freiheit seines schönen Heimatlandes eintreten will." So tönte es aus dem Megafon des Elektromeisters Horst B. Dann hob er das Mikrofon hoch, um das Kärntner Heimatlied einzufangen, das von einer 150-köpfigen Menge aus zum Teil schon feuchten Kehlen schallte. Ort: eine Kreuzung in Obersammelsdorf, Zeit: 3. Oktober 1972, 20.50 Uhr.
Mit diesen Worten beginnt eine meiner vielen Aufzeichnungen jener Tage im Herbst vor genau 50 Jahren. Nicht heiße Würstel oder Freibier, kein Verkehrsunfall hatte so viele Leute an einen Ort gelockt, an dem man sonst höchstens Frösche vom nahen Turnersee quaken hören kann. Nein, Wegweiser waren es.
Für die Leute aber, die sich hier trafen – weniger spontan als man es annehmen konnte ("Abfahrt um 19 Uhr vom Gasthof Rabl in St. Kanzian – so 30 bis 50 Autos wer’ma wohl z’sammbringen"), – hatten die Tafeln einen Makel: Sie waren zweisprachig – deutsch und slowenisch. Und das sollte für sie nicht so sein.
17 Jahre hatte es gedauert, bis sich eine Bundesregierung veranlasst sah, einen offenen Teil des Staatsvertrags zu erfüllen. Am 6. Juli 1972 stand der "Artikel 7" auf der Tagesordnung des Nationalrats, der die Aufstellung zweisprachiger topografischer Aufschriften in Kärnten regelt und damit den Kärntner Slowenen, seit Jahrzehnten dezimiert und immer mehr an den Rand gedrängt mehr Sichtbarkeit geben sollte. Bei mir findet sich der Satz: Sicher nicht unbeeinflusst durch sogenannte Schmieraktionen der jungen slowenischen Intelligenz, die einigen einsprachigen Ortstafeln mit Pinsel und Farbe slowenische Namen hinzufügten.
Ich hatte in Wien das dritte Semester des Medizinstudiums begonnen, war aber nach Kärnten gefahren, um meinen kranken Vater zu besuchen. Das tat ich auch, doch in den Abend- und Nachtstunden war ich in meinem Renault 5 durch Unterkärnten unterwegs, weil ich rasch Wind von Aktionen gegen die zweisprachigen Aufschriften bekommen hatte.
Donnerstag 28. September, 22.30 Uhr, St. Veit im Jauntal. Je zwei zivile Beamte am Ortsanfang und Ortsende. Frage von mir: „Was machen Sie da?“ „Wir beachten die Tafeln!“ „Privat?“ „Nein, wir sind von der Gendarmerie, warum fragen Sie?“ „Ich bin von der Presse.“ „Haben Sie einen Ausweis?“ „Nein, ich frage sie ja auch nicht nach dem Ausweis. Gibt’s irgendwas Besonderes?“ „No ja, früher waren zehn Leute da und wollten die Tafeln wegnehmen. Aber wir haben das verhindert.“
3. Oktober 1972. Um 20 Uhr bin ich bei der Kreuzung Obersammelsdorf ((Z)amanje)-Turnersee-Klopeinersee. Nach und nach kommen Autos, werden abgestellt. Zwei Personen in Zivil, offensichtlich Gendarmen, stehen bei den Schildern. „Was wollen’S da?“ , fragt einer. „Wir holen die Tafeln!“. Aus den Autos steigen 150, 200 Leute. Kurz wird darüber gestritten, ob man die Wegweiser samt Ständern entfernen und was mit der einen einsprachigen Tafel geschehen soll.
Man einigt sich darauf, die zweisprachigen abzumontieren und die deutschsprachige stehen zu lassen. „A hot wer an Zehner-Schlissel do?“ fragt einer. Noch in der Nacht rufe ich einen Redakteur der „Kärntner Tageszeitung“ an und berichte, was ich erlebt hatte. Den Abschluss des nächtlichen Spuks bildet wieder das Absingen des Kärntner Heimatliedes. Dies gelingt nicht zuletzt deshalb besonders gut, weil bei der Aktion der fast vollständig erschienene Männergesangsverein von St. Kanzian anwesend ist.
Donnerstag 5. Oktober, ca. 20.30 Uhr. Ich bin neuerlich bei der Kreuzung Obersammelsdorf-Turnersee-Klopeinersee. Von den wieder angebrachten zweisprachigen Tafeln sind nur noch zwei da. Dafür ca. zehn Gendarmen. Diesmal werde ich wüst beschimpft: „Du bist ein Verräter. Wenn wieder der Hitler kommt, bist du der erste, den wir an einem Baum aufknüpfen.“ Ich versuche mich zu rechtfertigen: „Wenn man bei so einer Aktion mitmacht, muss man damit rechnen, dass das in der Zeitung steht.“ Ein Demonstrant will sich tätlich an mir abreagieren. Er wird von der Gendarmerie daran gehindert. Nach einer Dreiviertelstunde fahre ich. Im verdunkelten Haus hole ich mir die nötigsten Utensilien, schlafe auswärts. Vorher informiere ich den Posten Eberndorf und bitte ihn, auf seinen Streifen bei unserem Haus vorbei zu fahren.
Mittwoch 25. Oktober. Ich beobachte, wie rund 150 Personen versuchen, die zum dritten Mal aufgestellten zweisprachigen Schilder an der Kreuzung Obersammelsdorf-Turnersee-Klopeinersee zu entfernen. Die Gendarmen machen sie auf die Ungesetzlichkeit aufmerksam. Dies hinterlässt bei den zahlenmäßig Überlegenen kaum Eindruck. Als die Beamten einem der Haupttäter Handschellen anlegen wollen, stürzen sich ca. 30 Personen auf sie und entreißen ihnen ihren Komplizen.
Wer waren diese Leute, die sich nicht scheuten, unter den Augen der Gendarmerie und den Blitzlichtern der Pressefotografen gegen bestehende Gesetze aufzubegehren? Unabhängig davon, dass ich die meisten persönlich kannte (mein Vater war Gemeindearzt und ich war fast immer auf den Visiten mit dabei) machte ich mir damals auch schriftlich Gedanken darüber: "Heimattreue Kärntner" nennen sie sich selbst, "Faschisten", "Chauvinisten", "Neonazi" bezeichnen sie ihre Gegner. Sie "kämpfen für die Freiheit", für das "Deutschtum" in Kärnten. Bauern, Hoteliers und andere im Saisongeschäft tätige Personen waren beteiligt, ein Taxi-Unternehmer, ein Elektriker, ein Dachdecker, ein Tischler und ein Tapezierer, die engere oder weitere Beziehungen zur ÖVP oder zur FPÖ haben. Der SPÖ-Bürgermeister von St. Kanzian, Vitus Jesse, hat die Menge beim Abmontieren der zweisprachigen Tafeln zusätzlich angespornt: „Reißt’s nur fest obe!“
Breit gefächert waren auch die Motive der Demonstranten. Laut meinen Aufzeichnungen hatten die Akteure unterschiedliche Gründe, sich an den zweisprachigen Tafeln zu stoßen:
- Sie wären der erste Schritt zur Jugoslawisierung Südkärntens.
- Persönliche Erlebnisse: „Ich möchte nicht, dass ich, wie es meine Mutter mit mir getan hat, meine Kinder auch wieder vor den Partisanen retten muss!“ (ein Funktionär der ÖVP)
- Zweifel an der zahlenmäßigen Stärke der slowenischen Bevölkerung.
- Hinweise auf den Fremdenverkehr: „Was werden die Deutschen sagen, wenn da alles auf Slowenisch steht. ‚Ja, sind wir denn in Jugoslawien?‘
Samstag, der 28. Oktober 1972. Ich bin in Klagenfurt. Bundeskanzler Bruno Kreisky spricht vor 1200 SPÖ-Funktionären in der Arbeiterkammer. Der Druck in der sozialistischen Partei war so groß geworden, dass nur ein Machtwort des Vorsitzenden verhindern konnte, dass der Kessel explodiert. Am Ende der Veranstaltung rät die Staatspolizei Kreisky, das Haus durch den Hinterausgang zu verlassen. "Hintertürl? Ein Bundeskanzler verlässt einen Veranstaltungsort nicht durchs Hintertürl!"
Es sollte noch einmal 39 Jahre dauern, bis ein "Hintertürl" zur Lösung des Ortstafel-Konflikts gefunden wurde.
Über den jahrelangen Streit und die späte Lösung sprechen der langjährige Heimatdienst-Chef Josef Feldner und Slowenenvertreter Marjan Sturm in einem Video von Andrea Bergmann, Thomas Cik und Helmuth Weichselbraun. Feldner und Sturm standen sich einst als Gegner in der Volksgruppenfrage gegenüber, mittlerweile sind sie seit mehr als zehn Jahren das Symbol für einen Kulturwandel in Kärnten. Für die Kleine Zeitung blickten die einstigen Kontrahenten in das Bilderbuch der Kärntner Zeitgeschichte.
Video: Kärnten am Rande des Bürgerkriegs
Zwar hat der Ortstafel-Kompromiss von 2011 hat Frieden in die zweisprachige Region Kärntens gebracht. Die Angst der Minderheit vor dem Verschwinden blieb trotzdem. Thomas Götz spürt der aktuellen Stimmungslage in seiner Reportage nach.
Die Ruhe nach dem Sturm
Von Thomas Götz
Mitten in der Wiese steckt eine Blechtafel im Betonsockel. Sie sieht aus wie ein Ortsschild, nur der Text passt nicht zum Zweck: „Liebe deinen Nächsten!“ fordert sie und darunter "Ljubi svojega bliznjega". Die Tafel steht in Rückersdorf im Jauntal, dort, wo vor fünfzig Jahren erbitterte Kämpfe um zweisprachige Beschriftungen der Ortseinfahrten getobt hatten.
"Ich glaube, das ist vorbei", sagt der Journalist und Politiker Eugen Freund, der vor fünfzig Jahren aufgezeichnet hat, was er sah. Seine Notizen machen deutlich, wie viel seit damals besser geworden ist. Er erzählt vom "G’seft", einem regional ausgerichteten Feinkostladen in St. Michael ob Bleiburg, das schon lange auch Smihel nad Pliberkom heißt. Die Schilder vor den feinen Spezialitäten aus Slowenien, Italien, der Steiermark und Kärnten, kennzeichnen nicht nur die Preise, sondern tragen auch Kilometerangaben. Nicht der Herkunftsort, sondern der ökologische Fußabdruck. Kleine Zeitenwende.
Im nahen Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje lädt Rektor Josef Kopeinig zur Diskussion über den Stand der Dinge elf Jahre nach dem schwer errungenen Ortstafel-Kompromiss und 50 Jahre nach dem Sturm. Schon die Gästeliste zeigt, was neu ist. Auf dem Podium sitzen ein paar Bürgermeister und eine Bürgermeisterin aus Orten, die über den Minimalkompromiss hinaus für ihre Orte zweisprachige Tafeln durchgesetzt haben. Ganz ohne Zwang.
Zum Beispiel Sonya Feinig. Sie ist seit 18 Jahren Bürgermeisterin in Feistritz im Rosental, zuletzt mit fast 90 Prozent wiedergewählt. Ortskaiserin könnte man sie nennen, aber das weist sie brüsk von sich. Es passt auch nicht zu ihrer Art. „Ich bin halt immer da“, erklärt sie bescheiden in ihrem Büro in Feistritz den Erfolg. Und dass sie für fast jede Familie schon etwas tun konnte.
Auch heikle Wünsche hat sie erfüllt. Vor gut einem Jahr brachte eine Gemeinderätin der slowenischen Volilna Skupnost den Antrag ein, die im Gemeindegebiet liegenden Ortschaften Suetschach und Matschach mit zweisprachigen Ortsschildern auszustatten. Knapp vor der Abstimmung knallten vier Männer der Bürgermeisterin eine Unterschriftenliste mit über 200 Namen auf den Tisch. Eine Volksbefragung in den Orten sollte entscheiden. Die Abstimmung fand trotzdem statt.
Mit 16 zu drei Stimmen ging der Antrag durch, nur die FPÖ und ein Abgeordneter ihrer Fraktion, der SPÖ, stimmten dagegen. Anonyme Drohbriefe folgten: "Du mußt aufpassen, wenn Du in der Nacht rausgehst." Oder "Werst sehn, die wird ka Nacht stehn." Seit einem Jahr steht Mace neben Matschach und Svece neben Suetschach. Passiert ist nichts und die Bürgermeisterin ist froh, dass wieder Ruhe eingekehrt ist.
Im nahen Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje lädt Rektor Josef Kopeinig zur Diskussion über den Stand der Dinge elf Jahre nach dem schwer errungenen Ortstafel-Kompromiss und 50 Jahre nach dem Sturm. Schon die Gästeliste zeigt, was neu ist. Auf dem Podium sitzen ein paar Bürgermeister und eine Bürgermeisterin aus Orten, die über den Minimalkompromiss hinaus für ihre Orte zweisprachige Tafeln durchgesetzt haben. Ganz ohne Zwang.
Zum Beispiel Sonya Feinig. Sie ist seit 18 Jahren Bürgermeisterin in Feistritz im Rosental, zuletzt mit fast 90 Prozent wiedergewählt. Ortskaiserin könnte man sie nennen, aber das weist sie brüsk von sich. Es passt auch nicht zu ihrer Art. „Ich bin halt immer da“, erklärt sie bescheiden in ihrem Büro in Feistritz den Erfolg. Und dass sie für fast jede Familie schon etwas tun konnte.
Auch heikle Wünsche hat sie erfüllt. Vor gut einem Jahr brachte eine Gemeinderätin der slowenischen Volilna Skupnost den Antrag ein, die im Gemeindegebiet liegenden Ortschaften Suetschach und Matschach mit zweisprachigen Ortsschildern auszustatten. Knapp vor der Abstimmung knallten vier Männer der Bürgermeisterin eine Unterschriftenliste mit über 200 Namen auf den Tisch. Eine Volksbefragung in den Orten sollte entscheiden. Die Abstimmung fand trotzdem statt.
Mit 16 zu drei Stimmen ging der Antrag durch, nur die FPÖ und ein Abgeordneter ihrer Fraktion, der SPÖ, stimmten dagegen. Anonyme Drohbriefe folgten: "Du mußt aufpassen, wenn Du in der Nacht rausgehst." Oder "Werst sehn, die wird ka Nacht stehn." Seit einem Jahr steht Mace neben Matschach und Svece neben Suetschach. Passiert ist nichts und die Bürgermeisterin ist froh, dass wieder Ruhe eingekehrt ist.
Sonya Feinig hat aus dem Gurktal hierher geheiratet, die Spannungen der Vergangenheit sind ihr deshalb fremd. Unbekümmert steckte sie zwei Metallskulpturen in den Trog der Zypresse am Eingang zum Gemeindeamt: "Grüß Gott" steht auf dem Herz, auf der anderen Tafel "Dober Dan", guten Tag. Auf dem Gebäude der zweisprachigen Volksschule steht der Willkommensgruß auch Englisch und Italienisch.
Schon der Kindergarten der Gemeinde pflegt beide Sprachen. Lisa Doujak leitet ihn seit acht Jahren. "Ich hab in Slowenisch maturiert", erzählt sie, umdrängt von einer der drei Gruppen mit insgesamt 68 Kindern. "Meine Uroma hat Windisch geredet, durch das hab‘ ich viel gelernt." Nun gibt sie die Sprache weiter, liest Gedichte auf Slowenisch mit den Kindern und gestaltet die Alltagsroutine in dieser Sprache. "Wir lernen mit ihnen auch slowenisch."
Da hilft es, dass ein paar Kinder in der Gruppe sind, deren Eltern aus Slowenien zugezogen sind, wegen der vielen neuen Firmen, die Feinig in den Ort geholt hat. "Kinder, die in Österreich geboren und slowenischer Herkunft sind, haben wir nicht", sagt Doujak. Gibt es Gegenwind? "Gar nicht."
Ein paar hundert Meter weiter westlich zweigt die Straße nach Suetschach ab. Suece steht nun drunter. Hier wohnt Valentin Inzko, der Berufsdiplomat und Vorsitzende des Rats der Kärntner Slowenen.
Was ihm das späte Hinweisschild in seiner Muttersprache bedeute? "Heimat", sagt er ohne lange nachdenken zu müssen. "Ich komm‘ nach Hause. Ich seh‘, ich bin willkommen."
Heimat. Ich komm' nach Hause. Ich seh', ich bin willkommen.
Am Podium in Tainach hatte er sehr pessimistisch geklungen. Bitter listete er die Traumata seiner Volksgruppe auf, gebrochene Versprechen eines Jahrhunderts. Ein abgekartetes Spiel sei auch der Kompromiss von 2011 gewesen, vor Beginn der Verhandlungen schon mit den Heimatverbänden ausgehandelt. "Und wir müssen noch dankbar sein für diese minimalistische Lösung."
Manuel Jug, der neue Vorsitzende des Zentralverbandes slowenischer Organisationen saß am anderen Ende des Tisches und widersprach, ohne die bitteren Fakten wegzureden. Er sei nur halb so alt wie der Ortstafelsturm, und stelle sich folgende Frage: "Trauern wir immer allem nach, was uns genommen wurde? Oder versuchen wir aus der Gegenwart das Beste herauszunehmen und das Beste daraus zu machen?"
Das Beste daraus macht auch Valentin Inzko aus der neuen Lage. Aus eigenen Mitteln hat er ein altes Bauernhaus samt Scheune erworben und sorgfältig erneuert. Ein Kulturzentrum soll es werden, ist es schon. Der Bundespräsident war da zur Einweihung. Im Jänner wird Thomas Quasthoff hier einen Jazz-Abend geben. Nun hofft er auf Unterstützung, auf Dauer lässt sich so etwas nicht privat betreiben.
In seinem privaten Refugium erinnert Inzko an die fast vergessene Diözesansynode, die auch vor 50 Jahren stattfand. Deren Dokument zum Zusammenleben der beiden Völker in Kärnten legte die Fundamente für die Zweisprachigkeit in der Kirche. Sein Vater Valentin hatte gemeinsam mit Ernst Waldstein gegen alle Widerstände den Weg gebahnt. Heute ist ein Kärntner Slowene sogar Bischof.
Gehen wir bitte den Konsens- und Verständigungsweg weiter, reden wir miteinander, nur so werden wir weiterkommen.
Auch der Kärntner Heimatdienst, einst erbitterter Gegner der Volksgruppe, spricht heute anders: "Gehen wir bitte den Konsens- und Verständigungsweg weiter, reden wir miteinander, nur so werden wir weiterkommen“, sagte Franz Jordan vom KHD zu den Vertretern der Slowenen in Tainach. Und erinnert an den Moment, in dem das Eis brach. "Stefan Karner sprach über die menschlichen Tragödien auf beiden Seiten." Dann konnten die alten Kontrahenten miteinander reden.
"Was einmal passiert ist, kann immer wieder passieren, im Guten wie im schlechten", schloss der Historiker Helwig Valentin die Runde. „Es kommt darauf an, alles zu tun, dass sich die guten Dinge wiederholen, nicht die Schlechten.“
Fotos: Votava/Brandstaetter Images/Picturedesk, Archiv Kärntner Arbeiterbewegung/Trenkwalder, KK (3), Daniel Raunig (Repro)/KHD, Thomas Götz (4).
Digitale Aufbereitung: Jonas Binder